Auswirkungen der Digitalisierung auf den Arbeitsmarkt bis 2030

Auswirkungen der Diigtalisierung auf den Arbeitsmarkt - ifo Studie im Auftrag der IHK
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Im Auftrag der IHK für München und Oberbayern hat das ifo Institut die Auswirkungen der Digitalisierung auf den Arbeitsmarkt in Bayern und Deutschland bis 2030 untersucht. Danach ist der Strukturwandel der Berufslandschaft in vollem Gange und wird weitergehen. Insgesamt ist jedoch kein Beschäftigungsrückgang zu erwarten. Im Gegenteil: unter den passenden gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen könnte Bayern sogar ein Beschäftigungswachstum von bis zu 13,5 Prozent realisieren.

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Beschäftigungsaufbau trotz Digitalisierung

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Quelle: Statistisches Bundesamt, Bundesagentur für Arbeit, Berechnungen des ifo Instituts

Sowohl in Deutschland als auch in Bayern hat sich die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung von 1999 bis 2016 positiv entwickelt, wobei Bayern einen stärkeren Anstieg verzeichnete als Deutschland. Die durchschnittliche Wachstumsrate der Gesamtbeschäftigung über den Betrachtungszeitraum lag in Deutschland bei 0,8 Prozent, in Bayern bei 1,3 Prozent.

Überdurchschnittlich gestiegen ist die Zahl der Teilzeitbeschäftigten. Deren Anteil an allen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten stieg seit Anfang der 2000er Jahre sowohl in Bayern als auch in Deutschland von 17 Prozent auf 27 Prozent im Jahr 2016 an. Diese Entwicklung lässt sich in erster Linie mit einer steigenden Erwerbstätigkeit von Frauen erklären, die häufig in Teilzeit arbeiten.

Deutlicher Wandel der Berufsstruktur

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Quelle: Shutterstock © Suwin

Eine gute Abschätzung der strukturellen Verschiebungen zwischen den Berufen ermöglicht die „Turbulenzrate“. Diese setzt die Zu- und Abnahme der Beschäftigung in den einzelnen Berufsgruppen von 1999 bis 2016 in Relation zur Gesamtzahl der Beschäftigten im Jahr 1999 und gibt damit das Ausmaß der Umwälzungen auf dem Arbeitsmarkt wieder. Diese Turbulenzrate liegt in Bayern für den Beobachtungszeitraum bei 23 Prozent (Deutschland: 20 Prozent). Knapp ein Viertel der Beschäftigten des Jahres 1999 haben im Jahr 2016 in einem anderen Beruf gearbeitet.

So stand etwa die Berufsgruppe der Stenographen, Stenotypisten und Maschinenschreiber 1999 mit einem Anteil von 1,21 Prozent an der Gesamtbeschäftigung noch an 19. Stelle der größten Berufe. Bedingt durch die Entwicklung in der IT macht diese Gruppe heute nur noch 0,12 Prozent der Gesamtbeschäftigung aus und damit Rang 125 aller Berufsgruppen. Auch der Anteil der Bankangestellten an der Gesamtbeschäftigung ist von 2,71 Prozent (Rang 4) auf 1,90 Prozent (Rang 11) deutlich zurückgegangen.

Umgekehrt konnten etwa die IT-Fachkräfte (1999 noch als „Datenverarbeitungsfachleute“ klassifiziert) ihren Beschäftigungsanteil von 2,02 Prozent (Rang 6) auf 3,61 Prozent (Rang 3) stark ausbauen. Deutliche Gewinne konnten auch Unternehmensberater (von 0,51 Prozent auf 1,46 Prozent Beschäftigungsanteil), Maschinenbautechniker (von 0,59 Prozent auf 1,45 Prozent) oder Sozialarbeiter (von 0,70 Prozent auf 1,29 Prozent) erzielen.

Routine-Berufe wachsen langsamer als Nicht-Routineberufe

Routinetätigkeiten besitzen die Eigenschaft, dass sie in einzelne, beschreibbare und immer wiederkehrende Teilaufgaben zerlegt werden können, die oft leichter automatisierbar sind und damit eher von Computern oder Maschinen erledigt werden können als Nicht-Routinetätigkeiten.

Im Vergleich fällt auf, dass Berufe, die von Nicht-Routinetätigkeiten geprägt sind, in der Vergangenheit ein höheres Wachstum aufwiesen als solche, die von Routinetätigkeiten geprägt sind. Über den Zeitraum von 1999 bis 2016 hinweg ist die Beschäftigung in Nicht-Routineberufen in Bayern um insgesamt 22,5 Prozent gestiegen, in Routineberufen jedoch nur um 5,2 Prozent.

Im gleichen Zeitraum sind bundesweit die Nicht-Routineberufe insgesamt um durchschnittlich 7,3 Prozent gewachsen, die Routineberufe dagegen im Durchschnitt um 4,2 Prozent geschrumpft.

Tendenzen zur Arbeitsmarktpolarisierung

Berufe mit hohem Entgeltniveau (und damit meist auch hohen Qualifikationsanforderungen) hatten im Zeitraum von 1999 bis 2016 ein tendenziell höheres Beschäftigungswachstum. Insbesondere für Deutschland zeigt sich ein leichter Anstieg des Beschäftigungswachstums auch am linken Rand mit niedrigem Entgeltniveau. In der Tendenz ergibt sich hier eine angedeutete U-Form mit etwas geringerem Wachstum insbesondere im mittleren Entgeltbereich.

Ein ähnliches Muster wurde auch schon für andere Länder – noch ausgeprägter unter anderem in den USA – und für andere Zeiträume festgestellt und ist als „Arbeitsmarktpolarisierung“ bekannt.

Diese Polarisierung wird damit erklärt, dass gerade Berufe im mittleren Entgelt- und Qualifikationsbereich öfter einen höheren Routinegrad aufweisen, also aus beschreibbaren und wiederkehrenden Teilaufgaben bestehen, und damit leichter automatisierbar sind. Zudem können solche Aufgaben leichter in andere Regionen verlagert werden und sind damit stärker von der Globalisierung betroffen, was sich zusätzlich negativ auf das Beschäftigungswachstum auswirkt.

Die stärker wachsenden Berufe im hohen Entgeltbereich sind dagegen besonders oft Nicht-Routineberufe, die schwer automatisierbare kreative, koordinierende oder organisierende Fähigkeiten erfordern.

Aber auch Berufe mit geringem Qualifikations- und Entgeltniveau, wie etwa einfache Servicejobs, die oft persönliche Anwesenheit und Kommunikation erfordern, wachsen überdurchschnittlich. Hier spielen oft auch wirtschaftliche Erwägungen bei der Frage eine Rolle, ob sich eine Automatisierung, gerade bei häufig wechselnden einfachen Tätigkeiten, überhaupt rechnet.

Prognose: Entwicklung der Gesamtbeschäftigung bis 2030

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Quelle: Bundesagentur für Arbeit, ifo-Geschäftsklimaindex, Berechnungen des ifo Instituts

Ausgehend von den Beschäftigungsdaten von 1999 bis 2016 prognostiziert das ifo Institut die Beschäftigungsentwicklung insgesamt sowie für einzelne Berufsgruppen bis zum Jahr 2030. Dabei wird die Beschäftigungsentwicklung der Vergangenheit unter verschiedenen Annahmen in die Zukunft fortgeschrieben. Abhängig von den getroffenen Annahmen ergibt die Prognose für Bayern ein Zuwachspotenzial bei der Beschäftigung bis 2030 von +1,6 Prozent bis +13,5 Prozent. In Deutschland liegt der Korridor zwischen -4,8 Prozent und +5,5 Prozent.

Selbst unter pessimistischen Annahmen gibt es also bis 2030 keine Hinweise auf einen massiven Beschäftigungsrückgang in Folge der Digitalisierung in Bayern. Stattdessen kann von einer steigenden Beschäftigung ausgegangen werden. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Beschäftigungsentwicklung limitierende Faktoren, wie etwa ein verringertes Arbeitsangebot, in diesem Modell nicht explizit berücksichtigt werden können. Insofern ist die Fortschreibung der Beschäftigung eher als Potential zu verstehen, dessen Ausschöpfung aber durch externe Faktoren verhindert werden kann.

Wachsende und schrumpfende Berufe bis 2030

Trotz der insgesamt positiven Beschäftigungsentwicklung gab es bereits in den letzten Jahren deutliche Umwälzungen in der Berufsstruktur in Bayern und Deutschland mit klaren Gewinnern und Verlieren unter den Berufsgruppen. Dieser Strukturwandel wird sich auch bis 2030 fortsetzen.

Begünstigt durch die demografische Entwicklung und eine geringe Automatisierbarkeit zählen die Pflegeberufe zu den größten Gewinnern bis 2030. In diesem Berufsfeld wird ein Beschäftigungswachstum von 50.000 Personen in Bayern prognostiziert. Auch IT-Fachkräfte, die unter die Berufsgruppe „Rechnungskaufleute, Datenverarbeitungsfachleute“ fallen, gehören zu den großen Gewinnern und profitieren von der weiter fortschreitenden Digitalisierung. Rund 58.000 Stellen könnten hier bis 2030 alleine in Bayern neu entstehen. Die Berufsgruppe der Unternehmer, Wirtschaftsprüfer und Organisatoren hat mit 79.000 potenziellen neuen Stellen in absoluten Zahlen gar das höchste Wachstumspotenzial und auch bei den Ingenieuren ergibt die Prognose einen deutlichen Zuwachs von 59.000 Stellen.

Zu den Berufen mit negativen Beschäftigungsperspektiven gehören in Bayern insbesondere die Maurer und Betonbauer (-8.000) sowie Bank- und Versicherungskaufleute (-12.000).

Politische Handlungsempfehlungen zur Digitalisierung der Arbeitswelt

  • Anpassungsfähigkeit im technologischen Wandel durch aktivierende Maßnahmen und Vermittlung entsprechender transversaler Kompetenzen fördern.
  • Basiskompetenzen in Mathematik und Deutsch fördern.
  • Digitale Kompetenzen und Informatikkenntnisse als Querschnittsaufgabe in allen Schulfächern und Schularten sowie in der Aus- und Weiterbildung vermitteln.
  • Lehrer, Erzieher und Ausbilder zur digitalen Kompetenzvermittlung schulen und Anreize zur Fortbildungsbeteiligung setzen.
  • Ausbildungsberufe regelmäßig neu ordnen und an die Digitalisierung und Innovationen aus der betrieblichen Praxis anpassen. Die IHKs sollten dabei neben Verbänden und Gewerkschaften eine sichtbare Rolle spielen.
  • Weiterbildung durch steuerliche Anreize oder finanzielle Zuschüsse für Beschäftigte und Unternehmen fördern, z. B. in Form von Bildungsgutscheinen.
  • Weiterbildung nach Möglichkeit direkt in den Unternehmen umsetzen, um sicherzustellen, dass Qualifikationen am tatsächlichen Bedarf ausgerichtet sind.
  • Weiterbildungsberatung durch Kammern und andere Institutionen intensiv nutzen, um die Transparenz des Weiterbildungsmarktes und die zielgerichtete Förderung für Beschäftigte zu verbessern.
  • Digitale Geschäftsmodelle nicht überregulieren.
  • Rohdaten öffentlich zugänglich machen, wo dies möglich ist („Data-Sharing“).
  • Wissenstransfer von den erfolgreichen Vorreiter-Unternehmen in der digitalisierten Welt zur breiten Masse der Nachzügler-Unternehmen fördern.