Afrikaforum Bayern 2024
Am 20.062024 waren alle Augen auf die Länder Subsahara-Afrikas gerichtet, denn im Stammhaus der IHK München fand das Afrikaforum Bayern statt. Das Forum mit rund 200 Teilnehmenden wurde von Manfred Gößl und Staatssekretär Tobias Gotthardt eröffnet. Danach gab Christian Hiller von Gaertringen, Chefredakteur des Africa.Table, Unternehmen wertvolle Ratschläge für einen guten Geschäftsstart in den Ländern Subsahara-Afrikas und eine Kooperation auf Augenhöhe mit. Nach vier abwechslungsreichen Themenworkshops schloss Eric Beißwenger, Staatsminister für Europaangelegenheiten und Internationales, mit Closing Remarks den offiziellen Teil, bevor es zum Networking mit Kaffee-Cocktails überging. Auf dieser Seite finden Sie Impressionen vom Tag, die Vorträge zum Download und Interviews mit den Beteiligten. Die Gespräche führte Martin Armbruster, IHK für München und Oberbayern
"Super Chance für unsere Wirtschaft"
Afrika-Kenner Christian Hiller von Gaertringen erklärt, warum das Afrika-Geschäft mehr denn je verspricht – und es dafür auch staatliche Investionen braucht.
Er lieferte einen Super-Einstieg in das Afrikaforum 2024 am 20. Juni in der IHK: Christian Hiller von Gaertringen sprach in seiner Keynote über "Chancen und Trends in den Top-Märkten Subsahara-Afrikas". Schnell wurde klar – der Mann kennt sich aus und vermittelte das, was er weiß, erfrischend anschaulich und lebendig. Von Hiller ist Redaktionsleiter von Africa.Table, einem Fach-Newsletter, der zweimal die Woche erscheint.
Als Journalist weiß er, wie man Themen gut verständlich aufbereitet. Viele Teilnehmer lobten seinen Vortrag, weil der so nahe dran an der Lebenswirklichkeit war. Von Hiller gab Afrika-Einsteigern ganz praktische Tipps: nicht am Hotel sparen, sich auch bei Hitze gut anziehen, den afrikanischen Gesprächspartnern immer etwas zum Essen anbieten. Im Interview mit IHK-Redakteur Martin Armbruster erklärte der Afrika-Kenner, warum die gesamte deutsche Wirtschaft enorm von einer guten Entwicklung des Kontinents profitieren könnte.
Sie haben vorhin erklärt, um in Afrika erfolgreich zu sein, müsse man offen sein, kreativ und spontan sein. Ist das nicht das Gegenteil von dem, was Business-Schools unseren Unternehmern predigen?
Das kann gut sein. Afrika ist auf jeden Fall ein sehr unternehmerischer Kontinent. Sie finden dort ganz viele Menschen, die sich als Unternehmer verstehen, obwohl man es nie von ihnen erwarten würde.
Wie zeigt sich das?
Ich habe in Nigeria mit einem Bauarbeiter gesprochen. Faktisch war der ein Tagelöhner, der hangelte sich von Auftrag zu Auftrag. Er selbst hat das komplett anders gesehen. Er betonte ganz stolz: "Ich bin ein Unternehmer." Er erklärte, wenn er einen großen Auftrag habe, stelle er dafür Leute ein und lerne die an. Das Selbstverständnis ist schon sehr unternehmerisch.
Das ist aber nur ein Beispiel.
Aber es ist tpyisch für das Denken in dem ganzen Kontinent. Kein deutscher Bauarbeiter würde so etwas sagen. Das Leben in Afrika ist eben anders. Dort muss man unternehmerisch denken und tätig sein, wenn zu etwas kommen will. Ein Auto, ein Haus, das ist alles sehr teuer, man hat eine große Familie zu ernähren. Man ist gezwungen, viel Geld zu verdienen. Nur mit einem Job geht das kaum.
Wie wichtig ist es, als Unternehmer selbst dort präsent zu sein?
Das ist ganz wichtig. Man muss da selbst regelmäßig hinfliegen, dort häufig präsent sein. Ihre Geschäftspartner in Afrika müssen immer das Gefühl haben, dass man sie ernst nimmt. Man muss dort selbst viel mit den Leuten sprechen. Die sollen ja irgendwann die Produkte kaufen. Die lassen sich nicht von München aus entwickeln. Man muss genau hinschauen, was die Menschen in Afrika wirklich brauchen und wollen. Und sich dann fragen: Habe ich dafür das richtige Produkt?
Heißt das, dass ein Produkt, das sich in Deutschland gut verkauft, möglicherweise in Afrika überhaupt nicht funktioniert?
Ganz genau. Ich habe vorhin auf dem Podium das Beispiel Smartphone erwähnt. Das Smartphone hat Afrika verändert, es ist die Basis der Wirtschaft. Über das Smartphone sucht man dort Jobs und Aufträge, tauscht Devisen, tätigt Überweisungen, bezahlt seine Stromrechnung, schreibt sich an der Uni ein und stellt Anträge bei Ämtern und Ministerien.
Klingt nach einem Riesen-Geschäft für die Hersteller …
Das ist mein Punkt. Marktführer ist in Afrika weder Samsung noch Apple. Es ist die chinesische Firma Transsion, die das größte Geschäft macht. Die Chinesen haben als erste verstanden, dass der Bauarbeiter in Nigeria ein anderes Smartphone will als ein Jurist in Hamburg.
Wo liegen denn da die Unterschiede?
Die Nutzer-Menüs der Transsion-Handys gab es schon vor zehn Jahren in den wichtigsten afrikanischen Sprachen, das das Gehäuse ist robust, das Akku hält lange und – das ist der geniale Trick – das Smartphone hat Platz für zwei Sim-Karten, weil viele afrikanische Nutzer in zwei Netzen unterwegs sind. Transsion hat in Afrika nicht angeboten, was seine Entwickler gut fanden, sondern das, was die Menschen dort wollten.
Bedeutet so eine auf Afrika zentrierte Strategie für einen Mittelständler nicht zu viel Aufwand?
Ja, ich kenne den Einwand: Ich habe so viel zu tun – und jetzt soll ich auch noch drei- oder viermal im Jahr nach Afrika fliegen? Ich sehe das anders. Wenn man den afrikanischen Markt richtig angeht, dann wirkt das wie ein Seminar oder eine Frischzellen-Kur. Sie bekommen neue Ideen, machen sich den Kopf frei. Sie sehen ihre eigenen Produkte und das, was sie tun, aus einer ganz anderen Perspektive. Wenn sie die Reisen so nutzen, ziehen sie einen unheimlichen Gewinn aus ihrem Afrika-Engagement.
Wirkt diese Frischzellen-Kur dann für das gesamte Unternehmen?
Ja, absolut, das ist so. Sie können Afrika auch gut nutzen, um mal Abstand zu kriegen von dem Alltag im eigenen Unternehmen. Es gibt dort super Hotels, wo sie sich mal zurückziehen können. Das lässt sich super mit einem Urlaub, auch mit der Familie, verbinden. Sie finden in jedem Land eine tolle Natur.
Unsere Medien zeigen uns ganz andere Bilder. Da sieht Afrika immer nach Katastrophe aus.
Man verbeitet eben auch da falsche Vorstellungen von Afrika. Nigeria wird beispielsweise immer als Land beschrieben, das mit Ölpumpen übersät ist. Dabei ist Nigeria eines der wunderschönsten Länder auf dem Kontinent mit einer beeindruckenden Bergkette zwischen Nigeria und Kamerun. Man kann wirklich toll Urlaub machen – und dabei erste Kontakte knüpfen.
Was ist mit der Sorge der Unternehmer vor politischen Unruhen und fehlender Rechtssicherheit?
Es ist natürlich sehr schwer, dazu für den gesamten Kontinent etwas zu sagen. Aber selbst die Länder, die Schlagzeilen-trächtig sind, wie Südafrika oder Nigeria, sind stabile Demokratien. Deutschland wirkt heute, politisch von außen betrachtet, ja auch nicht als Hochburg der Stabilität und Planungssicherheit. Also: Wenn in der Politik gestritten wird, wenn es politische Konflikte gibt, bedeutet das noch lange nicht, dass eine Demokratie nicht stabil wäre. Sorgen muss man sich machen, wenn Stille herrscht, oder es nur noch eine Meinung gibt, so wie in Russland.
Ist Afrika politisch stabiler, als viele glauben?
In den Ländern, die wirtschaftlich am interessantesten sind, ist es tatsächlich so. Und diese Stabilität gilt vor allem für die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Mir ist in den jüngsten 15 bis 20 Jahren kein Fall bekannt, bei dem eine afrikanische Regierung einen Investor enteignet hätte. Es gab auch sonst keine Zwangsmaßnahmen. Die Regierungen versuchen alle, Investoren ins Land zu holen und wirtschaftliche Brücken zu bauen.
Sind Bayerns Unternehmen zu vorsichtig?
Man muss da unterscheiden. Was die politischen Rahmenbedigungen angeht: Da haben sie in Afrika Planungssicherheit. Das Problem sind die Geschäftspartner, mit denen sie sich einlassen. Das ist das Allerwichtigste für ein Afrika-Engagement: Sie müssen dort die richtigen Partner finden. Business-Pläne, Markt-Studien, ja das ist wichtig, aber zweitrangig. Die richtigen Partner finden, darauf müssen sie ihre ganze Sorgfalt verwenden.
Als erste Anlaufstellen, das haben Sie ja erwähnt, bieten sich die AHKs und Botschaften an. Haben Sie einen Tipp, wie man danach an die richtigen Partner herankommt?
Sie müssen ein Netzwerk aufbauen. Dafür kann man die örtliche IHK oder die AHK in dem jeweiligen afrikanischen Land nutzen. Die bauen Brücken, auch die deutsche Botschaft hilft. Es gibt in vielen Ländern Vereine und Vereinigungen, in denen deutsche Unternehmer aktiv sind. Engagieren sie sich da. Das hilft, Leute zu finden, denen man Vertrauen kann.
Wie stelle ich das als bayerischer Unternehmer an?
Man kann ja mal ganz einfach den Lebenslauf des potenziellen Geschäftspartner mal prüfen. War er wirklich an der Uni? Was macht er privat? Das bringt ihnen zwar kein Geschäft, aber sie wissen danach, wie ehrlich er ist. Da ist es von Vorteil, die afrikanischen Diaspora hier in Deutschland einzubinden. Egal, ob Vertreter der ersten oder zweiten Generation – diese Menschen haben sehr gute Kontakte in ihre jeweiligen Heimatländer. Das kann sehr hilfreich sein.
Und was machen wir mit der starken chinesischen und russischen Konkurrenz?
Ich versuche, das mal aus afrikanischer Sicht zu beantworten: Was bringt es mir, mit einem bayerischen Unternehmen zusammenzuarbeiten? Da punkten wir mit Verlässlichkeit und Fairness. Auf diese Stärken müssen wir uns besinnen. Wir müssen die Kunden, Angestellten und Lieferanten gut behandeln. Wir müssen den jungen Menschen dort eine Ausbildung ermöglichen, die sie für ihren Job qualifiziert.
Haben wir auch Lösungen für die schnell wachsende Bevölkerung in afrikanischen Ländern?
Das ist zunächst mal eine riesige Chance für den Kontinent. Jedes neue Kind schafft auch mehr Nachfrage nach allen möglichen Dingen. Das garantiert Wachstum. Allerdings ist auch klar: Mit den bisherigen Mitteln wird der Bevölkerungszuwachs nicht zu beherrschen sein. Afrika muss in den nächsten 30 Jahren Lehrer für 1,5 Milliarden Menschen ausbilden. Mit dem Standard-Modell ein Lehrer für 30 Schüler ist das nicht zu schaffen.
Was schlagen Sie vor?
Wir brauchen ganz neue Schulkonzepte, wir müssen da mit E-Learning, KI und Digitalisierung ran. Es muss möglich sein, dass ein Lehrer 100 Kinder gut unterrichtet. Wir haben ähnlich große Aufgaben beim Gesundheitssystem. Für all das brauchen wir viel private Investitionen. Daraus ergeben sich gute Chancen für Unternehmen aus den Branchen Lebensmittel, Landwirtschaft, Immobilien- und Bau-Wirtschaft.
Steigt der Bedarf noch, wenn in Afrika neue Megacities entstehen?
Die vielen Menschen werden ja irgendwo wohnen müssen. Und sie werden das künftig vor allem in den Städten tun. Wenn wir das richtig angehen, ist das eine super Chance für unsere Wirtschaft. Aber dafür werden auch ganz viele Dinge benötigt, die kein Geld bringen.
Was meinen Sie damit konkret?
Wenn sie eine Straße bauen und keine Maut erheben können, ist das eine Investition, die nie Gewinn abwerfen wird. Das heißt: Nur private Investitionen werden es in Afrika nicht richten können. Wir sollten im eigenen Interesse dafür sorgen, dass der Kontinent auch die nötigen öffentlichen Investitionen finanzieren kann.
Widersprechen Sie denen, die in der Politik heute sagen, Hilfen für Radwege in Peru oder Schulen in Afrika seien verbranntes Geld?
Genau die Erfarung haben wir Deutsche doch gemacht. Wenn wir von wirtschaftlich stabilen Nachbarländern umgeben sind, ist das der beste Garant für Frieden, Freiheit und ein gutes Miteinander. Wenn wir das in Afrika nicht schaffen und dort die Gesellschaft auseinanderbricht, werden auch in Europa viele ein Problem bekommen.
Gerade auch dann, wenn es in Afrika an Geld für mehr Klimaschutz fehlt.
Es gibt schon sehr viele Investitionen in Erneuerbare Energien. In Kenia, Marokko, sogar in Algerien, was ein großes Erdöl-Förderland ist. Aber Klimaschutz ist dafür nur der eine Grund. Diese Länder wollen sich unabhängig von Öl und Erdgas machen, die sie für viel Geld importieren müssen. Wir müssen lernen, die Interessen afrikanischer Länder besser zu verstehen.
Gilt das auch für die Prüfung der Lieferketten? Den Punkt hatten Sie vorhin angesprochen.
Ja, da haben wir eine Chance verpasst. Das Lieferkettengesetz ist grundsätzlich gut, nur hätten wir das gemeinsam mit den afrikanischen Ländern gestalten müssen. Die afrikanischen Regierungen wollen ja auch nicht, dass ihre Leute ausgebeutet werden, ihre Kinder in Minen schuften müssen und ihre Umwelt zerstört wird. Wir müssen einfach mit Afrika noch viel besser ins Gespräch kommen.
Weitere Interviews
Herr Stockhausen, was bietet Ihr Unternehmen afrikanischen Kunden an?
Etherisc hat eine Blockchain-Plattform für digitale Versicherungslösungen entwickelt. Wir verknüpfen in der Blockchain Datenquellen und Zahlungssysteme. Der ganze Prozess läuft vollkommen automatisch ab. Die Digitalisierung der Policen mit Smart Contracts bringt mehr Effizienz und Transparenz. Das senkt die Kosten, das macht Zahlungen in Echtzeit möglich.
Wie läuft denn Ihr Afrika-Geschäft?
Wir bieten besonders erfolgreich agricultural und climate risk insurance für Kleinbauern in Afrika an. Wir arbeiten mit vielen Partnern in Kenia, Burkina Faso und Uganda zusammen.
Wie sind Sie mit Ihrem Unternehmen in den Markt eingestiegen?
Wir sind mit einem ersten Pilotprojekt in Sri Lanka gestartet. Dann haben wir unsere Anwendung Projekt mit 30.000 Farmern in Kenia in großem Maßstab umgesetzt. Der Erfolg hat uns Folge-Projekte in Kenia gebracht und zu einer Zusammenarbeit mit dem WFP (World Food Programme) Accelerator in Burkina Faso geführt. Momentan arbeiten wir mit verschiedenen Partnern an einem Projekt mit Kaffeebauern in Uganda.
Wie stark gefährdet der Klimawandel Ihr Geschäft? Ihre Kunden spüren doch als erste die Folgen von Wassermangel und Hitze-Wellen.
Ja, natürlich bedeutet der Klimawandel ein großes Risiko für die Menschen in Subsahara Afrika. Andererseits ergeben sich über die Carbon Markets auch gute Möglichkeiten. Wir können die afrikanischen Länder in den Kampf gegen die globale Erwärmung einbinden. Das bringt diesen Ländern auch neue Einkommensquellen.
Aus welchen Gründen sollten sich bayerische Unternehmen für diese Länder interessieren?
Ich glaube, dass viele Unternehmen die möglichen Vorteile noch nicht sehen. Die Emerging Markets Subsahara Afrikas bieten enormes Potential für Technologiesprünge und massive Skalierung. Besondere Chancen bietet derzeit nach meiner Ansicht die EUDR, eine Verordnung, mit der die EU die Entwaldung stoppen, die biologische Vielfalt bewahren und die Emission von Treibhausgasen senken will.
Herr Finianos, was genau macht die Brückner Maschinenbau GmbH?
Wir sind der weltweit führende Anbieter von Produktionsanlagen zur Herstellung von monoaxial und biaxial verstreckten Folien.
Für was werden solche Folien gebraucht?
Die braucht man als Verpackungsmaterial. Diese Folien sind auch wichtig für die Entwicklung der afrikanischen Wirtschaft. Sie werden in Hightech-Anwendungen eingesetzt, zum Beispiel für Elektromobilität, Energieerzeugung und -speicherung oder Medientechnik.
An welchen Standorten ist Brückner in Subsahara-Afrika aktiv?
Wir haben in Sub-Sahara Afrika insgesamt vier Anlagen verkauft. Je zwei in Südafrika und Nigeria. Das erste Projekt haben wir schon 1991 in Südafrika abgeschlossen. Die bislang letzte Anlage haben wir 2020 in Nigeria verkauft. Wir haben keine Fabrik, Fertigung oder Brückner-Niederlassung in ganz Afrika. Seit dem vergangenen Jahr haben wir aber eine lokale Vertretung in Äthiopien und Kenia. Damit versuchen wir, einen Kunden in Ostafrika zu finden.
Sie hätten wahrscheinlich gerne mehr Anlagen verkauft …
Ja, sicher. Das Potential für mehrere Anlagen in Sub-Sahara Afrika wäre auch da. In Ostafrika gibt es für diese Folien keine Produktion. Die werden zu 100 Prozent importiert.
Woran liegt es, dass bislang für Ihr Unternehmen nicht mehr geht?
Mit unseren Anlagen bewegen wir uns in der Größenordnung von 20 Millionen Euro. Die Finanzierung solcher Projekte ist in Afrika sehr schwierig. Die Finanzierungskosten für Versicherungen und Zinsen sind sehr hoch. Die Zusage für die Hermes-Finanzierung für unser jüngstes Projekt in Nigeria hat länger als zwei Jahre gedauert. Für Großprojekte, wie wir sie bauen, ist die Infrastruktur und Logistik in der Region Subsahara Afrika noch immer mangelhaft. Und es fehlt an gut ausgebildeten Fachkräften.
Was hat Sie bewogen, sich so stark in Nigeria zu engagieren?
Nigeria ist für fast jedes Unternehmen besonders spannend. Es ist das bevölkerungsreichste und wirtschaftlich wichtigste Land in Afrika. Und Nigeria Wirtschaft hat ein großes Wachstum.
Sind Sie dort direkt ins Geschäft gekommen?
Nein. Es ist fast unmöglich, dort als deutsches Unternehmen direkte Geschäfte zu machen. Sie brauchen eine Kontakt-Person oder einen Firmenpartner, der das Projekt vermittelt.
Was raten Sie anderen Unternehmern, die sich in Subsahara Afrika engagieren wollen?
Sich darauf einstellen, dass man dort mehr viel Geduld braucht. Bei den ersten Schwierigkeiten nicht gleich aufgeben. Wichtig ist: Sie müssen sich dort eine lokale Vertretung suchen und viel Präsens zeigen.
Herr Merkel, liegen wir richtig mit der Vermutung, dass SOLAR23 für Photovoltaik steht?
Ja, stimmt absolut. SOLAR23 wurde 2000 gegründet. Das Besondere an unserem Unternehmen ist: Wir haben vom Start weg die Märkte in Deutschland und Afrika der ersten Hochphase in Deutschland gleichzeitig bedient. Wir haben schon während der ersten Hochphase in Deutschland, zu der auch das 1000 Dächer-Programm der Bundesregierung beigetragen hatte, hierzulande viele Anlagen montiert. Von Beginn an hatten wir aber auch unseren Fuß im Afrika-Geschäft.
Was hat Sie dazu motiviert?
Einer unserer Gesellschafter stammt aus Tunesien. Da lag es nahe, in Tunesien sowie auch im Frankophonen Afrika unser Geschäft zu starten. Geholfen hat uns dabei die Zusammenarbeit mit Partnern, kirchlichen Organisationen, der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit und NGOs. Seit 2001 liefern wir Anlagen nach Afrika und installieren die auch dort. Eines haben wir auch früh erkannt: nur PV-Anlagen montieren – das reicht für die Region Subsahara Afrika nicht. Die Menschen dort brauchen unsere Anlagen für die Versorgung mit Wasser, Licht und Strom.
Wie hat sich Ihr Afrika-Geschäft entwickelt?
Wir haben in den vergangenen Jahren ein Netzwerk über den gesamten Afrikanischen Kontinent aufgebaut. Wir haben das mit zwei unterschiedlichen Ansätzen hinbekommen. Wir haben lokale Partner, mit denen wir uns ständig austauschen. In einigen Ländern gehen wir auch einen Schritt weiter: Wir beteiligen uns auch direkt an lokalen Unternehmen – das geht dann bis hin zu einer vollständigen Niederlassung. Die Variante wählen wir vor allem dann, wenn wir Projekte selbst entwickeln, die lokalen PV-Anlagen selbst betreiben und den mit ihnen gewonnenen Strom und Service verkaufen.
Klingt so, als könnte die Photovoltaik der große Game Changer fürAfrika wären.
Hohe Sonneneinstrahlung – das bietet der Kontinent im Überfluss. Der Wirkungsgrad von PV-Anlagen ist in Afrika deutlicher höher. Was unserem Unternehmen und den Menschen dort hilft, ist, dass wir uns auf die Elektrifizierung im ländlichen Bereich spezialisiert haben. Für fast jeden Bedarf haben wir eine Lösung. Ob es eine Bank ist, die ihre kritische Strom-Infrastruktur sichern will – oder ob im Zuge eines Weltbankprogramms größere Gebiete mit PV-Wasserpumpensystemen ausgestattet werden sollen.
Wann suchen Sie sich einen Partner? Und in welchen Fällen gründen Sie eine Niederlassung?
Was wir nicht machen: Von einem Land aus in einem benachbarten Land operieren. Das funktioniert nicht, weil jedes Land seine eigenen Anforderungen und Bedingungen stellt. Für eine Niederlassung entscheiden wir uns, wenn klar ist, dass wir dort mit Projekten für einige Jahre beschäftigt sind – oder Programme internationaler Organisationen eine gewisse Auslastung unserer Projekte garantieren.
Wie steht es mit den politischen Risiken in Afrika?
Grundsätzlich muss man dort flexibel sein. Die Rahmenbedingungen für die Unternehmen können sich schneller und weit drastischer ändern als in Europa. Man kämpft im frankophonen Afrika auch gegen die Abneigung französischer Unternehmen. Währungsschwankungen sind auch ein Punkt, den man permanent im Blick haben muss.
Was raten Sie anderen Unternehmern?
Den Mut haben, in afrikanische Märkte einzusteigen. Wirtschaftswachstum und die Nachfrage sind dort weit höher als in Europa. Keine Alleingänge versuchen. Man muss immer mit den wichtigen lokalen Playern dort sprechen und sie auch mit involvieren. Mit unserer Strategie sind wir jedenfalls gut gefahren: Im ersten Schritt sich mit einem lokalen Partner arrangieren. Damit hatten wir schon mal den Fuß in der Tür. Damit haben wir uns einen Namen gemacht, wir konnten die wichtigsten Regularien und Stakeholder innerhalb eines Landes kennenlernen. Wenn der Perspektiven gut sind, kann man dann eine eigene Niederlassung gründen.