IHK Ratgeber

Die neue Medizinprodukteverordnung (MDR)

Medizinprodukt Medizinprodukteverordnung
© Dan Race

Die neue Medizinprodukteverordnung (MDR) ist seit 26.5.2021 in Kraft. Hier erfahren Sie, was Sie dringend beachten müssen.

Aktuelles zur Normung

Das Deutsche Institut für Normung stellt bis auf Weiteres Normen für medizinische Ausrüstungen kostenfrei zu Verfügung.

Mit der kostenfreien Bereitstellung der Normen soll Unternehmen geholfen werden, die ihre Produktlinien umstellen wollen, um die so dringend benötigte Ausrüstung kurzfristig herzustellen.

Die Normen können Sie über dne Beuth-Verlag beziehen: www.beuth.de

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Überblick: Die neue Medizinprodukteverordnung (MDR)

Die neue Medizinprodukteverordnung (2017/745/EU) hat die Medizinprodukterichtlinie sowie die Richtlinie über aktive implantierbare medizinische Geräte ersetzt. Ziel ist die Sicherheit von Medizinprodukten über den gesamten Lebenszyklus weiter zu erhöhen. Im Wesentlichen sind damit eine Neuklassifizierung bestimmter Produkte sowie strengere Vorgaben für den Inhalt der Technischen Dokumentation und die klinische Bewertung verbunden. Die Überwachung von Produkten sowie die eindeutige Produktidentifikation nach dem Inverkehrbringen erhalten eine größere Bedeutung. Insgesamt wurden die Anforderung an Medizinproduktehersteller und alle anderen Beteiligten verschärft.

Was sind Medizinprodukte?

Die offizielle Definition lautet:

"Medizinprodukt“ bezeichnet ein Instrument, einen Apparat, ein Gerät, eine Software, ein Implantat, ein Reagenz, ein Material oder einen anderen Gegenstand, das dem Hersteller zufolge für Menschen bestimmt ist und allein oder in Kombination einen oder mehrere der folgenden spezifischen medizinischen Zwecke erfüllen soll:

  • Diagnose, Verhütung, Überwachung, Vorhersage, Prognose, Behandlung oder Linderung von Krankheiten,
  • Diagnose, Überwachung, Behandlung, Linderung von oder Kompensierung von Verletzungen oder Behinderungen,
  • Untersuchung, Ersatz oder Veränderung der Anatomie oder eines physiologischen oder pathologischen Vorgangs oder Zustands,
  • Gewinnung von Informationen durch die In-vitro-Untersuchung von aus dem menschlichen Körper — auch aus Organ-, Blut- und Gewebespenden — stammenden Proben und dessen bestimmungsgemäße Hauptwirkung im oder am menschlichen Körper weder durch pharmakologische oder immunologische Mittel noch metabolisch erreicht wird, dessen Wirkungsweise aber durch solche Mittel unterstützt werden kann.
  • Produkte zur Empfängnisverhütung oder -förderung
  • Produkte, die speziell für die Reinigung, Desinfektion oder Sterilisation von Medizinprodukten bestimmt sind.
  • Produkte ohne medizinische Zweckbestimmung
  • Zubehör

Beispiele für Medizinprodukte:

  • Gehhilfen und Rollstühle
  • Stützstrümpfe
  • Verbandmittel
  • wiederverwendbare chirurgische Instrumente
  • Desinfektionsmittel (für Instrumente und Geräte)
  • Einmalspritzen
  • Hörgeräte
  • Kondome
  • Kontaktlinsen und Kontaktlinsenreiniger
  • Beatmungsgeräte
  • Dialysegeräte
  • Herzkatheter
  • künstliche Hüft-, Knie-, oder Schultergelenke
  • Brustimplantat
  • Herzschrittmacher

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Die wichtigsten Änderungen

Erweiterter Geltungsbereich der MDR

  • Neu aufgenommen wurden Produkte ohne medizinische Zweckbestimmung, z.B. farbige Kontaktlinsen und Stoffe für ästhetische Zwecke
  • Besondere Regeln bestehen für Medizinprodukte, die mit einem In-vitro-Diagnostikum oder einem Arzneimittel kombiniert werden

Neuklassifizierung von Produkten

  • Neue Regeln zur Bestimmung der Risikoklasse von Medizinprodukten führen ggf. zu einer Höherstufung von Produkten.

Erweiterte Pflichten der Hersteller

  • Hersteller von Medizinprodukten müssen die grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen an Medizinprodukte einhalten.
  • Ein Risikomanagement muss eingerichtet werden.
  • Medizinprodukte hersteller müssen ein Qualitätsmanagementsystem nachweisen, auch für die Herstellung von Medizinprodukten der Klasse I
  • Hersteller müssen ein System zur Deckung der finanziellen Haftung für Schäden durch fehlerhafte Produkte einrichten.
  • Es muss eine Person mit dem notwendigen Fachwissen im Unternehmen benannt werden, die für die Einhaltung der Regulierungsvorschriften verantwortlich ist. Bevollmächtigte und kleine Unternehmen müssen dauerhaft und kontinuierlich auf eine solche Person zugreifen können.
  • Hersteller mit Sitz außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraumes müssen einen einen Bevollmächtigten beauftragen.
  • Hersteller müssen sich auf unangemeldete Audits einrichten, die nach der MDR verpflichtend sind.

Benannte Stellen

  • Benannte Stellen müssen durch die EU-Kommission neu benannt werden. Eine Auflistung finden Sie in der NANDO-Datenbank. Einige der bisher Benannten Stellen stehen zukünftig nicht mehr zur Verfügung oder sind nicht mehr im gleichen Geltungsbereich tätig. Medizinprodukte dürfen durch die staatlich benannten, aber privatrechtlichen Benannten Stellen im europäischen Wirtschaftsraum in Verkehr gebracht werden.

Einheitliches System zur Produktidentifikation

  • Es wird ein System zur eindeutigen Produktidentifikation und Rückverfolgbarkeit – UDI-Produktkennung (Unique Device Identification System) eingerichtet. Hersteller geben dem Produkt eine eigene UDI-Produktkennung sowie eine UDI-Herstellerkennung, die die Produktionseinheit des Produktes ausweist.
  • Die UDI-Kennung ist auf dem Produkt anzugeben und in die Europäische Datenbank (EUDAMED)einzutragen.

Konformitätsbewertung

  • Entsprechend der Einordnung in eine Risikoklasse ist ein spezielles Verfahren zur Konformitätsbewertung anzuwenden. Bei sämtlichen Produkten der Klassen IIa, IIb und III sowie bei bestimmten Produkten der Klasse I ist eine Benannte Stelle zu beteiligen.und ggf. eine Benannte Stelle einzubeziehen
  • Bei bestimmten Hochrisikoprodukten der Klassen IIb und III ist die Durchführung eines neuen Konsultationsverfahrens durch ein unabhängiges Expertengremium erforderlich.
  • Das eingerichtete Qualitätsmanagementsystem umfasst nun die klinische Bewertung und die klinische Nachbeobachtung nach dem Inverkehrbringen – Post-Markt-Surveillance.
  • Die Anforderungen an die klinische Bewertung und klinische Prüfungen sind deutlich strenger und detaillierter geregelt. Klare Fachkompetenz ist gefordert

Sonstiges

  • Es gibt neue Regeln für den Verkauf von Medizinprodukten über das Internet und die Erbringung von diagnostischen oder therapeutischen Dienstleistungen im Fernabsatz
  • Die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Wirtschaftsakteuren intensiviert sich: Zukünftig muss dargestellt werden, wie ein Medizinprodukt in Europa an Endkunden geliefert wird – Transparenz der Lieferkette

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IHK Checkliste: So erfüllen Sie die Anforderungen der MDR

  • Machen Sie sich als Hersteller von Medizinprodukten mit den Klassifizierungsregeln vertraut und überprüfen Sie Ihre bereits vorhandenen Medizinprodukte, ob diese korrekt klassifiziert sind.
  • Machen Sie sich bewusst, dass mit der Änderung der Klassifizierung ein anderes Konformitätsbewertungsverfahren verbunden ist.
  • Prüfen Sie, ob Ihre Produktdokumentation im Einklang mit der neuen Verordnung steht. Die bisherige Technische Dokumentation für Ihr Produkt muss ggf. überarbeitet werden.
  • Informieren Sie sich in der NANDO-Datenbank über die zur Verfügung stehenden Benannten Stellen und nehmen Sie Kontakt auf.
  • Setzen Sie sich umgehend mit Ihrer Benannten Stelle in Verbindung und klären Sie, ob diese weiterhin eine Benannte Stelle in dem für Sie notwendigen Geltungsbereich ist.
  • Vereinbaren Sie mit Ihrer Benannten Stelle einen Zeitplan für die Zertifizierung Ihrer Produkte.
  • Stellen Sie sicher, dass die notwendigen Systeme für die klinische Bewertung, das Risiko- und Qualitätsmanagement, die UDI-Produktkennung, die Überwachung nach dem Inverkehrbringen und die Haftung für fehlerhafte Produkte an die Anforderungen der MDR angepasst und vorhanden sind.

Die Checkliste "neue Medizinprodukteverordnung" liefert noch mehr Tipps und Empfehlungen.

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