Gewerbesteuer
Gemeinden sind berechtigt, von jedem Gewerbebetrieb Gewerbesteuer zu erheben. Auf dieser Seite werden im Überblick wesentliche gewerbesteuerliche Aspekte dargestellt. Im Fokus stehen hierbei originär gewerblich tätige Unternehmen.
Inhalt
- Einleitung
- Wer ist gewerbesteuerpflichtig?
- Wann beginnt und endet die Gewerbesteuerpflicht?
- Wie hoch ist die Belastung durch die Gewerbesteuer?
- Wer darf die Gewerbesteuer anrechnen?
- Wann und wie ist die Gewerbesteuererklärung abzugeben?
- Wer ist für die Festsetzung der Gewerbesteuer verantwortlich?
- Hebesätze für die Gewerbesteuer
- Gewerbesteuer – Übersicht zur Ermittlung
- Gewerbesteuer für Existenzgründer und kleine Unternehmer
- Pilotprojekt: digitaler Gewerbesteuerbescheid Stadt München
- Häufige Fragen rund um die Gewerbesteuer
- Zusammenfassung
Einleitung
Die Gewerbesteuer ist eine der wichtigsten Einnahmenquellen für Städte und Gemeinden. Die Besteuerung erfolgt bei der Gewerbesteuer anhand der objektiven Ertragskraft eines Unternehmens. Die rechtliche Basis für die Gewerbesteuer legt das Gewerbesteuergesetz (GewStG). Die Grundlage für die Steuerberechnung bildet der Gewinn aus der gewerblichen Tätigkeit. Die Gewinnermittlung erfolgt anhand der Regelungen des Einkommen- oder Körperschaftsteuerrechts. Begründet wird die Steuererhebung mit der Tatsache, dass Gewerbebetriebe zu einer finanziellen Belastung in den Gemeinden führen und die Betriebe die vorhandene Infrastruktur nutzen.
Grundsätzlich muss jeder Gewerbebetrieb Gewerbesteuer an die Gemeinde abführen. Ausgenommen sind lediglich Freiberufler, die für ihre Tätigkeit kein Gewerbe anmelden müssen, sondern ihre Tätigkeit nur beim Finanzamt anzeigen. Zudem gibt es einen Freibetrag von 24.500 Euro für Einzelunternehmen und Personengesellschaften. Kapitalgesellschaften erhalten diesen Freibetrag dagegen nicht. Wie hoch die Gewerbesteuer schließlich ausfällt, hängt von der jeweiligen Gemeinde ab, die selbst die Höhe des Hebesatzes bestimmen kann.
Wer ist gewerbesteuerpflichtig?
Jeder im Inland betriebene Gewerbebetrieb ist gewerbesteuerpflichtig. Allerdings legt das Gewerbesteuergesetz selbst nicht fest, wann ein Gewerbebetrieb vorliegt, sondern verweist auf das Einkommensteuergesetz (EStG). Dort wird ein Gewerbebetrieb über folgende Merkmale definiert:
- Selbstständige mit einer nachhaltigen Tätigkeit
- Vorhandensein einer Gewinnerzielungsabsicht
- Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr
Trotz Vorliegens der genannten Kriterien sind einige Tätigkeiten von der Gewerbesteuer ausgenommen. Dazu gehören:
- Land- und Forstwirtschaft (hier fällt beispielsweise die Grundsteuer nach Hebesatz A an)
- Freie Berufe
- „Andere selbstständige Tätigkeit“ (Abgrenzung zur privaten Vermögensverwaltung)
Demnach sind Einzelunternehmen und Personengesellschaften, die nicht in den Bereich Land- und Forstwirtschaft oder die freien Berufe fallen, gewerbesteuerpflichtig. Bei Kapitalgesellschaften gilt: Insbesondere eine Aktiengesellschaft (AG) oder Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) ist bereits aufgrund der gewählten Rechtsform ein Gewerbebetrieb (Formkaufleute).
Freiberufler oder Gewerbetreibender?
Die Abgrenzung zwischen einer freiberuflichen und einer gewerblichen Tätigkeit ist oftmals schwer zu treffen. Ausschlaggebend ist die geistige und schöpferische Leistung, die bei der Arbeit im Vordergrund steht. Nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG sind insbesondere folgende Tätigkeiten als freiberuflich einzustufen:
- Wissenschaftliche, künstlerische, schriftstellerische, unterrichtende oder erzieherische Tätigkeiten, die selbstständig ausgeübt werden
- Die sogenannten Katalogberufe wie Ärzte, Anwälte, Notare, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Ingenieure, Architekten, Journalisten und viele weitere
- Den Katalogberufen ähnliche selbstständig ausgeübte Tätigkeiten, die in puncto Ausbildung und Tätigkeit den Katalogberufen weitgehend entsprechen. Dazu gehören z. B. Hebammen, Masseure oder – bei entsprechender „künstlerischer Gestaltungshöhe“ – (Web-)Designer.
Freiberufler sind nicht dazu verpflichtet, ein Gewerbe anzumelden und müssen auch keine Gewerbesteuer zahlen. Da es sich bei ihnen nicht um Gewerbetreibende handelt, ist es ausreichend, die selbstständige Tätigkeit beim zuständigen Finanzamt anzuzeigen.
Freelancer gleich Freiberufler?
Häufig führen die Begriffe Freelancer und Freiberufler zu Verwirrung und werden synonym verstanden. Das liegt in der Regel am unterschiedlichen Sprachgebrauch im Bereich der freien Berufe gegenüber dem Steuerrecht. Freelancer ist die moderne, aus dem Englischen übernommene Bezeichnung für einen freien Mitarbeiter. Aber freie Mitarbeiter können steuerlich sowohl Freiberufler als auch Gewerbetreibende sein.
Wann beginnt und endet die Gewerbesteuerpflicht?
Bei Beginn und Ende der Pflicht zur Zahlung der Gewerbesteuer bestehen Unterschiede je nach Gesellschaftsform des Unternehmens.
- Einzelunternehmen und Personengesellschaften: Hier beginnt die Gewerbesteuerpflicht mit Aufnahme der Tätigkeit und endet, wenn der Betrieb eingestellt wird.
- Kapitalgesellschaften: Die Gewebesteuerpflicht beginnt, sobald das Unternehmen in das Handelsregister eingetragen ist. Sie endet erst, wenn sämtliche Tätigkeiten eingestellt werden. Das ist in der Regel erst der Fall, wenn das Gesellschaftskapital an die Gesellschafter verteilt worden ist.
Wie hoch ist die Belastung durch die Gewerbesteuer?
Um die Höhe der Gewerbesteuer und die tatsächliche Belastung festzustellen, sind einige Rechenschritte nötig.
Gewerbeertrag als Bemessungsgrundlage
Bei der Gewerbesteuer dient ausschließlich der Gewerbeertrag als Bemessungsgrundlage. Bei der Gewinnermittlung nach den Vorschriften des Einkommen- oder Körperschaftsteuergesetzes ist das Jahresergebnis um bestimmte Beträge wieder zu erhöhen, die bei der Gewinnermittlung abgezogen worden sind. Im Anschluss erfolgen gewerbesteuerliche Hinzurechnungen und Kürzungen um bestimmte Beträge, die in § 8 und § 9 Gewerbesteuergesetz (GewStG) aufgeführt sind. Der für die Körperschaft- oder Einkommensteuer maßgebliche Betrag entspricht also im Grundsatz nicht der Bemessungsgrundlage für die Gewerbesteuer.
Hinzurechnungen erhöhen die Bemessungsgrundlage
Beispielsweise sind seit dem 01.01.2008 bestimmte Finanzierungsaufwendungen zu 25 Prozent zum Gewerbeertrag hinzuzurechnen, soweit deren Summe den Betrag von 200.000 Euro (bis 2019: 100.000 Euro) übersteigt. Erfasst werden dabei folgende Finanzierungsanteile:
- Sämtliche Zinsaufwendungen
- Renten und dauernde Lasten
- Gewinnanteile eines stillen Gesellschafters
- Aufwendungen für die zeitlich befristete Überlassung von Rechten (insbesondere Konzessionen und Lizenzen) mit einem Finanzierungsanteil von 25 Prozent
- Mieten, Pachten und Leasingraten für
- die Benutzung von beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, die im Eigentum eines anderen stehen, mit einem Finanzierungsanteil von 20 Prozent
- die Benutzung von unbeweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, die im Eigentum eines anderen stehen, mit einem Anteil von 50 Prozent.
Von der Summe dieser Finanzierungsanteile ist ein (Frei-)Betrag von 200.000 Euro (bis 2019: 100.000 Euro) abzuziehen. Nur 25 Prozent des verbleibenden Betrages werden letztlich hinzugerechnet.
Beispiel: Von den Kosten der Gewerberaummiete in Höhe von 50.000 Euro/Jahr ist der enthaltene Finanzierungsanteil in Höhe von 50 Prozent zu 25 Prozent dem Gewerbeertrag hinzuzurechnen. Das entspricht einem Betrag von 6.250 Euro. Hinweis: Die Summe der – übrigen – Finanzierungsanteile muss hier aber bereits mindestens 200.000 Euro (seit 2020) betragen.
Bei den Hinzurechnungen ist es unerheblich, ob die Zahlungen beim Empfänger ebenfalls der Gewerbesteuerpflicht unterliegen. Damit sind gewerbesteuerliche Doppelbelastungen möglich. Mehrstufige hinzurechnungsrelevante Fremdfinanzierungen im Sinne des Gewerbesteuerrechts können zu einem Kumulationseffekt und damit zu einer Mehrbelastung bei der Gewerbesteuer führen. Das kann z. B. bei der Untervermietung einer Immobilie der Fall sein. Verbundene Unternehmen vermeiden diese Effekte durch die Bildung einer Organschaft.
Nach § 19 GewStDV bestehen Sonderregelungen für Kreditinstitute.
In dem gesonderten Merkblatt „Berechnung der Gewerbesteuer“ ist unter Punkt 2 ein Berechnungsschema für etwaige Hinzurechnungen von Finanzierungsanteilen zu finden.
Gewerbeverlust
Ergibt der Gewerbeertrag nach den Hinzurechnungen und Abzügen eine negative Summe, liegt ein Gewerbeverlust vor. Ein positiver Gewerbeertrag ist um die Verluste der vorangegangenen Erhebungszeiträume zu mindern. Allerdings ist gemäß § 10a GewStG die volle Anrechnung nur bis zu einer Höhe von einer Million Euro gestattet. Beträge, die die Grenze übersteigen, können nur zu 60 Prozent geltend gemacht werden. Anders als bei der Einkommen- oder Körperschaftsteuer ist ein Verlustrücktrag in den vorhergehenden Erhebungszeitraum nicht möglich.
Berechnung der Gewerbesteuerschuld
Nachdem 2008 die Möglichkeit, die Gewerbesteuer als Betriebsausgabe geltend zu machen, entfallen ist, hat sich die Bemessungsgrundlage faktisch erhöht. Um diesen Nachteil auszugleichen, hat der Gesetzgeber die Gewerbesteuermesszahl von 5 Prozent auf 3,5 Prozent gesenkt. Damit ergibt sich folgende Berechnungsformel:
Gewerbeertrag x 3,5 Prozent x Hebesatz der Gemeinde = Gewerbesteuer
Einzelunternehmen und Personengesellschaften
Seit der Gewerbesteuerreform von 2008 entfällt der bis dahin gültige Staffeltarif für Einzelunternehmen und Personengesellschaften. Hier ist nun ein fester Freibetrag von 24.500 Euro zu berücksichtigen. Nach der Ermittlung des Gewerbeertrags runden Einzelunternehmer und Personengesellschaften diese Summe auf volle 100 Euro nach unten ab. Im nächsten Schritt erfolgt der Abzug des Freibetrags von 24.500 Euro.
Bestimmte juristische Personen wie rechtsfähige Vereine dürfen einen verminderten Freibetrag in Höhe von 5.000 Euro vom Gewerbeertrag abziehen.
In beiden Fällen darf der Abzug höchstens in Höhe des gerundeten Gewerbeertrags vorgenommen werden. Übersteigt der Freibetrag den Gewerbeertrag, kann das Ergebnis nur Null sein und nicht negativ werden.
Kapitalgesellschaften
Kapitalgesellschaften (z. B. AG, GmbH) steht kein Freibetrag zur Verfügung.
Berechnung
Der Steuermessbetrag ergibt sich aus der Multiplikation des Gewerbeertrags mit der Steuermesszahl. Der Hebesatz der Gemeinde wird dann auf den Steuermessbetrag angewendet. In dem gesonderten Merkblatt „Berechnung der Gewerbesteuer“ wird unter Punkt 4 die Ermittlung der zu zahlenden Gewerbesteuer bei einem Einzel-/Personenunternehmen und einer Kapitalgesellschaft jeweils anhand einer Beispielrechnung verdeutlicht.
Wer darf die Gewerbesteuer anrechnen?
Einzelunternehmer und Gesellschafter von Personengesellschaften dürfen die gezahlte Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer anrechnen. Dazu werden das 4-fache (bis 2019: das 3,8-fache) des Gewerbesteuermessbetrages steuermindernd geltend gemacht. Auf diese Art erfolgt eine Kompensation der Gewerbesteuer bis zu einem Hebesatz von 400 Prozent. Unter Berücksichtigung des Solidaritätszuschlags können sogar Hebesätze bis rund 420 Prozent kompensiert werden. Das bedeutet, dass die Gewerbesteuer bis zu diesen Hebesätzen die Steuerlast von Einzelunternehmern und Gesellschaftern von Personengesellschaften nicht nennenswert erhöht. Die Aufwendungen für die Gewebesteuer senken die Einkommensteuer. Zu beachten ist:
- Die Anrechnung der Gewerbesteuer ist auf den Teil des Einkommens begrenzt, der aus einer gewerblichen Tätigkeit stammt.
- Zudem ist die Anrechnung auf die Höhe der tatsächlich zu bezahlenden Gewerbesteuer begrenzt.
In dem gesonderten Merkblatt „Berechnung der Gewerbesteuer“ wird unter Punkt 4 die Anrechnung auf die zu zahlende Einkommensteuer bei einem Einzel-/Personenunternehmen anhand eines Beispiels verdeutlicht.
Wann und wie ist die Gewerbesteuererklärung abzugeben?
Ob Gewerbetreibende dazu verpflichtet sind, eine Gewerbesteuer abzugeben, hängt von der Gesellschaftsform des Unternehmens sowie von der Höhe des Gewerbeertrags ab.
- Für Einzelunternehmen und Personengesellschaften ist eine Gewerbesteuerklärung abzugeben, sofern der Gewerbeertrag nach Hinzurechnungen und Abzügen den Freibetrag von 24.500 Euro überschreitet.
- Kapitalgesellschaften sind verpflichtet, eine Gewerbesteuererklärung einzureichen, sofern sie nicht von der Gewerbesteuer befreit sind.
- Sonstige juristische Personen wie Vereine mit einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb müssen eine Gewerbesteuererklärung abgeben, wenn der Gewerbeertrag den Freibetrag in Höhe von 5.000 Euro übersteigt.
Ab den Veranlagungen für 2018 sind Jahressteuererklärungen spätestens sieben Monate nach Ende des jeweiligen Jahres abzugeben. Stichtag für die Gewerbesteuererklärung 2019 war damit der 31. Juli 2020. Die Frist verlängert sich bis Ende Februar des dem Jahr nach dem Besteuerungszeitraum folgenden Jahres (14-Monats-Zeitraum), sofern ein Steuerberater mit der Erstellung der Steuerklärung beauftragt ist.
Seit 2011 sind Gewerbetreibende verpflichtet, die Gewerbesteuererklärung in elektronischer Form im amtlich vorgeschriebenen Datensatz einzureichen. Aus der Verpflichtung, eine Gewerbesteuerklärung einzureichen, kann gegebenenfalls die Pflicht zur Gewerbesteuervorauszahlung erwachsen. Die Gewerbesteuervorauszahlung setzt die Gemeinde im Steuerbescheid fest. Die Vorauszahlungen sind grundsätzlich vierteljährlich jeweils zum 15. Februar, zum 15. Mai, zum 15. August und zum 15. November zu leisten.
Wer ist für die Festsetzung der Gewerbesteuer verantwortlich?
Grundsätzlich ist das Finanzamt für die Feststellung der Berechnungsrundlagen, die Festsetzung des Steuermessbetrags sowie den Erlass des Messbescheids zuständig, in dessen Bezirk sich der Gewerbebetrieb befindet. Unterhält ein Gewerbebetrieb mehrere Betriebe in zwei oder mehr verschiedenen Gemeinden, wird der Gewerbesteuermessbetrag nach einer bestimmten Berechnungsgrundlage geteilt ermittelt. Die Gewerbesteuer selbst legt in einem zweiten Schritt die Gemeinde fest, die auch den Gewerbesteuerbescheid erstellt und versendet. Als Grundlage für die Berechnung der Gewerbesteuer dient der vom Finanzamt ermittelte (ggf. anteilige) Steuermessbetrag in Verbindung mit dem individuellen Hebesatz der Gemeinde. Die Gewerbesteuer ist nicht an das Finanzamt, sondern an die jeweils zuständige Gemeinde zu entrichten.
Hebesätze für die Gewerbesteuer
Jede Gemeinde legt die sogenannten Hebesätze für die Gewerbesteuer jährlich selbst fest. § 16 Abs. 4 Satz 2 GewStG gibt seit 2004 einen Mindesthebesatz für die Gewerbesteuer von 200 Prozent vor. Je nach Gemeinde weichen die Hebesätze stark voneinander ab. 2020 betrug der niedrigste Hebesatz der Städte und Gemeinden in Oberbayern 240 Prozent und wurde z. B. in der Gemeinde Grünwald erhoben. Den höchsten Satz zahlen Gewerbetreibende in München. Hier beträgt der Gewerbesteuerhebesatz mit 490 Prozent mehr als doppelt so viel. In der unter "IHK-Ratgeber" abrufbaren Broschüre „Gewerbesteuer in Oberbayern“ sind die die Gewerbesteuerhebesätze für alle Gemeinden, Märkte und Städte im Kammerbezirk Oberbayern (Stand 2019) zusammengestellt.
In Gemeinden mit besonders niedrigen Hebesätzen wird dem Vernehmen nach von den Finanzbehörden zunehmend überprüft, ob ein Unternehmen dort nur zum Schein eine Geschäftsadresse nutzt, obwohl es tatsächlich von einem anderen Ort aus betrieben wird – insbesondere wenn sog. Büroserviceunternehmen eingeschaltet sind, die Geschäftsräume einschließlich Telefondienst, Erledigung der Post und Briefkästen anbieten. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH, zuletzt z. B. Beschluss vom 18.02.2021, dort Rz. 20) setzt der hier maßgebende Betriebsstätten-Begriff voraus, „dass [dort] eine eigene unternehmerische Tätigkeit mit fester örtlicher Bindung ausgeübt wird … und sich in der Bindung eine gewisse ‘Verwurzelung‘ des Unternehmens mit dem Ort der Ausübung der unternehmerischen Tätigkeit ausdrückt“. Wer hier einen falschen Firmensitz vortäuscht oder dabei hilft, kann sich sogar strafbar machen.
Realsteuer-Hebesatzumfrage Oberbayern 2022
Wie auch in vielen anderen Teilen Deutschlands haben sich in Oberbayern die Realsteuerhebesätze der Gemeinden ab 20.000 Einwohnern in 2022 gegenüber dem Vorjahr in einigen – bei der Gewerbesteuer in drei – Fällen erhöht.
Um den Mitgliedsunternehmen Informationen mit wirtschaftlichen Rahmendaten zur Verfügung zu stellen, werden vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag e.V. (DIHK) jährlich die Hebesätze der Realsteuern für Gemeinden mit über 20.000 Einwohnern zusammengestellt. Die IHK für München und Oberbayern fragt hierzu die Realsteuer-Hebesätze der derzeit 29 Städte und Gemeinden ihres Kammerbezirks mit mindestens 20.000 Einwohnern jährlich ab.
Die entsprechende Übersicht für 2022 und 2021 (Stand 30.06.2022) finden hier.
DIHK-Hebesatzumfrage 2021
Im Jahr 2021 blieb der Gewerbesteuerhebesatz für die 701 Gemeinden ab 20.000 Einwohnern im Bundesdurchschnitt unverändert bei 435 %.
So haben nur vier Prozent dieser Gemeinden ihren Gewerbesteuerhebesatz erhöht. Das ist deutlich weniger als in den Vorjahren. Im Einzelfall sind die Steigerungen jedoch deutlich. Bei Dreiviertel der insgesamt 28 Gemeinden, die ihren Hebesatz erhöht haben, betrug der Anstieg zehn Prozentpunkte und mehr. Die größte Erhöhung gibt es 2021 in Xanten (Nordrhein-Westfalen), Bad Schwartau (Schleswig-Holstein) und Germering (Bayern) – hier wurde der Gewerbesteuerhebesatz jeweils um 50 Punkte angehoben.
Nachdem im Vorjahr elf Gemeinden (ab 20.000 Einwohnern) ihren Gewerbesteuerhebesatz gesenkt hatten, sind es in 2021 vier: Mühlhausen/Thüringen (-20 Punkte), wie im Vorjahr erneut Langenfeld (-11 Punkte), ebenso Görlitz (-10 Punkte) und Wilhelmshaven (-5 Punkte). Die niedrigsten Hebesätze erheben weiterhin Gemeinden in unmittelbarer Nachbarschaft wirtschaftlich starker Großstädte: Monheim (250 %) und Langenfeld (299 %) in Nordrhein-Westfalen sowie Unterhaching in Bayern (295 %). Als einzige Großstadt in diesem Bereich findet sich Leverkusen mit ebenfalls 250 %.
Die Unterschiede bei den Gewerbesteuerhebesätzen sind weiterhin hoch. Der regionale Schwerpunkt der Hochsteuerkommunen liegt unverändert im Westen: Die „TOP-50“ der Gemeinden beim Gewerbesteuerhebesatz liegen allesamt in Nordrhein-Westfalen. Das geht aus der Mitte 2021 durchgeführten Realsteuer-Hebesatzumfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages e. V. (DIHK) hervor.
Die festgestellten Ergebnisse sind Ausdruck folgender, schon etwas länger existierender Trends, und zwar bisher unabhängig von den wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie:
- Zum einen ist die im internationalen Vergleich besondere Belastung der gewerblichen Unternehmen in Deutschland durch die Gewerbesteuer in vielen Gemeinden auf einem Niveau, dass weitere Erhöhungen zu echten und unmittelbaren Wettbewerbsnachteilen vieler Standorte führen würden. Dies gilt v. a. für Unternehmen der Digitalwirtschaft und generell für Neuansiedlungen, weil erstere ihren Standort freier wählen und letztere steuerliche Standortfaktoren stärker in ihrer Standortwahl berücksichtigen als Unternehmen, die schon länger in der Region verankert sind.
- Zum anderen nimmt der interkommunale Wettbewerb insbesondere in den Ballungsräumen auch über die Hebesätze als Standortmerkmal zu.
Die kommunalen Haushalte 2021 unterliegen zudem durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie einem erheblichen Stress. Nur 2020 wurden die wegbrechenden Gewerbesteuereinnahmen von Bund und Ländern ausgeglichen. Viele Gemeinden haben sich höher verschuldet. Die Aufkommensentwicklung in der Gewerbesteuer fiel regional sehr unterschiedlich aus. Nicht alle Gemeinden waren gleichartig von Verlusten bei den Gewerbesteuereinnahmen betroffen. Umso wichtiger ist es, im beginnenden Aufschwung die steuerlichen Belastungen auf Gemeindeebene für die dort ansässigen Unternehmen nicht zu erhöhen. Nach der Steuerschätzung vom November 2021 wird der Gewerbesteuer-Nettowert des Jahres 2019 frühestens im Jahr 2024 erstmalig wieder überschritten.
Die Höhe der steuerlichen Belastung ist für Unternehmen häufig ein entscheidendes Kriterium bei der Standortwahl. Für Gemeinden mit einem sehr hohen Gewerbesteuerhebesatz ist es schwierig, sich im interregionalen, aber auch internationalen Standortwettbewerb zu behaupten. Zu hohe Belastungen werden von den Betrieben zunehmend nicht mehr als angemessenes Äquivalent für kommunale (Infrastruktur-)Leistungen akzeptiert und widersprechen deshalb dem Charakter der Realsteuern. Oftmals sind es die ohnehin bereits strukturell finanzschwachen Kommunen, die Betriebe mit hohen Hebesätzen belasten. Das überwiegend moderate Niveau der Hebesätze der Gemeinden in Bayern und Baden-Württemberg verstärkt auf der anderen Seite die ohnehin bereits günstigen Standortfaktoren in Süddeutschland.
Die Motive für Hebesatzerhöhungen sind nach Rückmeldungen der regionalen Industrie- und Handelskammern sehr unterschiedlich. Zum Teil sind sie Ergebnis von Sanierungsvereinbarungen mit dem jeweiligen Land zur Konsolidierung der Haushalte. Teilweise beruhen vor allem plötzliche Erhöhungen auf Fehlkalkulationen in der Haushaltsaufstellung bzw. der Abhängigkeit von wenigen großen Gewerbesteuerzahlern. Oder Erhöhungen folgen der Arithmetik des kommunalen Finanzausgleiches, wenn z. B. der normierte Hebesatz zur Berechnung der kommunalen Einnahmen angehoben wird, weil die Gemeinden sonst ohne Anpassung geringere Schlüsselzuweisungen des Landes erhalten. Kurzfristig führen Hebesatzerhöhungen zu Mehreinnahmen für die jeweiligen kommunalen Haushalte, auf längere Sicht drohen aber ernste Nachteile im Standortwettbewerb.
Die Ausweitung bestehender oder die Übertragung neuer Pflichtaufgaben sowie Forderungen nach der Ausweitung freiwilliger Leistungen machen es vor Ort oft schwer, abseits von Steuererhöhungen und Kreditaufnahme Lösungen zur Wahrung der kommunalen Finanzstabilität zu finden. Damit vor allem die finanzschwachen Kommunen nicht in eine Gemengelage aus Hebesatzerhöhungen und stetem Verlust an Standortattraktivität geraten, sind Bund und Länder in der Verantwortung, noch stärker als bisher ihrer Aufgabe einer auskömmlichen Finanzausstattung der Kommunen nachzukommen. Ansätze dazu gibt es immer wieder. Der Bund hat in den letzten Jahren zahlreiche Hilfen vor allem für finanzschwache Kommunen auf den Weg gebracht. Aber die Mittel kommen weiterhin nur langsam vor Ort an, u. a. weil die Umsetzungsvereinbarungen mit den Ländern lange ausgehandelt werden und auf Länder- und kommunaler Seite zum Teil auch Planungs- und Genehmigungskapazitäten fehlen.
Die vom DIHK veröffentlichte bundesweite, nach Bundesländern aufgeschlüsselte Übersicht der Hebesätze der Gemeinden ab 20.000 Einwohnern ist für 2021 hier auch als Excel-Datei abrufbar.
Gewerbesteuer – Übersicht zur Ermittlung
Es ergibt sich folgendes Berechnungsschema (vereinfachte Darstellung):
(laufender) Gewinn aus Gewerbebetrieb
+ Hinzurechnungen
./. Kürzungen
./. Gewerbeverlust
= Gewerbeertrag (ist abzurunden auf volle 100 Euro)
./. Freibetrag (24.500 Euro bei Einzelunternehmen/ Personengesellschaften)
= Grundlage zur Anwendung der Steuermesszahl
× Steuermesszahl 3,5 Prozent
= Steuermessbetrag
× Hebesatz der Gemeinde
= Gewerbesteuer
Gewerbesteuer für Existenzgründer und kleine Unternehmer
Sobald ein Gewerbe betrieben wird, ist der Gewerbetreibende auch gewerbesteuerpflichtig. Daher ist die Gewerbesteuer auch für Solo-Selbstständige und kleine Unternehmer ein wichtiges Thema. Lediglich Selbstständige, die in einem freien Beruf arbeiten, müssen sich nicht mit der Gewerbesteuer auseinandersetzen.
Kleine Unternehmer (Einzelunternehmer oder Personengesellschaften) profitieren bei der Gewerbesteuer von einem Freibetrag von 24.500 Euro. Auf Gewinne bis zu dieser Höhe fällt keine Gewerbesteuer an. Überschreitet der Gewinn diesen Freibetrag, ist nur für den Teil des Gewinns Gewerbesteuer zu zahlen, der darüber liegt. Daher müssen sich Einzelunternehmer oder Personengesellschaften, die umsatzsteuerlich als Kleinunternehmer gelten, über die Gewerbesteuer regelmäßig keine Gedanken machen. Denn mit einem Umsatz von jährlich höchstens 22.000 Euro ist es in der Regel nicht möglich, einen Gewinn über dem Freibetrag in Höhe von 24.500 Euro zu erzielen.
Zusätzlich können Einzelunternehmer sowie Gesellschafter einer Personengesellschaft (z. B. GbR) die gezahlte Gewerbesteuer ganz oder zumindest teilweise in der Einkommensteuererklärung geltend machen. Das führt dazu, dass die Gewerbesteuer die Einkommensteuerlast senkt. Bis zu einem Hebesatz von rund 400 Prozent ist die Gewerbesteuer dann kostenneutral.
Pilotprojekt: digitaler Gewerbesteuerbescheid Stadt München
Aktuell übermitteln Unternehmen ihre Gewerbesteuererklärung zwar elektronisch an das Finanzamt, die Kommunen versenden den Gewerbesteuerbescheid jedoch nach wie vor per Post. Dies wird sich künftig ändern.
Die Landeshauptstadt München zählt zu den 20 Pilotkommunen zur Einführung des digitalen Gewerbesteuerbescheides in Deutschland. Weitere Informationen erhalten Sie hier.
Häufige Fragen rund um die Gewerbesteuer
- Kann ich die Gewerbesteuer von der Einkommensteuer abziehen?
Einzelunternehmen und Gesellschafter von Personengesellschaften dürfen die Gewerbesteuer von der Einkommensteuer abziehen. Bei Kapitalgesellschaften ist das dagegen nicht möglich. Ziel dieser Regelung ist, dass die Einkünfte aus einem Einzelunternehmen oder einer Personengesellschaft steuerlich nicht stärker belastet werden als Erträge einer Kapitalgesellschaft. Letztere setzt die Gehälter der (Gesellschafter-)Geschäftsführer als Betriebsausgabe ab und mindert so den Ertrag. - Wann liegt ein Gewerbebetrieb vor?
Das Einkommensteuergesetz (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 EStG) definiert den Gewerbebetrieb als selbstständige, nachhaltige Tätigkeit, die mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt. Kapitalgesellschaften (AG, GmbH), Genossenschaften und Versicherungs- oder Pensionsfondsvereine auf Gegenseitigkeit gelten stets als Gewerbebetriebe. Nicht als Gewerbebetrieb zählen dagegen land- und forstwirtschaftliche Tätigkeiten, Tätigkeiten, die als Vermögensverwaltung anzusehen sind, sowie Freiberufler (wie Rechtsanwälte oder Journalisten). - Gibt es Freibeträge bei der Gewerbesteuer?
Natürliche Personen und Personengesellschaften profitieren von einem Freibetrag von 24.500 Euro. Kapitalgesellschaften steht dieser Freibetrag dagegen nicht zur Verfügung. Deren Gesellschafter können die Aufwendungen für die Gewerbesteuer auch nicht bei ihrer Einkommensteuererklärung geltend machen.
Zusammenfassung
Für die Gemeinden gehört die Gewerbesteuer zu den wichtigsten steuerlichen Einnahmequellen. Gewerbesteuerpflichtig sind Kapitalgesellschaften sowie gewerblich tätige Einzelunternehmen und Personengesellschaften. Letzteren gewährt der Gesetzgeber einen Freibetrag von 24.500 Euro. Falls sie von der umsatzsteuerlichen Kleinunternehmerregelung profitieren, zahlen sie in der Regel keine Gewerbesteuer: Mit einem Umsatz von weniger als 22.000 Euro ist regelmäßig kein Gewinn oberhalb des Freibetrags zu erzielen. Nur soweit der Gewerbeertrag den Freibetrag von 24.500 Euro überschreitet, wird auch bei Einzelunternehmen und Personengesellschaften Gewerbesteuer fällig.
Freiberufler zählen nicht zu den Gewerbetreibenden, daher müssen sie keine Gewerbesteuer entrichten. Ebenso sind Land- und Forstwirte von dieser Realsteuer ausgenommen. Land- und fortwirtschaftliche Betriebe müssen stattdessen Grundsteuer nach dem Grundsteuerhebesatz A entrichten.
Die Gewerbesteuer kann für Betriebe zu einer Belastung werden. Daher sollten die Hebesätze der Gemeinden bereits bei der Standortwahl berücksichtigt werden. Das ist insbesondere für Kapitalgesellschaften wichtig, denen kein Freibetrag gewährt wird. Einzelunternehmer und Gesellschafter von Personengesellschaften können die Gewerbesteuer außerdem bei ihrer Einkommensteuer abziehen. Das bedeutet, dass hier ein Gewerbesteuerhebesatz von bis rund 400 Prozent das Einkommen kaum schmälert.
Die Informationen und Auskünfte der IHK für München und Oberbayern sind ein Service für ihre Mitgliedsunternehmen. Sie enthalten nur erste Hinweise und erheben daher keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Obwohl sie mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt wurden, kann eine Haftung für ihre inhaltliche Richtigkeit nicht übernommen werden. Sie können eine Beratung im Einzelfall (z. B. durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater, Unternehmensberater etc.) nicht ersetzen.