03.12.2015 - Erding-Freising

Wille zur Integration auf beiden Seiten

Geduld ist nötig, aber die Integration von Flüchtlingen ist auch für die Wirtschaft eine große Chance. So lautet das Fazit der Herbstsitzung des IHK-Gremiums Erding - Freising, zu der Unternehmer, Fachleute der Agentur für Arbeit und IHK-Vertreter am 24. November in Buch am Buchrain im Osten des Gremiumsbezirks nahe Pastetten zusammengekommen waren. Im Gemeindehaus begrüßte IHK-Gremiumsvorsitzender Otto Heinz die rund 25 Teilnehmer und zwei Gäste von Helferkreisen für Flüchtlinge aus Umlandgemeinden.

Effekte des Autobahn-Ausbaus

Zunächst skizzierte Buchs Bürgermeister Ferdinand Geisberger die Lage der Gemeinde mit 1.500 Einwohnern, die sich vom Weiterbau der Autobahn A 94 eine geringere Verkehrsbelastung erhofft: statt 9.000 nur noch 3.000 Fahrzeuge pro Tag. Der Baubeginn ist für Frühjahr 2016 vorgesehen, rund 1 Milliarde Euro ist für das über Private Partnership vergebene Projekt veranschlagt. Zugleich sieht Geisberger den Ort vor Herausforderungen für den lokalen Einzelhandel durch weniger Durchgangsverkehr. Mit einem Neubaugebiet und einer Anbindung an den Schienenverkehr wolle die Gemeinde gegensteuern, um als Wohn- und Arbeitsort attraktiv zu bleiben.

Flüchtlinge als Chance im Fachkräftemangel

Ob und wie die Flüchtlinge den Fachkräftemangel lindern können, diskutierte das IHK-Gremium mit Vertretern der regionalen Arbeitsagenturen. Dazu gab Michael Schmidt, Bereichsleiter der Agentur für Arbeit Freising, einen Einblick in den Vermittlungsalltag: Einige hundert Flüchtlinge werden noch bis Jahresende erwartet, dann werden es in Freising rund 2.200 Flüchtlinge sein, davon etwa 200 unbegleitete Minderjährige. Erding rechnet mit 1.100 Flüchtlingen, davon ca. 100 unter 18 Jahren.

„Von ihnen können zehn, höchstens 20 Prozent kurzfristig in Arbeit gebracht werden“, rechnete Schmidt vor. Auch wenn viele sehr motiviert seien und sich aktiv integrieren wollten, sei „ein langer Atem“ nötig. Dringendste Maßnahme sei die Sprachförderung der meist jungen Männer bis 35 Jahre, Harald Brandmaier betonte als Ausbildungsfachmann der Freisinger Arbeitsagentur „die perspektivische Entlastung beim Fachkräftemangel“: „Was deutsche Jugendliche an Theorie in zwölf Jahren Vollzeit lernen, werden wir von jungen Leuten mit Sprachbarrieren schwerlich in ein bis zwei Jahren erwarten können.“ Ausbildungshilfen, Einstiegsqualifizierungen und Praktika seien daher wichtige Schlüssel, um die die Agentur-Vertreter bei den Unternehmen warben. Weniger Bürokratie, einheitliche Abläufe und Planungs- und Rechtsicherheit seien Änderungen, die von der Politik gefordert werden.

8 Millionen Euro für Flüchtlingsinitiativen 2016

Diese Forderungen sind gebündelt im „3+2-Modell“ der bayerischen IHKs, wonach Flüchtlinge während der Ausbildung und zwei Jahre nach dem Berufseinstieg nicht abgeschoben werden sollen. Aktuell sei eine jährliche Verlängerung des Aufenthaltsstatus´ während der Ausbildung, also die „1+1+1“-Regelung Realität. Die Hintergründe stellte Florian Kaiser, IHK-Referent Regionale Bildungsberatung, vor und unterstrich die Bereitschaft der oberbayerischen Unternehmen, Flüchtlinge auszubilden bzw. einzustellen. 2016 stellt der Bayerische Industrie- und Handelskammertag für die Integration von jugendlichen Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt 8 Millionen Euro bereit. Mit diesen Mitteln werden Sprachkurse finanziert und eine Unterstützerstruktur vor Ort aufgebaut, die Unternehmer und Jugendliche besser zusammenbringen soll. In der Diskussion unter den Gremiumsmitgliedern zeigte sich, dass der Blick nicht nur auf der fachlichen Ausbildung liegen dürfe, sondern auch „das Ankommen in unserer Kultur“ wichtig sei. Flüchtlinge böten zudem die Chance, als künftige Vertriebsmitarbeiter die Geschäftsbeziehungen oberbayerischer Unternehmen in neuen Märkten voranzubringen, bald etwa im Iran, betonte ein Unternehmer.

Industrieller Arbeitgeber am Ort

Den aktuellen Stand der Erbschaftssteuerreform stellte IHK-Steuerexperte Jörg Rummel dem IHK-Gremium vor. Einen Überblick zu Oberbayerns Konjunkturaussichten, Energie-und Datenschutz-Themen sowie zur neuen Kampagne „Elternstolz“ gab IHK-Chefvolkswirt Dr. Robert Obermeier.

Als einer der größeren Industrie-Arbeitgeber in Buch am Buchrain hatte vor der Gremiumssitzung Siegfried Förg, Mitinhaber und Geschäftsführer von GBN Systems, seinen Betrieb vorgestellt. Mit 23 Mitarbeitern fertigt das Mechatronikunternehmen kundenspezifische Produkte vor allem für Hersteller von Halbleitermaschinen, Medizintechnik, 3D-Druckern- und Elektrotechnik. Eine Basisstation für die Bestrahlung des Krankheitsbilds „Weißer Hautkrebs“ zum Beispiel punktet gegenüber herkömmlichen Behandlungsmethoden durch weniger Beanspruchung des Patienten, leichtere Handhabung durch den Arzt und dadurch Zeit- und Kostenvorteile. „Weil wir kundenspezifisch Lösungen erarbeiten, sind wir für Prototypen und Kleinserien gleichermaßen gefragt“, so Förg. Mit zwei Auszubildenden sei der Fachkräftenachwuchs gesichert, Förgs Sohn ist außerdem bereits in der Führungsmannschaft an Bord.