Problemlöser

Sebastian Porkert: Das Wunder kommt später

Sebastian Porkert, CEO Ecofario
© Janina Laszlo

Albtraum Mikroplastik: Ecofario-Gründer Sebastian Porkert hat die Technik, die Partikel aus dem Wasser fischt - nur die Politik zieht nicht mit.

Das Problem: Gewässer werden durch Mikroplastik verseucht

Man sagt ihm nach, er habe ein untrügliches Gespür für das, was die Menschen bewegt. Dazu gehört Plastik. „Mir ist zu viel Plastik in der Welt“, klagte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) Ende September 2022 auf dem Bayerischen CSR-Tag in der IHK. Und Söder bot die Lösung dazu an: „Ich glaube an die Technik, total.“

Söder darf sich glücklich schätzen. In Bayern gibt es diese Technik, auch wenn er das selbst wohl nicht weiß. Der Impuls dafür entstand schon 2013. Den promovierten Ingenieur Sebastian Porkert alarmierten damals Medienberichte über die Verseuchung der Gewässer mit Mikroplastik. „Mir war sofort klar, dass da etwas getan werden muss“, sagt er heute im Rückblick. Tatsächlich liest sich die Problemlage bedrückend.

Unter Mikroplastik versteht man Partikel, die kleiner als fünf Millimeter sind. Allein in Deutschland werden pro Jahr rund 330.000 Tonnen Mikroplastik freigesetzt. Die Folgen sind beängstigend. Bis zu fünf Gramm Mikroplastik nimmt der Mensch täglich im Körper auf. Mikroplastik steht im Verdacht, Krebs, Hormonschäden und Entzündungen zu verursachen. Zudem wirken die Partikel wie ein Kleber für Toxine, Schadstoffe und Medikamentenrückstände.

Mikroplastik stammt aus Peeling-Kosmetik, Putz- und Waschmittel, Reifenabrieb, Shampoos, Zahnpasta und Synthetik-Kleidung. Der Ammersee ist ebenso verseucht wie der Gardasee, in der Donau schwimmen mehr Partikel als Fischlarven, die Belastung der Meere steigt und steigt.

Die traditionelle Filtertechnik versagt bei Mikroplastik

Was den Ingenieur Porkert motivierte, war vor allem eines: das Versagen der konventionellen Filtertechnik. Selbst mit dem heutigen Stand der Technik eliminieren Kläranlagen maximal 95 Prozent der Plastikteilchen. Was das bedeutet? Porkert macht die Rechnung auf. Im geklärten Abwasser finden sich im Schnitt pro Kubikmeter 7.000 Partikel. Allein München produziert im Schnitt 6,5 Kubikmeter Abwasser pro Sekunde.

Porkert und sein Team sind entschlossen, die Plastikflut zu stoppen. Schon der Name des Münchner Startups Ecofario steht für ein Versprechen: Er setzt sich zusammen aus Ökologie (Eco) und der Bachforelle (Salmo Trutta Fario), einem Fisch, der klares, sauerstoffreiches Wasser liebt.

Statt der üblichen Filter setzt Ecofario auf die Kraft modifizierter Hydrozyklone. Mit einer Zentrifuge, dem High-G-Separator, wird das Wasser in Highspeed gequirlt. Der Wasserwirbel sorgt für ein Gravitationsfeld, das Mikroplastik in die Mitte des Wasserwirbels saugt. Laut Porkert lassen sich so 95 Prozent der Plastikteilchen, die bei einer Kläranlage durchrutschen, vom Wasser trennen.

Der Hydrozyklon muss direkt in der Kläranlage toben. Ist das Mikroplastik schon im Fluss oder im See, ist es zu spät. Dort würde die Ecofario-Technologie auch Fischen und Kleinlebewesen schaden. Porkert ist von den Vorzügen seiner Lösung überzeugt. Die sei besser, kostengünstiger und wartungsärmer als Filteranlagen.

Entsprechend selbstbewusst klingt der Firmenslogan: „Forcing tiny shit into heavy rotation since 2018.“ Die Fachwelt äußert sich begeistert. 2014 erhielt Porkert den Strascheg Award für die beste wissenschaftliche Idee. Wettbewerbsjurys halten Ecofario für das nachhaltigste Startup Deutschlands und für eines der zehn besten grünen Gründungen Europas. Beim Deutschen Nachhaltigkeitspreis gewann Porkert den „Next Economy Award 2020“ in der Kategorie „Resources“.

Fördermittel sind fundamental wichtig

Team von Ecofario
© Munich Producers Room Team von Ecofario

Die Idee der „heavy rotation“, finden auch die Medien gut. „Einfach genial“, lobte der MDR. National Geographic widmete dem „Plastikfischer“ ein Porträt. „Bild“ berichtete über die „Sensations-Erfindung“ und den „Wunder-Filter“, der eben kein Filter ist. Porkert ließ die „Bild der Frau“ schwärmen, sei einer der Umwelthelden unserer Zeit.

Als Pionier der Umwelttechnik ist Porkert gut vernetzt. Er ist Mitglied im IHK-Ausschuss Unternehmensverantwortung und Vorstandsmitglied des Umweltclusters Bayern. Ecofario also. Glückliches Bayern, die Heimat der umwelttechnischen Revolution (Söder muss es geahnt haben). Ein möglicher Exportschlager, eine Erfolgsstory wie aus einem Guss. Doch leider hat die ihren Riss. Porkerts Problem: Alle fanden seine Idee gut, aber niemand wollte sie finanzieren.

Das Beispiel Ecofario zeigt, wie wichtig Fördermittel sind. 10.000 Euro Preisgeld aus einem Ideenwettbewerb, ein Zuschuss des Bundeswirtschaftsministeriums und drei Gutscheine über insgesamt 38.000 Euro von Bayern Innovativ haben dazu beigetragen, dass es Ecofario noch gibt.

Den größten Teil der Kosten musste Ecofario aus Eigenmitteln finanzieren. Gehälter für das vierköpfige Team gab es keine. Eine Crowdfunding-Kampagne scheiterte kläglich. Statt der erhoffen 660.000 US-Dollar wurden gerade mal 9.000 US-Dollar eingesammelt.

Porkert tröstet sich mit Zynismus. Er sagt, ein toter Delfin im Kunststoff-Netz bewege die Leute eben mehr als ein Bachflohkrebs, der an Mikroplastik erstickt. Als „Gamechanger“ nennt er einen Beitrag der „Süddeutsche Zeitung“ („Der Wassermann“) über Ecofario. Eine Münchner Privatfrau las das und stellte dem Startup 400.000 Euro zur Verfügung. „Das hat uns den Arsch gerettet“, sagt Porkert.

Ecofario: Praxistest bestanden

Ecofario konnte seinen ersten mobilen Prototypen bauen und testen – in Neufinsing, in Eching am Ammersee und in Röthenbach an der Pegnitz. Auch die Testkosten hat Ecofario selbst bezahlt. Die Investition hat sich gelohnt. „Die Ergebnisse sind top“, versichert Ingenieur Porkert. Seine Technik hält demnach in der Praxis, was er verspricht, und sie kommt zur richtigen Zeit.

Laut einem Bericht der Wochenzeitung „Zeit“ könnte ausgerechnet Recycling die Mikroplastik-Flut noch vergrößern. Grund zu der Annahme ist ein Experiment der Hamburger Mikroplastik-Forscherin Elke Fischer. Sie hat das neue „nachhaltige“ Trikot der Deutschen Fußball-Nationalmannschaft testgewaschen.

Hersteller Adidas versichert, das Trikot bestehe aus recycelten Polyester-Fasern. Elke Fischer hat das Trikot ein paar Mal mit der Waschmaschine gewaschen. Das Ergebnis: eine Kaffeetasse voll mit grauen Mikrofasern. Fischer nennt das „schockierend“. Sie vermutet, dass recyceltes Plastik den Abrieb verstärkt. Sollte das zutreffen, wäre der Effekt ziemlich irre: Man sammelt PET-Flaschen an Stränden ein, um mehr Mikroplastik in die Meere zu pumpen.

Geld wird außerhalb des Kerngeschäfts verdient

Im Zuge der Energiekrise hat Porkert seine Lösung nochmals verbessert. Sein Hydrozyklon braucht Strom, etwa 0,3 Kilowatt pro Kubikmeter Wasser. In Kooperation mit einem Turbinen-Hersteller hat er die Energieeffizienz um 30 Prozent verbessert.

Nach der EU-Taxonomie wäre Ecofario dunkelgrün, das Geschäftsmodell dient sieben der 17 UN-Zielen (SDGs) einer nachhaltigen Entwicklung. „Wir haben eine geile Technologie und Geschäftsidee. Wir sind bereit“, betont Porkert. Was noch fehlt, sind Käufer und Investoren. „Es ist demotivierend“, klagt Porkert. Zumindest einen Erfolg kann er verbuchen. Ein norddeutsches Family-Office ist eingestiegen. Die Finanzierung Ecofarios ist bis Ende 2023 gesichert.

Geld verdient Ecofario derzeit auf anderen Einsatzfeldern. Für die Papierindustrie fischt Ecofario Fasern aus dem Wasser, in Bodenwaschanlagen in Dänemark saugt der Hydrozyklon Öl aus dem Substrat. „Auf Wunsch holen wir auch die Fettaugen aus dem Weißwurstwasser“, scherzt Porkert. Nur das Kerngeschäft steht weiter „on hold“.

Grenzwerte bei Mikroplastik - Fehlanzeige

„Es geht nur mit Zwang, mit Verboten oder Grenzwerten“, sagt Porkert. Er hofft auf eine bayerische oder europäische Gesetzesinitiative. Auch die Bürger wollen das. 84 Prozent der Verbraucher sprechen sich für die Regulierung von Mikroplastik aus. Die Frage ist nur, ob Ecofario durchhält, bis es die gibt.

Dabei wären die Möglichkeiten fantastisch. Ecofario könnte alle Kläranlagen nachrüsten und nach Tankerunglücken Öl vom Wasser trennen. Ecofario ist Partner des Projekts „Ocean Waste Recycling Ship”, das pro Tag 350.000 Kubikmeter Trinkwasser aus Meerwasser gewinnen will.

Aber vorerst wird der „tiny shit” weiter fast ungehindert in die Flüsse strömen. Gut möglich, dass eines nicht zu fernen Tages medizinisch nötig wird, was auch Ecofario nicht schafft: ein Verfahren, um Mikroplastik aus uns Menschen zu saugen.

Martin Armbruster (Dezember 2022)