IHK Interview

Dominik Biersack: "Fachkräfte sind mein großes Thema"

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© TILMAN WEISHART

Unternehmer und IHK-Vizepräsident Dominik Biersack spricht im Interview mit Martin Armbruster über Standortprobleme, Ehrenamt, Bürokratie und Energiekrise. (April 2023)

Herr Biersack, das Gymnasium Beilngries liegt direkt am Rand des Gewerbegebiets, in dem Sie hier sitzen. Hat diese Nähe auch schon zu mehr Bewerbungen geführt?

Nein, das war auch bei uns schon immer so, dass sich die Abiturienten eher an die Uni orientieren. Wobei wir hier vor ein paar Jahren mit der Berufsschule Eichstätt ein Ausbildungsmodell auf den Weg gebracht haben, das auch für Gymnasiasten attraktiv sein müsste. Auch ich war an diesem Projekt beteiligt. Wir haben es den technischen Kaufmann genannt.

Wann können Schulabgänger diese Ausbildung starten?

Das haben wir schon umgesetzt. Der erste Azubi ist in diesem Jahr mit seiner Feinmechaniker-Ausbildung fertiggeworden. Er hat den Staatspreis für seine Abschluss-Note von 1,0 bekommen. Jetzt macht er an Pfingsten seinen Abschluss als Bürokaufmann, er macht also zwei Gesellenbriefe. Mittlerweile haben sie dieses Modell verändert. Neben dem technischen Gesellenbrief machen die Azubis bei der IHK jetzt ein zusätzliches Zertifikat, dieses kaufmännische Plus-Programm. Sie haben dann schnell die Chance, den technischen Fachwirt zu machen. Das ist das, was wir wollten – eine attraktive berufliche Perspektive schaffen.

Also auch für Abiturienten. In den regionalen Medien stand, mit dem Gymnasium habe sich für Beilngries ein Traum erfüllt.

Das Gymnasium hat jetzt sein 20-jähriges Jubiläum gefeiert. Dafür hatten viele Beilngrieser Bürger ewig gekämpft. Irgendwann wurde der Freundeskreis des Gymnasiums Beilngries gegründet. Im vergangenen Jahr habe ich den Vorsitz übernommen.

Selbst mies bezahlte Bürojobs sind besser angesehen.

Dominik Biersack, IHK-Vizepräsident

Noch ein Ehrenamt. Was hat Sie dazu motiviert?

Nachdem mein Vorgänger Stefan Kraus verstorben war, hat der Freundeskreis einen Nachfolger gesucht. Ich bin gelernter Bankkaufmann. Mein Lehrherr bei der Sparkasse war Schatzmeister des Freundeskreises. So kam der Kontakt zustande. Im Mai 2022 wurde ich dann zum Vorsitzenden gewählt.

Wie intensiv haben Sie in diesem Amt schon für die berufliche Bildung geworben?

Das ist jedenfalls ein Thema, das ich mir auf die Fahne geschrieben habe. Aber berufliche Orientierung am Gymnasium – da muss man schon noch viel arbeiten. Ich kenne viele Eltern, deren Kinder aufs Gymnasium gehen. Da gibt es große Vorbehalte gegen die Berufsbildung, das lässt sich kaum verstehen. Jeder weiß, wie knapp und teuer Handwerker heute sind, dass sie gutes Geld verdienen. Trotzdem gibt es wenig Wertschätzung für Jobs, bei denen mit der Hand gearbeitet wird. Selbst mies bezahlte Bürojobs sind oftmals besser angesehen.

Das Gymnasium zeigt aber, dass es in der Region Perspektiven gibt.

Ja, es tut sich schon ziemlich viel. Wir haben das neue Schulzentrum, den Bau der Umgehungsstraße, der Volksfestplatz wird rausverlegt, weil in Beilngries die Wohnbebauung recht schwierig ist. Wir haben etliche neue Kindergärten, die Grundschule wird erweitert, weil wir so viele Kinder haben, es gibt einen neuen Omnibus-Parkplatz. Und unser Firmengelände grenzt auch an die neue Stichstraße. Es ist für uns wichtig, dass wir in Zukunft noch Erweiterungsflächen haben.

Sind denn diese Flächen knapp?

Das ist schwierig bei uns, weil wir diese Altmühltal-Situation haben. Vieles ist vom Hochwasser bedroht. Das ist ein Problem für unsere Betriebe. Dazu kommt, dass wir hier im Tal-Bereich viele Bodendenkmäler in den Flächen haben. Neuansiedelungen gehen gar nicht mehr, nur noch Betriebserweiterungen sind möglich. Beilngries hat ein Gewerbegebiet oben auf dem Berg gebaut. Das ist auch schon voll belegt, da geht nichts mehr. Das ist eines der Standortprobleme, die wir haben.

Warum haben Sie Bankkaufmann gelernt? Für Ihren Betrieb hätte sich doch ein technischer Beruf angeboten.

Meine Eltern haben mir freie Hand gelassen und keinen Druck gemacht. Nach der Realschule wusste ich nicht recht, was ich machen will. Ich habe mit meinen Eltern gesprochen. Wir kamen dann zu dem Ergebnis, wenn ich Bankkaufmann lerne, mache ich erstmal nichts verkehrt. Ich habe dann bei unserer Hausbank die Ausbildung angefangen.

Ich war von klein auf immer im Betrieb.

Dominik Biersack, Vizepräsident der IHK München und Oberbayern

Wie kamen Sie dann zurück in die technische Welt?

Nach der Lehrzeit wollte ich gerne weitermachen, studieren. Ich hatte BWL oder so etwas im Kopf, habe mich dann aber für den Studiengang Wirtschaftsingenieur entschieden. Und dann hat sich bei mir der Schalter umgelegt. Ich war von klein auf immer im Betrieb, habe in den Ferien mitgearbeitet. Irgendwann wusste ich dann sehr klar: Ich will doch in das Unternehmen einsteigen.

Sie sind nicht nur eingestiegen, Sie haben inzwischen die Geschäftsführung übernommen.

Unsere Eltern, unser Vater und unser Onkel – sie alle haben sich früh mit der Nachfolge beschäftigt. Wir sind eine große Familie, es war kompliziert, das vernünftig hinzukriegen mit Übergabe, Pflichtanteil-Verzicht und Erbfolge-Regelung. Für meinen Cousin und für mich war klar, dass wir mit dem Betrieb weitermachen wollen. Es war für mich eine gute Basis, dass ich mich während des Studiums zum Wirtschaftsingenieur intensiv mit dem Thema Produktion und Fertigung beschäftigt habe.

Wir liefern genau das, was der Kunde braucht.

IHK-Vizepräsident Dominik Biersack

Hat sich seit Ihrem Einstieg das Geschäftsmodell verändert?

Im Kern machen wir immer noch das, was wir seit Jahrzehnten tun: die Zerspanung und Fertigung von hochkomplexen Bauteilen.

Das machen auch andere. Was macht Biersack besonders?

Wir sind sehr flexibel und anpassungsfähig. Egal ob die Kunden eine Sonderlösung brauchen, ein Bauteil industrialisieren müssen oder Probleme mit ihrem Lieferanten haben – wir liefern genau das, was der Kunde braucht. Das ist das, was uns stark macht. Unser Ziel ist aber schon, dass wir eine individuelle Lösung in eine laufende Serie überführen können, damit wir langfristig und kontinuierlich Geschäft haben.

Für welche Branchen arbeiten Sie?

Ich bin jetzt auch schon 15 Jahre in dem Unternehmen. Unsere Eltern haben damals angefangen, das Geschäft für die Luftfahrtindustrie aufzubauen. Das hat sich stark entwickelt. In jüngster Zeit hat die Elektro- und Halbleiterindustrie für uns stark an Bedeutung gewonnen. Wir haben auch Investitionen in diese Richtung vorgenommen. Wegen Corona ist die Luftfahrtindustrie 2020 stark eingebrochen. Wir mussten uns andere Geschäftsfelder suchen.

Von der Corona-Zeit haben wir uns bis heute nicht erholt.

IHK-Vizepräsident Dominik Biersack

Wie gut sind Sie denn selbst mit Ihrem Unternehmen durch die Krise gekommen?

Das hat uns viel Geld und Energie gekostet. Damals hat der Staat gut reagiert, das will ich an dieser Stelle auch mal ausdrücklich loben. Schnelle Zugänge zu Kreditlinien, die Corona- und Überbrückungshilfe, ich kenne viele, die das in Anspruch genommen haben und das auch gebraucht haben.

Das hört sich nach gutem Krisenmanagement der Regierung an. Ein Lob, das man von Unternehmern selten hört.

Aber man muss auch sehen: Von den finanziellen Verlusten der Corona-Zeit haben wir uns bis heute nicht vollständig erholt. Nachdem klar war, dass die Corona-Beschränkungen auslaufen, hatten wir alle gehofft: Das muss jetzt richtig gut laufen. Dann kamen der Ukraine-Krieg und die Energiekrise, und du hattest das nächste große Problem zu bewältigen.

Wie gehen Sie dieses Problem an?

Das ist zunächst reine Glückssache, da entscheidet, wer welche Strom- und Energieverträge hat. Oder wie die Preisbindungen gegenüber dem Kunden sind. Da steht man vor den Fragen: Was kann ich von meinen Mehrkosten an den Kunden weitergeben? Und was nicht? Wo bin ich an Verträge und Vereinbarungen gebunden?

Wie sieht das konkret bei Ihrem Unternehmen aus?

Wir haben gute Strom- und Energieverträge. Die laufen 2024 aus, dann müssen wir uns am Markt neu orientieren. Das ist Riesen-Aufgabe. Der Chef eines anderen Zerspanungsbetriebs hat mir seine Energierechnung mal geschickt. Der hat 2022 noch 16 Cent für die Kilowattstunde bezahlt, jetzt sind es 65 Cent. Der vierfache Preis! Der fragt sich: Wahnsinn, wie soll ich das noch stemmen?

Unsere Vorlieferanten arbeiten sehr energieintensiv.

IHK-Vizepräsident Dominik Biersack

Profitieren Sie von der Preisbremse der Bundesregierung?

Beim Gas hatten wir das schon in der Dezember-Rechnung (Abschlag wurde übernommen, die Red.). Wir haben im vergangenen Jahr auch selbst sehr viel Gas eingespart. Und wir hatten Glück mit einem milden Winter. Beim Strom habe ich es mir noch gar nicht so genau angeschaut. Da wirkt die Preisbremse der Regierung wahrscheinlich nicht, weil unser Strompreis ziemlich sicher unter der Schwelle liegt.

Dann treffen Sie die Preissteigerungen also kaum.

Doch, die treffen uns schon, weil unsere Vorlieferanten sehr energieintensiv arbeiten. Es geht um Oberflächen- und Wärmebehandlungen beispielsweise, die in der metallverarbeitenden Industrie eben gängig sind. Auf fast jedes Bauteil kommt noch ein Prozess drauf, das ist einfach Wahnsinn, da haben wir massive Kostenerhöhungen gehabt. Wir haben deswegen das Problem, mit den Kunden jetzt neu über den Preis verhandeln zu müssen.

Was sagen die Kunden dazu?

Manche Kunden haben dafür Verständnis. Es gilt die Faustregel: Desto größer das Unternehmen oder der Konzern ist, desto schwieriger wird das. Wenn man mit den Großen redet, hat man den Eindruck: Die lesen keine Zeitung oder hören keine Nachrichten, weisen aber selbst Riesen-Gewinne aus.

Und haben dann, wie man von Zulieferern aus der Autobranche hört, ein Zahlungsziel von 90 bis 120 Tagen.

Ja, das kommt noch dazu. Und etliches mehr….

Was hat Sie bewogen, sich im Ehrenamt für die IHK zu engagieren?

Ich habe bei der IHK schon früh angefangen, das muss schon mehr als zehn Jahre her sein. Ein ehemaliger Berufsschullehrer von mir hatte guten Kontakt zur IHK-Geschäftsstelle Ingolstadt. Deren damaliger Leiter Wilhelm Kapfer hat mich dann angesprochen. Ich habe im Regionalausschuss angefangen, bin danach im Industrie- und Innovationsausschuss gelandet, weil mich das einfach interessiert hat, und ich das Netzwerken super fand.

Wie kam es dann zum Aufstieg in das IHK-Präsidium?

Als Nachrücker bin ich zunächst in die Vollversammlung gerutscht und habe dann für die jetzige Wahlperiode für die Vollversammlung kandidiert. Nachdem ich gewählt wurde, haben mich der heutige Präsident Klaus Josef Lutz und Hauptgeschäftsführer Manfred Gößl gefragt, ob ich nicht auch für das Präsidium kandidieren wolle. Man wolle dort ein möglichst breites Spektrum an Unternehmern haben.

Wir sind ein klassischer Mittelständler.

Dominik Biersack, Vizepräsident der IHK München und Oberbayern

Welche Rolle spielen Sie in diesem Präsidium der Vielfalt?

Ich vertrete da den Maschinenbau, die Metall- und Elektroindustrie, und die kleineren Betriebe. Wir beschäftigen in der gesamten Gruppe 120 bis 130 Mitarbeiter. Wir sind ein klassischer Mittelständler, ein Familienunternehmen, das in zweiter Generation geführt wird. Wir feiern in diesem Jahr unser 75-jähriges Bestehen. Das wird ein besonderer Moment unserer Geschichte.

Seit der Gründung Ihres Unternehmens sind die Anforderungen an einen Unternehmer dramatisch gestiegen. Was würden Sie heute einem Gründer raten?

In den jüngsten Jahren sind Dinge passiert, die waren für mich unvorstellbar. Die Planungssicherheit, das Vertrauen in stabile politische Rahmenbedingungen – das alles fehlt heute komplett. Der Politik fallen immer neue Dinge ein. So ein digitales Start-up, das könnte ich mir heute noch vorstellen. Für die Produktion ist das Energie-Thema entscheidend. Ich würde es mir nicht antun, heute ein energieintensives Unternehmen in Europa zu gründen. Wir wissen heute nicht, ob wir in fünf oder zehn Jahren noch wettbewerbsfähig produzieren können.

Können Sie nicht auf grüne Energien umsteigen?

Natürlich planen auch wir eine Photovoltaik-Anlage auf unserem Dach. Die spart uns vielleicht 25 Prozent unseres Stromverbrauchs. Aber da stehen doch ganz andere Ziele im Raum: 40 Prozent Energieeinsparung, 50 Prozent CO2-Einsparung. Ich weiß nicht, wie das funktionieren soll.

Dann musst du beten, dass du Handwerker kriegst.

IHK-Vizepräsident Dominik Biersack

Ist die Zeit zu knapp? Bayern will bis 2040 klimaneutral werden.

Wie groß die Probleme sind, spürt man erst, wenn man selbst etwas macht. Für unsere PV-Anlage müssen wir die Einspeisung beim Bayernwerk beantragen und schauen, ob wir einen Slot kriegen. Dann musst du beten, dass du Handwerker kriegst, die dir die Anlage installieren. Und dann sagen dir die Netzbetreiber: Uns fehlen die Umspannwerke, die Verteilernetze, es fehlt einfach alles.

Was halten Sie vom Krisenmanagement der Ampel? Die neue Bundesregierung unternimmt energiepolitisch viel.

Das stimmt. Die machen viel, die Koalition ist ein Ankündigungsweltmeister, aber in der Umsetzung hapert es.

Was werfen Sie der Ampel vor?

Das Thema Verteidigungsindustrie zeigt gut, was politisch schiefläuft. Vor einem Jahr haben sie ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro bereitgestellt. Das war richtig, das klang gut. Aber wenn ich mir anschaue, dass davon so gut wie nichts auf den Weg gebracht wurde, fehlt mir jegliches Verständnis. Die Industrie wartet auf diese Impulse, aber da kommt nichts an.

Was ist denn der Grund für diese schleppende Umsetzung?

Im Beschaffungswesen hätte man als erstes ansetzen müssen. Die Prozesse im Beschaffungsamt dauern endlos, im Vertragsreferat gibt es Engpässe. Das wissen wir aus früheren Projekten. Verträge kommen nicht zustande, weil sie im Amt keine Kapazitäten haben, dann müssen Projekte wieder neu ausgeschrieben werden. So geht das schon seit Jahren. Ich hoffe, dass Verteidigungsminister Boris Pistorius da endlich mal anpackt. Das ist dringend notwendig.

Es gibt immer neue Regeln und Verschärfungen.

Dominik Biersack, IHK-Vizepräsident

Wir haben in Bayern in diesem Jahr Landtagswahl. Wenn die Politiker Sie jetzt fragen würden, was wäre Ihr größter Wunsch?

Dass endlich Bürokratie abgebaut wird - wirklich abgebaut!

Aber das versprechen doch alle Parteien seit Jahren.

Eben. Aber das Gegenteil ist der Fall. Es gibt immer neue Regeln und Verschärfungen. Ich zähle nur mal die aktuellen Beispiele auf: Whistleblower-Gesetz, Lieferketten-Gesetz, Neuregelung der Produkt-Haftpflicht, der Green-Deal, die Taxonomie, Finanzierung und Bilanzierung …

Von diesem Jahr an müssen Sie darüber auch mit Ihrem Banker sprechen.

Ja, genau. Jetzt gab es mit Basel I und Basel II schon Riesenschwierigkeiten mit den Banken – und jetzt wird es bestimmt nicht einfacher. Wenn du als Selbstständiger oder mittelständischer Unternehmer unterwegs bist, hast du das Gefühl, dass du überall gegängelt wirst, und nie so gut wie die Großen behandelt wirst.

Sie beschreiben einen klaren Wettbewerbsnachteil.

Ja, das ist so. Und es wird immer bürokratischer. Man investiert mehr Zeit und Energie für das Ausfüllen von Statistiken für die Ämter als in das Geschäft. Man hat kaum noch Zeit, um sich um seine Kunden zu kümmern. Wir lähmen uns selbst. Uns fehlt in Deutschland der nötige Drive.

Wie steht es in Ihrer Region mit der Digitalisierung?

Selbst das ist immer noch ein Thema. Seit zwei Jahren wird in Beilngries die Glasfaser-Versorgung vorangetrieben. Es gibt im Ortsgebiet viele, bei denen es funktioniert, aber es gibt etliche, die immer noch darauf warten. Bei uns im Betrieb liegt für beide Werke die Glasfaser drin. Seit über einem halben Jahr geht da nichts weiter. Wir sind immer noch nicht angeschlossen. Das finde ich echt erschreckend.

Zumal Beilngries doch eine Bedeutung für den gesamten Landkreis Eichstätt hat.

Ja, wenn Sie nach Ingolstadt fahren, werden Sie merken, dass Sie in einigen Dörfern keinen Mobilfunk-Empfang haben. Da hapert es an den Grundlagen. Bei uns im Ortsteil Kottingwörth haben die Bürger Richtfunk-Internet. Alle drei Wochen steht in der Zeitung, dass es da wieder einen Ausfall gibt. Wenn da einer im Home-Office arbeiten soll – das ist schlicht unmöglich.

Wir reden da immer mehr über eine Traumwelt.

Dominik Biersack, Vizepräsident der IHK

Können Sie diese Themen auch in der IHK ansprechen?

Das ist der Grund, warum mir das Ehrenamt so gefällt. Man kann sich da super einbringen, die Lösung von Problemen voranbringen. Die IHK spielt eine wichtige Rolle als Mahner der Politik – und wir haben auch einen guten Zugang zur Politik. Das ist gerade jetzt wichtig, weil wir so viele Probleme lösen müssen. Schauen Sie sich nur einmal die Lage an in der Pflege, in unseren Krankenhäusern oder den Zustand unserer Verkehrsinfrastruktur.

Laut der jüngsten Konjunkturumfrage der bayerischen IHKs halten die Unternehmen den Fachkräftemangel wieder für das größte Problem.

Das ist jetzt keine Überraschung. Schon während meiner Schulzeit haben wir uns mit dem demografischen Wandel beschäftigt. Seit gut 20 Jahren weiß man das, die Einsicht ist da, nur das Handeln fehlt. Es wäre Zeit, dass die Politik der Gesellschaft in dem Punkt reinen Wein einschenkt. Ich habe den Eindruck, wir reden da immer mehr über eine Traumwelt.

Was wäre in der Realität erforderlich?

Es fehlt an der richtigen Einsicht. Mehr Work-Life-Balance oder die Vier-Tage-Woche – die Diskussion geht doch in die völlig falsche Richtung. Es ist ein Wahnsinn, was da läuft. Studien und Ökonomen sagen sehr klar: Wir müssen mehr und länger arbeiten, wenn wir unseren Wohlstand halten wollen. Aber die Politik will diese Wahrheit den Bürgern nicht zumuten, der Druck für uns Mittelständler ist wahnsinnig hoch.

Das Thema Personal hast du jeden Tag auf dem Tisch.

IHK-Vizepräsident Dominik Biersack

Wie gehen Sie mit diesem Druck um?

Fachkräfte sind mein großes Thema im IHK-Präsidium. Als Chef von einem 120-Mann-Betrieb hast du das Thema Personal jeden Tag auf dem Tisch. Wenn ich jetzt die Metall- und Elektroindustrie als Beispiel nehme – da gilt für die Tarif-gebundenen Unternehmen die 35-Stunden-Woche. Wer in diesen Branchen eine Ausbildung hat, orientiert sich an Audi und BMW. Da verdienen die Leute ein super Geld, habe gute Arbeitszeiten und gehen früh in die Rente. Das widerspricht dem, was für die gesamte Wirtschaft nötig wäre.

Wie reagieren Sie darauf?

Es wird nicht anders gehen, als wieder mehr auf die Älteren in der Belegschaft zu setzen. Wir sind auch viel an den Schulen und laden Schüler ein, um früh Kontakte aufzubauen. Nur war jetzt wegen Corona zwei Jahre lang Pause, es gab auch keine Ausbildungsmessen mehr. Das spürt man schon. Den Kindern fehlt die berufliche Orientierung. Die müssen wir mit den Schulen jetzt wieder aufbauen. Ich finde es auch wahnsinnig wichtig, in die Mittelschule reinzugehen und zu sagen: Wir warten auf Euch, Ihr seid wichtig. Ihr sorgt als Bäcker, Metzger oder Busfahrer dafür, dass unser Leben funktioniert.

Selbst Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger befürchtet, Bayern werde Produktion verlieren. Kennen Sie in Ihrer Region Unternehmer, die sagen: Ich höre auf?

Die gibt es auf alle Fälle. Und ich höre schon von anderen Unternehmen den Satz: Das macht doch alles keinen Sinn mehr.

Haben Sie trotz der genannten Schwierigkeiten noch Spaß daran, Unternehmer zu sein?

Ja, wir wollen jetzt die Chancen nutzen, sind altersmäßig in unseren besten Jahren. Die Auftragslage ist gut. Wir sind so gut und so speziell, dass die Hochtechnologie-Unternehmen uns weiter brauchen. Du kannst eben nicht alles immer in Fernost kaufen.

Während der Corona-Krise haben die Lieferketten überhaupt nicht mehr funktioniert. Führt das dazu, dass Produktion wieder nach Deutschland zurückverlagert wird?

Diesen Trend sehe ich nicht. Gerade bei hohen Stückzahlen entscheidet der Preis. Also wird weiter in Asien eingekauft. Wir haben ein hohes Lohnniveau und Energiepreise, die wesentlich teurer sind als in den USA. Dass sich das auswirkt, zeigt das Beispiel BASF. Die bauen weltweit 2.600 Stellen ab. Zwei Drittel davon in Deutschland. Das halte ich für bedenklich.