ValiKom
Das deutsche Berufsbildungssystem basiert auf bewährten formalen Strukturen, wie z.B. staatlich anerkannten Berufen, einem hoheitlich organisierten Prüfungssystem und geregelten Aus- und Fortbildungsabschlüssen. Im Verlauf des Arbeits- und Erwerbslebens eignen sich viele Menschen aber berufliche Kompetenzen an, die über die in formalen Bildungsprozessen erworbenen Lernergebnisse hinausgehen. Diese non-formal und informell erworbenen Kompetenzen werden selten durch das Ablegen von Prüfungen formalisiert.
Eine nicht unerhebliche Gruppe von Personen bleibt in Deutschland aus vielfältigen Gründen gänzlich ohne formale Berufsqualifikation. Sofern diese Menschen dennoch Zugang zum Arbeitsmarkt finden und über einen längeren Zeitraum eine qualifizierte Tätigkeit ausüben, erwerben sie berufliche Kompetenzen. Diese können sie nach außen lediglich über Arbeitszeugnisse oder ihr Bewerbungsanschreiben dokumentieren.
In Deutschland gibt es bislang kein bildungsbereichsübergreifendes und in der Breite etabliertes Verfahren zur Validierung non-formal und informell erworbener Lernergebnisse. Es existiert eine Vielzahl an freiwilligen Instrumenten, die informell oder non-formal erworbene Lernergebnisse unterhalb des Prüfungssystems dokumentieren, zum Teil bewerten und zertifizieren, ohne dass dies in einem staatlichen Auftrag geschieht.
Ziele:
Ziel des Verbundprojektes ValiKom ist die Entwicklung eines kammerübergreifenden Validierungsverfahrens, samt Kriterien und Instrumenten, um informell und non-formal erworbene Kompetenzen sichtbar zu machen und zu bewerten. Das Validierungsverfahren stellt letztlich fest, inwieweit die Kompetenzen des Antragstellenden mit einem aktuell deutschen Berufs- oder Fortbildungsabschluss gleichwertig sind. Am Ende wird kein Abschluss erworben, sondern es wird ein Validierungszertifikat ausgehändigt, welches eine Aussage zur Gleichwertigkeit zwischen dem Können des Antragstellers und den Inhalten des Ausbildungsberufs bzw. Fortbildungsabschlusses trifft.
Maßnahmen:
Um dieses Ziel zu erreichen, wird im Rahmen des Verbundprojektes ein umfassendes Konzept entwickelt, praktisch erprobt und bedarfsorientiert angepasst. Am Ende des Projektes wird das Ergebnis in einem ausführlichen Handlungsleitfaden mit Verfahrensbeschreibung, Instrumenten, Validierungszertifikat und Empfehlungen dokumentiert und für den weiteren Dialog zur Verfügung gestellt werden.
FAQs und weitere Informationen
Das Validierungsverfahren richtet sich an Personen,
- die unabhängig von ihrem derzeitigen Beschäftigungsstatus
- im In- und/oder Ausland
- beruflich relevante Kompetenzen erworben haben,
- diese aber nicht durch einen Berufsabschluss nachweisen können.
ValiKom kann damit sowohl von Personen ohne Berufsabschluss als auch von Personen mit Berufsabschluss, die aber in einem anderen Beruf tätig sind, genutzt werden. Um am Verfahren teilnehmen zu können, müssen die Personen mindestens 25 Jahre alt sein und einschlägige Berufserfahrung vorweisen.
Non-formales Lernen
Lernprozess, der im Rahmen planvoller Tätigkeiten (in Bezug auf Lernziele und Lernzeit) stattfindet und bei dem das Lernen in einer bestimmten Form unterstützt wird.
Beispiele:
- Innerbetriebliche Weiterbildung, mit der Unternehmen die Qualifizierung ihrer Mitarbeiter verbessern
- Strukturiertes Online-Lernen
Informelles Lernen
Lernprozess, der im Alltag – am Arbeitsplatz, im Familienkreis oder in der Freizeit – stattfindet und in Bezug auf Lernziele, Lernzeit oder Lernförderung nicht organisiert oder strukturiert ist.
Beispiele:
- Am Arbeitsplatz erworbene Fähigkeit, ein Projekt zu leiten
- Sprachkenntnisse, die während eines Auslandsaufenthalts erworben wurden
Formales Lernen
Lernprozess, der in einem organisierten und strukturierten, speziell dem Lernen dienenden Kontext stattfindet und typischerweise zum Erwerb einer Qualifikation, in der Regel in Form eines Zeugnisses oder eines Befähigungsnachweises führt.
Hierzu gehören Systeme der
- allgemeinen Bildung,
- der beruflichen Erstausbildung und
- der Hochschulbildung.
Quelle: Empfehlung des Rates vom 20.12.2012 zur Validierung nichtformalen und informellen Lernens
1. Erste Informationen über den Ablauf
Die Beratung kann vor Ort, telefonisch oder per E-Mail erfolgen. Die interessierte Person erhält erste Informationen zum Verfahren, zu den Dokumenten, die für das Verfahren benötigt werden sowie Unterstützung bei der Auswahl des passenden Referenzberufs.
2. Beratungen/ Workshops
Die Antragsunterlagen, die den Lebenslauf, den Selbsteinschätzungsbogen sowie weitere relevante Dokumente enthalten, werden mit Unterstützung des zuständigen Beraters ausgefüllt und bearbeitet.
3. Antragstellung
Der Antragstellende reicht die Antragsunterlagen bei der zuständigen Kammer ein.
4. Auswertung der Antragsmappe durch die zuständige Kammer
Ziel der Auswertung ist die Feststellung, in welchen Tätigkeitsbereichen des Referenzberufs eine Fremdbewertung durchgeführt werden soll.
5. Beratung zur Fremdbewertung
Der Antragstellende, der Berater sowie ein Berufsexperte besprechen die Möglichkeiten einer Fremdbewertung, informieren zur Organisation und zum Ablauf des Fremdbewertungs-Termins.
6. Fremdbewertung
Die Fremdbewertung wird durch Berufsexperten durchgeführt. Bei der Fremdbewertung können verschiedene praxisorientierte Instrumente zum Einsatz kommen. Dazu gehören die Arbeitsprobe, das Fachgespräch oder auch die Probearbeit im Betrieb, um die vorhandenen Kompetenzen festzustellen.
7. Zertifizierung
Abhängig vom Ergebnis des Verfahrens stellt die Kammer ein Validierungszertifikat aus, das die volle bzw. teilweise Gleichwertigkeit mit dem Referenzberuf bescheinigt.
Das Projekt ValiKom ermöglicht eine kostenfreie Teilnahme bis zum Projektende am 31.10.2021.
An der IHK München werden folgende Ausbildungsberufe schwerpunktmäßig validiert:
- Kauffrau/ Kaufmann für Büromanagement
- Fachkraft für Lagerlogistk
- Hotelfachfrau/-fachmann und Hotelkauffrau/-kaufmann
- Verkäufer/in und Kauffrau/ Kaufmann im Einzelhandel
- Maschinen- und Anlagenführer/in
- Mediengestalter/in Digital und Print
- Fachkraft für Metalltechnik
sowie einzelne industrielle Elektroberufe