Stimmen der Besucher
Interviews während der Trade & Connect 2019
Das sagen die Teilnehmer
Was für Produkte stellen Sie für die Schönheit her?
Kosmetika in allen Formen, Hautcremes, Gesichtspflege. Haarpflege. Wir machen alles.
Wie vertreiben Sie das?
Wir haben drei Vertriebskanäle. Mit Teleshopping haben wir angefangen. Dann haben wir einen Webshop. Wir haben eine Beauty-Plattform, auf der wir nur Eigenmarken verkaufen. Wir haben acht Eigenmarken. Wir sind momentan die größte deutsche Beauty-Plattform mit Eigenmarken. Unser Ziel ist natürlich Europa.
Welche Märkte schauen Sie sich an?
Vor allem die Märkte die weiter weg sind: Brasilien, Russland, Singapur. Nachher haben wir auch ein Meeting mit Irland. Vorhin war ich auf einem Vortrag über die Märkte vor der Haustür. Tschechien, Slowakei, Polen und Ungarn. Das sind für Beautyfirmen extrem spannende Märkte.
Was halten Sie von dieser Veranstaltung?
Was uns das bringt, werden wir danach sehen (lacht). Was die Informationen angeht, nutzt uns das natürlich sehr viel. Wir haben auch schon mit einigen AHKs zusammengearbeitet. Die AHK-Experten wissen genau, wie das Geschäft in ihren Ländern läuft. Das ist für uns sehr hilfreich.
Sind Sie zum ersten Mal hier?
Ja, das ist eine Premiere für uns.
Was nehmen Sie aus der Veranstaltung mit?
Wir haben gelernt, dass Irland extrem beauty-affin ist. Die Kaufkraft dort ist hoch. Das ist für uns spannend, obwohl wir etwa Polen aufgrund der räumlichen Nähe viel besser bedienen können.
Über wie viele Länder informieren Sie sich heute insgesamt?
Acht bis zehn. Es ist super, dass es hier so geballt ist. Da hat man die Chance, dass man einen AHK-Experten auch mal beim Kaffee erwischt, ohne vorher einen Termin vereinbart zu haben.
Das sagen die Aussteller
Herr Brandner, sind Sie heute zum ersten Mal hier?
Nein, wir waren hier schon regelmäßig mit Fachvorträgen aktiv. Aber dieses Jahr haben wir zum ersten Mal einen eigenen Stand. Die Besucher sind für uns hochinteressant: Gründer, kleinere und mittlere Unternehmen, die Sicherheitslösungen für ihr internationales Engagement suchen.
Finden Sie es sinnvoll, was die IHK mit der Trade & Connect auf die Beine stellt?
Ja, das ist definitiv so. Man sieht auch an der Teilnehmer-Resonanz, wie gut diese Veranstaltung läuft. Was diesen Event für uns spannend macht, ist, dass hier sehr unterschiedliche Firmen teilnehmen. Sie sind alle im Ausland aktiv, arbeiten aber in völlig verschiedenen Regionen der Welt mit völlig unterschiedlichen Produkten. Wir bieten für jeden die passende Lösung an.
Was bieten Sie den Firmen an?
Alles um das Thema Reisesicherheit. Das beginnt mit der Vorbereitung, Risiken die im Ausland drohen. Wie erklären, wie man sich effektiv darauf vorbereitet. Wir verhindern, dass ein Start-up im Ausland gleich den Bach runtergeht.
Gibt es heute mehr Start-ups, die sich international ausrichten?
Unbedingt, das ist exakt unsere Einschätzung. Die Wirtschaft globalisiert sich. Immer mehr Unternehmen gehen ins Ausland, um näher an ihren Kunden oder Lieferanten zu sein. Sie suchen dort ihre Chance, sie bauen sich gezielt neue Absatzmärkte auf. Das machen jetzt auch Gründer.
Wir erleben derzeit beängstigend viele Krisen, Kriege und Handelskonflikte – ist das Geschäftemachen im Ausland riskanter geworden?
Ja, das ist leider so. Das Reisen ist riskanter geworden. Die Terrorismus-Gefahr hat klar zugenommen. In unseren Beratungen behandeln wir aber nicht nur Hochrisiko-Regionen und exotische Länder. Wir müssen uns heute auch mit ganz simplen Problemen beschäftigen, die uns bei europäischen Nachbarn drohen.
Was droht denn dort? Ein schlechter Döner?
(Lacht) Wenn der schlecht schmeckt, ist das kein Problem. Anders sieht es aus, wenn Mitarbeiter im Ausland ernsthaft krank werden, in die Klinik müssen oder einen Unfall haben. Die Rettungsketten laufen im Ausland langsamer als bei uns. Darauf sind nur wenige Unternehmen vorbereitet.
Kostet das dann richtig Geld?
Natürlich. Man kann Millionen-Deals auch verlieren, weil die eigenen Mitarbeiter schlecht erreichbar waren und der Entscheidungsprozess zu langsam war. Mitarbeiter können Opfer eines Raubüberfalls werden oder Trickbetrügern auf den Leim gehen. Was häufig vorkommt: Mitarbeiter hat seine Unterlagen verloren. Meistens mit sensiblen Daten. Wie geht es dann weiter? Das sind die Themen, bei denen wir Unternehmen helfen.
BeckerIOT - klingt nach einem jungem Unternehmen. Sind Sie ein Start-up?
Ja, ich bin Gründer. Ich bin seit diesem Jahr selbstständig, bringe dafür aber sehr viel Kompetenz mit. Ich habe mehr als 20 Jahre Erfahrung im Mobilfunk. Ich war 16 Jahre lang bei O2 in München und habe dort das Großhandelsgeschäft verantwortlich geleitet. Ich habe für O2 Kapazitäten an andere Anbieter verkauft.
Was verkaufen Sie heute? Beratungsleistung?
Es ist eine Beratungs- und Vermittlungsleistung. Mein IoT-Fachgebiet ist (Internet der Dinge, die Red.) die Mensch-Maschine-Kommunikation. Meine Zielgruppe sind Firmen, die dafür Lösungen haben und die sie international vertreiben wollen. Diese Firmen stehen vor der Frage: Welche Mobilfunk-Lösung ist für mich die richtige?
Und dafür liefern Sie Antworten?
Genau. Mein Vorteil ist, dass ich internationale Connectivity, wie wir heute sagen, sehr preiswert anbieten kann. Ich arbeite mit Anbietern zusammen, die beispielsweise auf Asien spezialisiert sind. Wir können in Nordamerika direkt von den lokalen Anbietern die SIM Card organisieren. Ich kann mit meinem Service alles abdecken. Alles außerhalb der EU ist besonders spannend.
Sind Sie zum ersten Mal hier?
Ja, das stimmt. Ich finde das super, da man hier alle Partner hat, die sich mit Außenhandel beschäftigen. Dafür braucht man viele Dienstleistungen: Übersetzungen, rechtliche Beratung, Zollthemen und so weiter. Ich denke, der internationaler Mobilfunk passt da perfekt dazu.
Sie sind heute als Aussteller hier. Hat sich die Präsenz gelohnt?
Klar. Ich habe wichtige Kontakte gewonnen. Mein Ziel ist, meine spezielle Dienstleistung überhaupt bekannt zu machen. Dafür ist dieser Event ideal.
Würden Sie die Veranstaltung auch anderen Gründern empfehlen?
Es kommt darauf an, was man anbietet. Aber das Netzwerk im Bereich Internationalisierung ist hier schon sehr stark. Da kann man in sehr kurzer Zeit sehr viel erreichen.
Das sagen die Auslandshandelskammern
Interessieren sich Unternehmer noch für Großbritannien?
Natürlich tun sie das. Großbritannien ist die zweitgrößte Volkswirtschaft Europa, die sechstgrößte der Welt. Wir reden über 65 Millionen Konsumenten. Der Brexit erzeugt Unsicherheit, klar. Wir spüren Zurückhaltung bei Investitionen im Land. Diese Warteposition ist auch wichtig und verständlich. Aber es wäre dumm, diesen Markt nicht weiter im Auge zu behalten.
Angesichts der britischen Politik müssten Sie doch verzweifeln?
Verzweifelt ist zu viel gesagt. Das Land ist in der Findungsphase, die Briten sind gespalten. 50 Prozent sind für und gegen die EU. Da muss man eine neue Lösung finden. Warten wir mal ab, wie sich das Wahlergebnis gestaltet. Je nachdem wie das ausfällt, hat das auch Einfluss auf die Frage, wie lange der Brexit-Prozess noch dauert.
Wie lange könnte es dauern?
Ein Kollege sprach von „Brexit in eternity“. Das trifft es ganz gut. Egal wie sich der Brexit kurzfristig gestaltet, das Ganze wird uns sicher die kommenden zehn Jahre beschäftigen. Das gesamte Verhältnis zwischen UK und Europa muss bis ins Detail neu geregelt werden. Das ist unfassbar aufwändig. Das bedeutet harte, jahrelange Arbeit.
Vertreter der britischen Regierung haben hier in der IHK versprochen, man werde den Brexit pragmatisch umsetzen. Ist das glaubhaft?
Die Briten denken – wenn man das mal verallgemeinern darf – ohnehin pragmatisch. Ich glaube also, dass sie das ernst und ehrlich meinen. Das Problem liegt eher auf der anderen Seite. Die EU-Mitgliedsstaaten stecken in einem engen rechtlichen Rahmen drin. Deutschland kann nicht pragmatischer als Frankreich agieren. Die EU kann in der Handelspolitik nur als Block funktionieren.
Wird Großbritannien für Mittelständler nicht ein zu schwieriger Markt?
Wir haben jetzt eine wackelige Phase. Das stimmt. Die Unternehmen warten ab, was politisch passiert. Aber Großbritannien bleibt für Mittelständler ein spannender Markt. Großbritannien und Europa werden schon deshalb weiter eng zusammenarbeiten, weil es beiden Seiten nutzt. Der administrative Aufwand wird auch für kleinere Unternehmen verkraftbar bleiben.
Herr Blank, spüren Sie heute ein steigendes Interesse der Unternehmen an Afrika?
Ja, ganz unbedingt. Das Interesse an Afrika hat verschiedene Gründe. Zunächst ist das politisch motiviert. Die Bundesregierung engagiert sich in Afrika, weil sie Migration verhindern will. Der zweite Grund ist geostrategisch. China fasst in Afrika sehr stark Fuß. Das möchte man eindämmen. Dritter Grund: Afrika ist der Kontinent, auf dem es noch am meisten zu entdecken gibt. Afrika hat das größte Potenzial.
Warum sollte ich mich als Unternehmer für Afrika interessieren?
Weil Sie zuhause auf gesättigten Märkten kämpfen. Afrika hat eine junge, wachsende Bevölkerung. Es gibt eine steigende Nachfrage für Konsumgüter. Bei Infrastruktur, Gesundheit und Energie besteht hoher Investitionsbedarf.
Sind in Afrika die Risiken für Mittelständler nicht zu groß?
Risiken gibt es überall. Die haben sie in China, Chile und auch in den USA. Den Einwand lasse ich nicht gelten. Ein Punkt ist aber wichtig: Afrika ist anders. Dort sollte man mit einer langfristigen Perspektive agieren. Und man sollte dort nicht nur Gewinne und Rohstoffe herauspressen. Man sollte Afrika auch etwas zurückgeben wollen.
Was könnte das sein?
Ein entscheidender Erfolgsfaktor für Mittelständler in Afrika ist, dass sie Ausbildung mitbringen. Es geht nicht nur um das Produkte verkaufen. Wichtig ist, dass afrikanische Mitarbeiter geschult und später höherqualifiziert werden. Das wird hoch geschätzt und fördert eine langfristige Geschäftsbeziehung.
Welche Branchen bieten sich für den Einstieg in Afrika an?
Für Ghana kann ich sagen: Konsumgüter, Lebensmittelverarbeitung, Logistik. Auch Energie, selbst wenn die politischen Rahmenbedingungen dafür nicht optimal sind.
Wie hoch sind in Afrika die Compliance-Risiken? Wie steht es mit der Korruption der Regierungen?
Ich weigere mich, Klischees zu bedienen. Korruption, Vetternwirtschaft, gibt es auch – ich bleibe jetzt dabei – in China, Chile und den USA. Aber Afrika hat Besonderheiten, auf die man sich einstellen muss.
Können Sie dafür Beispiele nennen?
Die Familie spielt dort eine ganz starke Rolle, auch der Einfluss bestimmter ethnischer Gruppen. Regierungsbeamte werden nicht sehr hoch bezahlt. Das kann ein Einfallstor für Korruption sein. Ich höre aber von den deutschen Firmen, die in Ghana aktiv sind, dass sie da keine großen Probleme erleben.
Wir hatten in der IHK afrikanische Minister zu Gast, die Chinas Geschäftspraktiken kritisierten. Wie steht es mit der Wertschätzung deutscher Unternehmen?
Sobald ich mich in Ghana als Deutscher oute, werde ich noch freundlicher begrüßt. Deutsche Firmen und Produkte genießen in Ghana einen exzellenten Ruf. Die Menschen dort haben aus Erfahrung gelernt. Sie haben erst die billigen Sachen aus China gekauft – und danach gerne für deutsche Produkte mehr bezahlt, weil die einfach länger halten. Auch ein Klischee, aber eines das stimmt. Das habe ich oft gehört.
Können sich Unternehmer, die Interesse an Afrika haben, direkt an Sie wenden?
Klar, können sie das. Wir sind für die Mittelständler da. Wir helfen ihnen beim Ausbau ihrer Geschäfte.
CETA hat Kanada als Wirtschaftsstandort bekannter gemacht Ist das Land auch für Mittelständler interessant?
Natürlich haben wir große bayerische Unternehmen wie BMW und Audi dort. Aber Kanadas Wirtschaft ist selbst mittelständisch strukturiert. Für Mittelständler ist es ideal, dort anzufangen, weil die Bedingungen ähnlich wie in Deutschland sind.
Ist Kanada für kleine Firmen nicht einfach zu groß?
Wir haben in Kanada vier große Zentren: Montreal, Toronto, Calgary und Vancouver. Damit hat man schon 80 Prozent des Marktes abgedeckt. Sie können sehr gut in den Markt reinkommen, in dem sie sich ein Firmenpartner oder Agenten suchen, der dann ihre Produkte vertreibt.
Hat CETA das Geschäftemachen in Kanada erleichtert?
Öffentliche Aufträge sind eine gute Chance, in den Markt zu kommen. Sich auf Ausschreibungen bewerben, das mag nicht jeder, aber CETA hat das sehr positiv verändert. Bayerische Firmen können und sollten sich auf allen Ebenen – Bund, Länder und Kommunen – in Kanada um öffentliche Aufträge bewerben.
Gibt es schon erfolgreiche Beispiele?
Ja, wir kennen Fälle, in denen bayerische Firmen auf diesem Weg super in den kanadischen Markt reingekommen sind. Sie haben öffentliche Aufträge bekommen oder sich erfolgreich um private Ausschreibungen kanadischer Unternehmen beworben. Die bayerischen Unternehmen haben so angefangen – und haben sich dann Richtung USA bewegt. Das finde ich super spannend.
Welche Branchen bieten sich für den Markteinstieg an?
Maschinenbau, Chemie, Elektrotechnik, Automobil-Zubehör. Sehr gute Chancen haben pharmazeutische Produkte. In Kanada kommen zehn Prozent aller importierten Arzneien aus Deutschland. Alles, was in Deutschland gut läuft, hat auch beste Chancen in Kanada.
Welche Folgen hat Trumps Handelspolitik für Kanada?
Genau die Frage hatten wir vorhin im Gespräch mit den Unternehmern schon. Wir haben den Handelskonflikt zwischen USA und China. Da profitiert Kanada überhaupt nicht davon, solange die Tochter des Huawei-Gründers in Vancouver festsitzt. Das hat zur Folge, dass die Chinesen einige Produkte Kanadas wie Rapsöl nicht mehr abnehmen. Das bedeutet Milliarden-Verluste.
Profitiert Kanada vom US-europäischen Handelsstreit?
Ich glaube nicht, dass Kanada groß davon profitiert. Kanada kann den US-Markt überhaupt nicht ersetzen. Wenn man über Kanada was reinbringt und dann in die USA rüberschickt, muss man das wieder verzollen. Wir sehen als Folge von CETA zwar mehr europäische Importe. Aber der Zuwachs kommt von osteuropäischen Ländern, die zuvor sehr wenig mit Kanada zu tun hatten. Ein Plus ja, aber es ist kaum spürbar, Eine gute Chance in dem Markt zu kommen.
Wie steht es mit den Handelsbeziehungen zwischen Deutschland und Kanada?
Die entwickeln sich stetig und zufriedenstellend. Die deutsche Wirtschaft exportiert jährlich Waren und Dienstleistungen im Wert von 18 Milliarden Kanadischen Dollar. Kanada schickt Waren im Wert von 4 Milliarden zurück
Wünschen Sie sich mehr Interesse der bayerischen Wirtschaft an Kanada?
Insgesamt läuft das schon ganz gut. Wir haben die Partnerschaft Bayerns mit Quebec. Bayern hat eine Niederlassung mit einer Handvoll Mitarbeitern in Montreal. Quebec ist hier in München mit 20 Mitarbeitern präsent. Das ist eine gute, alte Beziehung.
Mit welchen Argumenten werben Sie heute in der IHK um Unternehmen?
Kanada ist ein guter Absatzmarkt, der leicht zu erschließen ist. Rechtlich gibt es kaum Probleme. Bayerische Unternehmen sind uns herzlich willkommen. Wir tun für die alles, wir helfen bei allem: Firmengründung, Buchhaltung, Lohnbuchhaltung, Immigration – alles auf Deutsch.
Mit welchen Argumenten werben Sie heute für Saudi-Arabien?
Das Land ist mitten in einem Umbruch: die Saudi Vision 2030. Ich finde das einen wahnsinnig spannenden Prozess. Saudi-Arabien öffnet sich. Das Land will jetzt ganz stark die Frauen fördern, was die Regierung auch tut. Ich bin die erste Frau, die als Delegierte der Deutschen Wirtschaft dort tätig ist.
Was macht die Vision 2030 für bayerische Firmen interessant?
Die Regierung denkt über neue Konzepte in der Wirtschaft nach. Wir spüren positive soziale Entwicklungen: Frauen dürfen jetzt Autofahren. Die Saudis haben erkannt, dass die Wirtschaft nicht auf die Hälfte der Bevölkerung verzichten kann. Viele saudische Frauen wurden im Ausland ausgebildet, oder sie haben dort studiert. Bislang konnten sie ihre Kompetenz nicht anwenden. Heute haben wir erste saudische Frauen in Führungspositionen. Es ist eine sehr spannende Zeit, die wir erleben.
Saudi-Arabien steht schwer in der Kritik. Die Stichworte lauten Menschenrechte, Syrien, Krieg im Jemen – wie ernsthaft ist der neue Reformkurs?
Das ist ein ernsthafter Prozess, Das erlebe ich als Frau hier jeden Tag. Ich spüre totale Akzeptanz. Man geht heute sehr locker miteinander um.
Was bedeutet das für die Wirtschaft?
Natürlich spielen Öl und Gas immer noch eine ganz wichtige Rolle. Schon da gibt es Geschäftschancen – etwa für die Hersteller von Kompressoren und Spezialisten für den Pipeline-Bau. Aber das Spannende ist die neue Wirtschaftsstrategie. Saudi-Arabien will weg von der Monostruktur. Man will die Wirtschaft diversifizieren. Hier tun sich die eigentlichen Geschäftschancen auf.
Sehen Sie da schon Beispiele?
Wir sprechen über viele Großprojekte. Entlang des Roten Meeres werden neue Städte gebaut. Das Land hat sich dem Tourismus geöffnet. Es gibt über ein Internetportal erstmals die Möglichkeit, online Reisevisa zu beantragen. Reisen war bislang immer nur in Verbindung mit einem Geschäfts-Visum möglich. Man will den Tourismus ausbauen. Da sehe ich Chancen für bayerische Unternehmen.
Kommen bayerisch Firmen überhaupt an öffentliche Aufträge?
Auch hier greifen die Reformen. Die Regierung hat die Ausschreibungsregeln unternehmensfreundlicher gestaltet. Einen lokalen Partner braucht man nicht mehr, um sich zu beteiligen. Ein bayerisches Unternehmen hat es schon geschafft, beim Großprojekt „Qiddiya“ ins Geschäft zu kommen.
Wofür steht „Qiddiya“?
Das ist ein Großprojekt in Riad. Da wird schon gebaut. Auf mehr als 300 Quadratkilometern sollen Parks, Resorts und eine Rennstrecke für die Formel 1 entstehen. Auch die Unterhaltungsbranche ist stark im Kommen. Seit Januar gibt es Konzerte, fast jede Woche eröffnet ein neues Kino. Es gibt Sportveranstaltungen. Zum ersten Mal hat ein Kickboxing-Turnier der Frauen stattgefunden.
Das klingt nach Big Business. Kommen da kleinere Firmen überhaupt zum Zuge?
Ich bin schon lange in der Golf-Region unterwegs. Meine Erfahrung ist, dass sich für viele Mittelständler eine Nische findet. Bei Großvorhaben werden sie als Subunternehmer oder Berater gebraucht. Es gibt Mittelständler, die angefangen haben zu lokalisieren. Im Rahmen ihrer Wertschöpfungskette versuchen sie hier, etwas aufzubauen.
Firmen warten dort bisweilen sehr lange auf ihr Geld.
Zahlungsmoral ist in der gesamten arabischen Welt tatsächlich ein Thema. Da muss man entsprechend mit einem Forecast (Zahlungsprognose, die Red.) oder einem Akkreditiv (schriftliche Zusicherung einer Bank, im Auftrag des Käufers dem Verkäufer den Betrag zu bezahlen, die Red.) vorbeugen. Das gilt aber auch für andere Märkte der Welt.
Ist Korruption ein Problem?
Das ist schwer abzuschätzen. Dass man damit konfrontiert wird, damit muss man in der arabischen Welt rechnen. Aber die Vision 2030 zielt auch darauf ab, alle Prozesse in der Wirtschaft Saudi-Arabiens transparenter zu machen.
Gibt es schon messbare Erfolge?
Ich habe hier in der IHK mit bayerischen Unternehmern über die neuen Import-Portale gesprochen. Da sind alle Prozesse digital. Hier gibt es für den Importeur keine Chance mehr, Deals zu manipulieren. Das neue Ausschreibungsgesetz ist sehr transparent. Im Weltbank Doing Business Index ist Saudi-Arabien um drei Plätze gestiegen. Das sind zählbare Erfolge.
Welche Branchen bieten sich für den Markteinstieg an?
Gute Chancen haben Spezialisten für Infrastruktur- und Logistikprojekte. Tourismus und Unterhaltungsbranche entwickeln sich. Der Energiesektor wandelt sich Richtung Erneuerbare Energien. Die Regierung sucht technische Berater und Dienstleister, auch Rechtsexperten für Ausschreibungsprozesse. Der neue Mittelstand legt Wert auf gute Lebensmittel. Hier stehen wir mit bayerischen Lieferanten aus der Bio-Branche in Kontakt.