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Interviews während der Trade & Connect - Summer Edition 2022
IHK-Redakteur Martin Armbruster sprach während der Trade & Connect - Summer Edition 2022 mit Unternehmensvertreterinnen und -vertretern sowie mit den Auslandshandelskammern.
Das sagen die Teilnehmer
"Die haben immer Tipps auf Lager"
Herr Wehrenpfennig, warum sind Sie heute hier? Was treibt Sie an?
Mit der IHK arbeite ich schon lange zusammen. Mit Frau Tsougenis und Herrn Triebess hatte ich schon viel Kontakt, wir haben schon gemeinsam die Kampagne „Go International“ mitgemacht. Momentan arbeite ich an der Expansion in die USA. Heute bin ich aber wegen Großbritannien hier. Die AHK-Spezialisten konnten leider nicht kommen, weil der Flug nach München ausgefallen ist.
Sind Sie dann ganz umsonst in die IHK gekommen?
Nein, wir wollen auch in die Türkei gehen. Deshalb habe ich die Chance genutzt, um mich über dieses Land zu erkundigen. Ich habe auch gute Grundinformationen bekommen. Ich weiß jetzt, wo und wie ich weitere Kontakte knüpfen kann, um das Geschäft in der Türkei aufzubauen.
In welcher Branche sind Sie tätig?
Wir stellen Medizinprodukte her.
Wie finden Sie Veranstaltung?
Die finde ich schön, weil sie nicht so groß. Das Ganze ist übersichtlich, man kann schnell Kontakt mit vielen interessanten Leuten bekommen.
Würden Sie anderen Unternehmern den Besuch der Trade & Connect empfehlen?
Ja, vor allem wenn sie neu ins Auslandsgeschäft starten. Dann ist es extrem hilfreich, wenn man in dem jeweiligen Zielland einen festen Ansprechpartner wie die AHK hat. Die AHK-Spezialisten unterstützen einen auch dabei, an erste Kundenkontakte zu kommen. Und die haben dann doch noch immer Tipps auf Lager, die einem wirklich weiterhelfen.
IHK-Hauptgeschäftsführer Manfred Gößl hat sich heute bei der Eröffnung dieser Veranstaltung für Zuversicht ausgesprochen. Leidet Ihr Unternehmen unter der Krise?
Jetzt nicht mehr. 2020 war es sehr schlimm. Als der erste Lockdown losging, hatten wir Geschäftseinbrüche bis zu 80 Prozent. Zum Glück hat sich das dann wieder normalisiert. 2021 lief das Geschäft wieder nahezu normal. Aktuell sind wir wieder auf dem Vor-Corona-Stand, aber natürlich fehlt uns das Wachstum aus der Lockdown-Phase, was wir gerne gehabt hätten.
Warum interessieren Sie sich ausgerechnet jetzt für Großbritannien? Ist der Brexit keine Hürde?
Doch, auf alle Fälle, aber Großbritannien ist für uns ein spannender Markt. Grundsätzlich bedeutet der Brexit ein Hindernis gerade für Medizinprodukte, für die jetzt ganz andere Spielregeln gelten. Man kann die Sachen nicht mehr einfach nach Großbritannien verkaufen. Sie müssen eigens zertifiziert werden, man braucht einen lokalem Repräsentanten. Die CE-Kennzeichnung, die für ganz Europa gilt, gilt nicht mehr. Das macht mehr Arbeit und viele kleine Probleme.
Wie lautet die wichtigste Information, die Sie heute erhalten haben?
Ich habe heute den Tipp bekommen, in der Türkei ganz anders anzufangen, als das mit unserem dortigen Partner vereinbart war. Wir werden die Vorgehensweise komplett umdrehen: Wir werden nicht zuerst die Firma gründen, sondern uns zuerst um die Produktzulassung kümmern. Erst dann werden wir im nächsten Schritt in die Firmengründung gehen. Das hat auf alle Fälle viel gebracht. Der Besuch hat sich ganz klar gelohnt.
"Ideal, um Kontakte zu knüpfen"
Herr Bajraktarevic, wofür steht Aeroaccess? Gehört Ihr Unternehmen zur Flugzeugbranche?
Nein, überhaupt nicht. Das steht für eine WLAN-Verbindung, wir sind ein klassisches IT-Unternehmen.
Warum sind Sie heute hier?
Wir arbeiten von Deutschland aus weltweit. Deswegen interessieren wir uns natürlich über die Lage der internationalen Märkte. Unsere Kunden sind Firmen, die ihren Hauptsitz in Deutschland haben, aber Niederlassungen in allen Teilen der Welt unterhalten. Unser größter Kunde ist ein deutsches Dax-Unternehmen. Wir liefern ihm das techische Equipment, wir bereiten das vor, wir konfigurieren das, wir labeln das, der Kunde muss es tatsächlich nur anschließen. Typisches Plug and Play. Wir erledigen auch alle logistischen Sachen. Der Kunde muss gar nichts machen.
Über welche Länder haben Sie sich heute informiert?
Wir haben 120 Länder im Portfolio. Alle sind wichtig, aber einige sind eben noch wichtiger. Die USA stehen ganz oben auf meiner Liste, deswegen bin ich auch heute hier. Wir sind in Südamerika und Asien sehr aktiv. Dazu kommen wichtige einzelne Märkte wie Australien.
Wie stark leidet Ihr Geschäft unter der Krise?
Es ist schwieriger geworden. Die Unternehmen agieren momentan sehr vorsichtig, sie verschieben Investitionen. Das spüren wir natürlich, aber ich bleibe dennoch optimistisch.
Was halten Sie von der Trade & Connect?
Der Besuch hat sich auf alle Fälle gelohnt. Ich bin jedes Jahr hier. Die Veranstaltung ist ideal, um Kontakte zu knüpfen. Das ist für uns als IT-Dienstleister sehr wichtig.
Das sagen die Auslandshandelskammern
"Die Firmen stehen zu uns"
Herr Lisnichenko, es ist ja fast zynisch, wenn man im Zusammenhang mit Ihrem Land, in dem Krieg herrscht, über das Geschäftemachen redet – trotzdem die Frage: Haben bayerische Unternehmen an der Ukraine noch Interesse, oder ziehen die sich alle zurück?
Nein, überhaupt nicht. Wir haben im März, drei Wochen nach Kriegsbeginn, Anfragen von deutschen und bayerischen Unternehmen bekommen, die bei uns investieren und neue Projekte machen wollen.
Können Sie dafür ein Beispiel nennen?
Wir haben eine 30 Millionen-Investition im Gebiet Lemberg (Lwiw) von einem Automobil-Zulieferer. Natürlich belastet und zerstört der Krieg unser Land, aber da, wo nicht gekämpft wird, läuft die Wirtschaft. Und das Interesse ist da.
Hilft das noch, wenn die Infrastruktur zerstört wird?
Ich war neulich auf einer Veranstaltung bei den IHK-Kollegen in Hessen. Da wurde ein hessisches Unternehmen aus dem Bereich Industriegase vorgestellt. Die stellen Sauerstoff her, der auch von Krankenhäuser und Kliniken gebraucht wird. Das Unternehmen produziert immer noch in Charkiw, obwohl die Stadt unter Beschuss steht. Zum Glück steht die Infrastruktur zum großen Teil noch, die Unternehmen können produzieren.
Rechnet sich das denn für Unternehmen noch?
Was ich schön finde: Die Untenehmen produzieren nicht alleine aus Profitgründen. Was für uns ganz wichtig ist - sie tun das auch aus dem Gefühl der Solidarität heraus. Und erstaunlicherweise haben einige Firmen mitten im Krieg Umsatzzuwächse erzielt. Zum Beispiel das Unternehmen, das Sauerstoff herstellt. Sauerstoff wird jetzt für die Schweißbrenner gebraucht, mit denen unser Militär und Katastrophenschutz Menschen aus Ruinen befreien. Stahlträger, Türen Panzerwracks, das ist ja alles Metall, das geschweißt werden muss.
Als deutscher Fernseh-Zuschauer staunt man, wie gut die Menschen in der Ukraine improvisieren können.
Ja, wichtig war für uns, dass unsere Unternehmen den ersten Schock schnell überstanden und gehandelt haben. Ich denke, die Annexion der Krim 2014 war eine gute Vorbereitung für das, was wir heute erleben. Die Unternehmen haben sich schnell gefangen, Produktion aus dem Osten der Ukraine in den Westen verlegt. Wir haben keine Fluchtwelle von Firmen, wie sie Russland erlebt.
Die Wirtschaft steht offenbar zur Ukraine.
Ich bewundere die Flexibilität der Unternehmen, die haben nicht die Seiten gewechselt, die stehen zu uns Ukrainern. Was mir gefallen hat: Auch der Vorstand von Volkswagen hat ihren Mitarbeitern hier in der Ukraine versichert, VW lasse sie nicht alleine. VW gibt den Standort nicht auf. Im Gegenteil: Sie vergeben hierher neue Aufträge. Die arbeiten hier teilweise im Drei-Schicht-System.
Russland hat die Hafenstadt Mariupol und große Teile des Donbass‘, das Industriezentrum des Landes, erobert. Wie sehr schwächt das die Wirtschaft der Ukraine?
Wir haben immer noch Odessa und funktionierende Flusshäfen. Ich denke, dass wir auch den größten Teil unseres Getreides exportieren können.
Trotzdem, der Schaden ist immens. Wird sich Ihre Wirtschaft davon erholen können?
Der Krieg hat zwei Seiten. Er bringt Leid und Zerstörung, aber er bringt auch viele Prozesse voran. Das war schon bei Corona so. Plötzlich hatten wir Homeoffice und virtuelle Meetings auch in der Berufsbildung. Wir haben in unserer Wirtschaft viele Reformen verschoben, Innovationen blockiert und leider gibt es immer noch Korruption. Der Krieg hat alles verändert. Viele Dinge gehen jetzt schneller, weil es schneller gehen muss.
Ein weiteres Plus: Sie haben sehr gut ausgebildete Leute …
Ja, die hatten wir schon immer. Das ist eine unserer großen Stärken. Und auch sehr motivierte junge Leute.
Es sieht nicht so aus, als ob die Motivation nachgelassen hätte.
Nein, im Gegenteil. Alle unseren jungen Leute sind voll motiviert – egal ob sie im Schützengraben unser Land verteidigen oder in der Produktion arbeiten. Sie fühlen sich moralisch bestärkt durch den vielen Zuspruch, den wir aus der ganzen Welt bekommen. Die wollen arbeiten und etwas werden.
Es gibt den Trend, dass jetzt Fachkräfte aus dem Ausland in die Ukraine zurückkehren.
Ja, richtig. Ich denke, dass tut unserem Land gut. Wir haben viele Jahre lang viele unserer besten Fachkräfte exportiert. Wir werden jedes Talent brauchen, um das Land wieder aufzubauen.
In Lugano tagte eine Konferenz zum Thema Wiederaufbau der Ukraine. Die Rede ist von 750 Milliarden Euro. Gibt das Signal Hoffnung?
Ja, den Impuls spüren wir. Wir brauchen so etwas wie einen Marshall-Plan, um das Land aufzubauen. Und es ist ja auch schön, dass die Politik so viel Geld bereit stellt. Die Frage ist nur, wie der Plan umgesetzt wird.
Wie sollte es denn gehen?
Ohne die Unternehmen funktioniert es nicht – die haben das Know-how, die wissen, was zu tun ist. Es gibt deutsche und bayerische Unternehmen, die mithelfen wollen. Was wir am dringendsten brauchen, sind Lösungen für Infrastruktur, Logistik, Brückenbau und für den intermodalen Gütertransport auf der Straße, Schiene und auf dem Schiff.
Können die Unternehmen in der Ukraine das alles?
Ja, wir haben die Unternehmen schon bei uns, die das können. Das ist beispielsweise Siemens, das ist Linde-Gas, das im Energiesektor das Thema Wasserstoff vorantreibt. Das Know-how ist da. Wir müssen die Unternehmen nur fragen, was geht, und was nicht geht. Unsere Regierung muss im Gegenzug regulatorische Hürden abbauen. Das muss alles ohne riesige Bürokratie und Zeitverlust gehen.
Hatten Sie schon vor der Veranstaltung heute Kontakte nach Bayern?
Viele. Ich bin seit 1994 in dem Geschäft, ich habe mit dem damaligen Wirtschaftsminister Otto Wiesheu erste Gespräche geführt. Das war immer eine gute Vertrauensbasis. Wir wussten, dass wir uns auf Bayern verlassen können. Wir sind dankbar dafür, dass Bayern viele Ukrainer bei sich aufgenommen hat.
Was glauben Sie, wie wird es mit Ihrem Land weitergehen?
Waffenstillstand ist die wichtigste Aufgabe jetzt. Wir müssen die kommenden Monate irgendwie überstehen. Erst hatten wir Corona, jetzt den Krieg. Ich habe manchmal das Gefühl: Gott prüft uns.
"Der Perspektivmarkt schlechthin"
Herr Nöther, was spricht aus Sicht einer bayerischen Firma für Ägypten?
Drei Punkte: Der Standort ist gut für Vertrieb, Sourcing (Beschaffungsstrategien, die Red.) und Produktion. (denkt nach) Okay, lassen Sie mich andersherum anfangen. Ich bin jetzt emotional noch nicht so mit dem Land verbunden, dass ich sage: Sie müssen nach Ägypten kommen. Aber Ägypten wird ein großer, wahrscheinlich der größte Gewinner der Freihandelsvereinbarung Afrikas (AfCFTA, die Red.) sein.
Das Land hat leider eine etwas schwierige Regierungsform.
Ägypten hat einen administrativen Overkill, das stimmt, aber da arbeiten die dran - zum Beispiel in Sachen Digitalisierung. Die Zollabwicklung hat davor 27 Tage gedauert, weil die Zollbearbeitung erst begann, als das Schiff im Hafen ankam. Heute, in Zeiten von Digitalisierung und Blockchain, läuft der Prozess schon, wenn das Schiff noch auf dem Wasser ist. Das Ziel ist ein Prozesss, der nicht länger dauert als zwei Tage.
Es geht aber nicht nur um Zollfragen.
Richtig. Nächster Punkt: Die gesamte Verwaltung zieht um in eine neue Hauptstadt Ägyptens in Kairo, die „new administrative capital cairo“. Alle Verwaltungsorgane werden an einem Ort digital vernetzt. Das sollte Entscheidungen beflügeln. Das große Aber ist, da haben Sie Recht: Ägypten ist noch ein autokratisch regiertes Land.
„Die Zeit“ nennt den Präsidenten Al-Sisi einen vorbildlichen Diktator.
Ja, er war in diesen Tagen in Berlin. Da war ich mit dabei. Natürlich würden wir uns aus deutscher Sicht ein demokratisches Regime wünschen. Einen Punkt halte ich aber für wichtig: Al-Sisi ist rein auf Wirtschaftsförderung aus.
Was macht Sie da so sicher?
Er braucht wirtschaftlichen Erfolg, weil für ihn die demografische Entwicklung das größte Risiko ist. Das Durchschnittsalter in Ägypten liegt bei 25 Jahren. Wir haben in jedem Jahr 650.000 bis 700.000 Hochschul-Abgänger. Es gibt super viele Investionen in dem Land. Siemens tätigt in Ägypten die größte Investition seiner Firmengeschichte. Aber es gibt zu wenige Investitionen, die dauerhaft gute Arbeitsplätze schaffen. Und die müssen kommen, wenn das Land politisch stabil bleiben soll.
Warum gibt es die noch nicht? Was hält Unternehmen und Investoren ab?
Ein Thema ist die „Perception Gap“, eine Wahrnehmungslücke. Ägypten wird als lohnintensiv beschrieben, was so pauschal falsch ist. Das Bildungsniveau ist viel höher, als das in Deutschland angenommen wird. Wir haben 280.000 IT-Ingenieure in Ägypten.
Das sollte doch Firmen anziehen.
Die ersten sind auch schon da. Die zweitgrößte Siemens-Niederlassung für IT-Entwicklung weltweit steht in Ägypten. SAP hat ein neues Verwaltungsgebäude aufgemacht mit bis zu 1.000 Arbeitsplätzen. SAP macht dort nicht nur vertriebliche oder Adaptionsleistungen, sondern auch Entwicklungen für den Mutterkonzern. Dass noch nicht mehr Firmen im Land liegt an einemn hausgemachten Problem: Ägypten bewegt sich in einigen Dingen sehr schnell, steht sich aber manchmal auch selbst im Weg.
Können Sie dafür eine Beispiel nennen?
In Ägypten können sie binnen vier bis sechs Wochen ein Unternehmen gründen. Das Tempo nützt allerdings nichts. Bis sie alle nötigen Betriebslizenzen haben, da vergeht ein halbes Jahr.
Klingt jetzt nicht sehr einladend.
Wenn Sie aber mal im Markt drin sind, lohnt sich das. Jedem Unternehmen tut der Standort Ägypten gut – egal, ob es nur im Land Geschäfte macht, oder ob es um Strukturen wie Nearshoring (Aktivitäten in Nachbarländern, die Red.) geht. Hier ansässige deutsche Unternehmen sagen mir: Die ägyptischen Ingenieure haben einen hervorragende Ausbildung. Das was uns entgegenkommt, ist, dass Ägypten eine kulturelle Nähe zu uns hat. Ägypten steht Deutschland und Europa näher als Marokko, Tunesien oder Saudi-Arabien.
Sehen Sie da eine gemeinsame Werte-Basis?
Ich war eine zeitlang in China tätig. In China ist man nur „Return“-orientiert. Der Geschäftsführer, mit dem ich dort etwas mache, hat nur ein Ziel: die höchstmögliche Rendite. Die Ägypter sind da ähnlich gepolt wie deutsche Unternehmer. Man investiert vorrangig in die Entwicklung und das Wachstum des Unternehmens.
Wie läuft es mit der äyptischen Wirtschaft in Zeiten der Krise?
Die Auftragsbücher der ägyptischen Unternehmen sind voll. Aber die Margen sind nicht da. Die leiden genauso wie wir in Deutschland unter einem hohen Kostendruck. Früher hat man für den Transport eines Containers nach Ägypten 3.000 Euro bezahlt, heute kostet das 13.000 Euro. Wir haben 12 Prozent Inflation. Wir haben eine Abwertung der Währung von 25 Prozent gehabt. Und natürlich sehen wir jetzt die Zinserhöhung in den USA und einen langen Krieg in der Ukraine. Klar, das belastet die wirtschaftliche Entwicklung in Ägypten.
Befürchten Sie einen dauerhaften Schaden für das Land?
Ich halte das für ein temporäres Thema, aber zwei Gefahren sehe ich schon: Die Unternehmen können ihre Aufträge abwickeln, bringen aber zu wenig zur Seite, um ausreichend Geld für Zukunftsinvestitionen zu haben. Ägypten ist zudem ein importabhängiges Land. Seit März gibt es eine Akkreditiveröffnungs-Verpflichtung für alle Importe. Dafür gibt es Ausnahmen: Pharmazeutika, Lebensmittel und Lieferungen von der Muttergesellschaft an ihre Tochtergesellschaft. Grundsätzlich schafft das aber das Risiko, dass die Liquidität ausläuft und Zahlungsverpflichten für Importe nicht mehr bedient werden können.
Für welche Branchen ist Ägypten interessant?
IT hatte ich schon erwähnt, Energie ist ein großes Thema. Der Präsident und alle Ministerien setzen auf die Erneuerbaren. Ägypoten wird die Logistik-Drehscheibe für den Mittleren Osten und für den Handel mit Afrika. Und ich halte Ägypten für einen Perspektivmarkt für die Autoindustrie.
Dreht sich in Ägypten jetzt alles um die Dekarbonisierung?
Nur zum Teil. Für mich wird Petrochemie ein super wachsender Markt sein. Wir haben sehr große Gasvorkommen in Ägypten, die bauen jetzt ihre ersten eigenen Raffinerien. Die aus den Spaltprozessen aus Öl und Gas heraus entstehenden Polymere könnten die chemische Industrie rund um den Mittleren Osten versorgen. Agrartechnik ist ein weiteres Thema. Die müssen schauen, dass sie ihre landwirtschaftlichen Flächen nicht nur zur Eigenversorgung nutzen. Ägypten war einmal ein großer Weizen-Exportteur.
Das war jetzt viel Pro und Contra. Was raten Sie denn bayerischen Unternehmen als Fazit?
Wenn Sie Ägypten heute auf dem Schirm haben, ist das gut. Wenn Sie sagen, für ein Engagement ist es noch zu früh, ist es auch gut. Aber Ägypten nicht auf dem Radar zu haben, ist ein Fehler. Ägypten ist der Perspektivmarkt schlechthin.
"Der Hub für ganz Mittel- und Osteuropa"
Frau von Bohnstein, wie finden Sie diese Veranstaltung?
Ich finde das Format ausgezeichnet. Wir sollten uns aber gemeinsam überlegen, wie wir noch mehr Firmen anziehen können. Wir müssen noch deutlicher machen, dass hier die Welt für einen Tag zu Gast ist – und welche Chancen das für einen Unternehmer bedeutet.
Wie hoch ist das Interesse für Slowenien?
Wenn ich sehe, wie aktiv die österreichischen Unternehmen in Slowenien sind, blutet mir das Herz. Wir hatten hier nur zwei Anfragen. Schon in der Werbung muss stehen, was die Standorte charakterisiert. Wir müssen schon da mehr Themen setzen. Wir machen noch zu wenig daraus.
Über welche Charakterstärken vefügt Slowenien?
Das ist vor allem ein wunderschönes Land, auch ein ideales Urlaubsland, das alles bietet: Strände, Stadtkultur, Hochgebirge. Wo man noch Abstriche machen muss, sind die Hotels. Anders sieht es in der Gastronomie aus. Da gibt es eine einmalige Dichte an Sterne-Restaurants. Man kann in Slowenien phantastisch Essen gehen zu einem sehr fairen Preis.
Hört sich gut an. Wie machen Sie Slowenien Unternehmern schmackhaft?
Ich höre häufig, dass Unternehmer sagen: „Nur zwei Millionen Einwohner - was ist denn das für ein Markt?“ Den großen Vorteil, die günstige Lage des Landes, sehen sie auf Anhieb nicht. Viele Firmen nutzen Slowenien als Hub für ganz Mittel- und Osteuropa. Ein Beispiel ist der Münchner Hausgerätehersteller BSH. Die sind hier sehr zufrieden mit ihrem Standort in Maribor. Von dort aus machen sie in der ganzen Region bis Rumänien und Bulgarien gutes Geschäft. Auch die Wege nach München sind kurz. Man braucht mit dem Auto nur vier Stunden.
Wie sind die Standortbedingungen in Slowenien selbst?
Slowenien ist ein hochpreisiger Standort, das gilt auch für die Lohnkosten. Es gibt ein sehr rigides Arbeitsrecht, das geht noch zurück auf die sozialistische Vergangenheit Jugoslawiens. Auf der anderen Seite bietet Slowenien genau das, was bayerische Unternehmen suchen: sehr gut ausgebildete Arbeitnehmer. Jeder in Slowenien spricht perfekt Englisch, es gibt keine Sprachbarriere.
Ein Punkt, der heute wichtig ist: Wie steht es um die Energiesicherheit im Land?
Ja, absolut, da haben Sie Recht. Die Energiesicherheit Sloweniens ist sehr hoch. Es gibt viel Wasserkraft, Solarstrom und ein Atomkraftwerk, das aktuell ausgebaut wird. Das ist heute ein Pluspunkt.
Wie lässt es sich in Slowenien als bayerisches Unternehmen arbeiten?
Gut, ich finde sehr gut sogar. Wir haben hier extrem viel Innovation und zuverlässige Zulieferfirmen. Die Slowenen haben eine hohe Affinität zu Bayern, Slowenien ist ein Land mit extrem hoher Lebensqualität. Die Menschen dort haben eine Mentalität, die uns sehr vertraut ist. Lebens- und Arbeitsstil sind in Maribor nicht viel anders als in München.
Wie wirtschaftsfreundlich sind die politischen Rahmenbedingungen?
Wir haben leider noch eine sehr bürokratische öffentliche Verwaltung, die noch relativ behäbig arbeitet. Ein Vorteil ist hier, dass das das Land so klein ist. Das macht Entscheidungswege sehr kurz. Gleich ob Wirtschaftsminister, Bürgermeister, oder Infrastrukturminister, der Gewerbegebiete ausweisen kann – in Slowenien steht man sich räumlich und menschlich nahe.
Für welche Branchen ist Slowenien besonders interessant?
Natürlich bietet sich Slowenien für Automotive an, auch für Life-Science Consumer-Products eignet sich das Land perfekt. Für das Thema Recycling ist der Standort ebenso spannend. Die Alba-Group unterhält mit Interseroh hier bei uns ein Labor. Auch Forschung und Entwicklung in Slowenien zu betreiben, halte ich für eine gute Idee.
"Großes Zukunftspotenzial"
Frau Georgiadis, sind Sie zum ersten Mal auf Trade & Connect?
Ja, ich bin auch zum ersten Mal in der IHK in München. Ich bin seit Beginn der Covid Zeit bei der Delegation in Riad. Da aufgrund der Reisebechränkungen keine Veranstaltungen stattgefunden haben, freue ich mich jetzt alle KollegInnen persönlich kennenzulernen.
Was halten Sie von dieser Veranstaltung?
Die Veranstaltung finde ich sehr interessant. Zum einen, weil man die Kolleginnen und Kollegen aus den anderen AHKs kennenlernt und ein bessers Gefühl bekommt wie groß das Netzwerk ist. Ich finde es total spannend, was die so machen, welche Themen in ihren Ländern auf der Agenda stehen. Und Punkt zwei: Ich empfinde es als schöne Aufgabe, so etwas wie der Botschafter für das Land zu sein, in dem ich arbeite.
Seit Beginn der Gas- und Energiekrise stehen die Öl-Staaten wieder im Blickpunkt. Spüren Sie dieses neue Interesse auch für Saudi-Arabien?
Ja, das spüren wir auch hier in der AHK definitiv. Die Unternehmen sind auf der Suche nach neuen Absatzmärkten. Saudi Arabien bietet neben dem Energiesektor viele neue Absatzmöglichkeiten im Rahmen der Transformation (Vision 2030) des Landes. Es gibt generell ein großes Interesse an der Region, welches ich auch in den heutigen Gesprächen feststellen konnte.
Was verursacht neben dem Öl dieses Interesse?
Die Unternehmen sehen: Das Land ist im Wandel – und sie wollen Teil dieses Wandels und Transformationsprozesses sein. Die Firmen fragen sich: Wie kann ich mit meinem Wissen zu dieser Veränderung beitragen? Welche neuen Geschäftschancen ergeben sich aus diesem Prozess?
Zum Beispiel wird der Tourismus und Unterhaltungssektor komplett neu aufgebaut. Im Gesundheitsbereich findet einer der weltweit größten Transformationen statt. Auch hier ist deutsche/bayerische Expertise gefragft.
Geht dieser Wandel in Richtung Klimaneutralität?
Ja, genau. Es geht um die grüne Transformation des Landes. Saudi Arabien baut eine Kreislaufwirtschaft auf und plant bis 2060 klimaneutral zu sein. Wir haben hier in Saudi-Arabien das gleiche Thema, das wir auch in Deutschland haben: Weg von der konventionellen Energie, den fossilen Brennstoffen, hin zur guten Energie aus den Erneuerbaren. Die Stichworte heißen mehr Windkraft und Solarstrom, die Entwicklung der Wasserstoff-Technologie. Das Land baut die weltweit größte grüne Wasserstoffanlagen
Ist denn Saudi-Arabien offen für das Mitwirken ausländischer Unternehmen und Investoren?
Ja, definitiv. Das „Made in Germany“ ist hier ganz hoch angesehen. Auch sind die Rahmenbedingungen für ausländische Investoren sehr attraktiv geworden.
Für welche Branchen bietet sich das Geschäft mit Saudi-Arabien an?
Natürlich alles, was mit Energie zu tun hat: Erneurbare Energien, Wasserstoff, Petrochemie etc. Dann die Baubranche. Das Land wird für seinen Wandel Riesen-Summen in seine Infrastruktur ínvestieren. Digitale Gesundheitswirtschaft biete ebenfalls Potential. Das erste digitale Krankenhaus wurde kürzlich eröffnet.
Wie aufgeschlossen sind Regierungsapparat und Verwaltung für bayerische Unternehmen? Kann man mit denen reden?
Ja, absolut. Die Bayersiche Repräsentanz an der Delegation in Riad ist ein Ausdruck des wirtschaftlichen Kooperationspotentials. Wir konnten im Frühjahr Staatssekretär Weigert mit einer Expertendelegation empfangen. Auch war der Besuch des Ministerpräsidenten geplant, der Covid bedingt abgesagt werden musste und hoffentlich nachgeholt wird. Ich bin seit zwei Jahren im Land und bekomme hautnah mit, wie sich das Land wandelt. Ich sehe für Saudi-Arabien ganz großes Zukunftspotenzial.
Vorträge zum Download
- Welche Auswirkungen hat der RU-UA Krieg auf die zoll- und exportkontrollrechtliche Praxis im Unternehmen? Johanna Wegner, IHK für München und Oberbayern
- Lieferketten in der Krise - Achim Haug, Germany Trade & Invest
- Was kann ich von meinem Netzwerk lernen? Visualisierung von Lieferketten - Alexander Zeisler und Matthias Winter, Projekt Lognetz
- Digital im Ausland Einkaufen: Wie geht das, und was bringt es? Dr. Christian Neugebauer, IHK für München und Oberbayern
- Google & Co: Warum maschinelle Übersetzungen Risiken für Ihr Unternehmen bergen können - Ralf Lemster, Bundesverband der Dolmetscher und Übersetzer e.V. (BDÜ)
- Am Puls der Zeit: Absicherung und Digitalisierung der Wertschöpfungskette als Dreh- und Angelpunkt - wichtiger denn je! Christopher Liebig, UniCredit Bank AG
- Auf den Punkt gebracht: Förder- und Finanzierungsprogramme im Elevator Pitch, IHK, Bayern International, Euler Hermes, giz, Stadtsparkasse München
- Exportchancen vor der Haustür – Österreich als Einstieg ins internationale Geschäft, Nicolas Buschke und Ulrich Schlick, AHK Österreich
- Digitalisierung des Aval-Geschäfts: Deutsche Bank und DVS, gemeinsam die Zukunft gestalten Karin Sollena, Deutsche Bank AG
- Mit E-Commerce auf Auslandsmärkten Verkaufen: Tipps und Tricks für Einsteiger - Dr. Georg Wittmann, ibi research GmbH