IHK Studie

Benchmarking - Digitalisierung in Deutschland

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Das ifo-Institut ist im Auftrag der IHK für München und Oberbayern der Frage nachgegangen, wo Deutschland bei der Digitalisierung im internationalen Vergleich steht.

Inhalt

Digitalisierung: Deutschland im Mittelmaß

Die Digitalisierung treibt unternehmerische Innovation, Produktivität und Wirtschaftswachstum. Zunehmend hängt die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen und dem Standort davon ab, wie gut es gelingt, die Chancen der Digitalisierung zu nutzen, Manche Länder und Branchen nehmen dabei regelmäßig Spitzenplätze ein – andere hinken hinterher.

Im internationalen Vergleich zeigt Deutschland bei den betrachteten Schlüsselfaktoren der Digitalisierung eine deutliche Tendenz zum Mittelfeld – mit Ausschlägen nach oben und unten. Damit Deutschland ein führendes Innovationsland bleibt, muss die neue Bundesregierung die notwendigen Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche digitale Transformation setzen. Dabei geht es nicht um eine aktive Industriepolitik, sondern vielmehr um die Rahmenbedingungen und Voraussetzungen für digitale Geschäftsmodelle. Die öffentliche Hand sollte dringend ihr Angebot nutzerfreundlicher digitaler staatlicher Serviceleistungen für Unternehmen ausbauen.

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Schlüsselfaktoren der Digitalisierung

Die Studie betrachtet sie ein breites Spektrum an Indikatoren und Schlüsselfaktoren, die Einfluss auf den Grad der Digitalisierung nehmen.

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Von Daten zu digitalen Technologien

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Abbildung 1: Datenproduktion und -nutzung sowie deren Bedeutung für die Wirtschaft, 2020

Als Innovationsland ist Deutschland bei Patenten in digitalen Schlüsseltechnologien zwar sichtbar, fällt jedoch insbesondere bei der Umsetzung in marktfähige Geschäftsmodelle stark ab. Von Daten wie auch von digitalen Technologien scheint Deutschland mit seinen industriellen Stärken nur indirekt als Zulieferer und Abnehmer der Datenproduzenten zu profitieren. Dagegen ist Deutschlands Rolle als Datenproduzent und intensiver Datennutzer vergleichsweise wenig ausgeprägt.

Handlungsempfehlung:

  • Ausschöpfen der Nutzungsmöglichkeiten von und rechtssicheres Arbeiten mit Daten ermöglichen um digitale Geschäftsmodelle zu fördern.

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Größe des IKT-Sektors

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Abbildung 2: Größe des IKT-Sektors - gemessen an der Bruttowertschöpfung

Dies zeigt sich auch am relativ kleinen IKT-Sektor - gemessen an der Bruttowertschöpfung ebenso wie beim Beschäftigungsanteil.

Handlungsempfehlung:

  • IKT-Sektor als Motor der Digitalisierung stärker in den Fokus rücken.

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Sinkende Gründungsrate im IKT-Sektor

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Abbildung 3: Entwicklung der Gründungsrate in Deutschland

Zentraler Schwachpunkt für digitale Innovationen ist jedoch die niedrige und seit Jahren rückläufige Gründungsrate. So ist die Anzahl der Unternehmensgründungen im IKT-Sektor seit 2008 in Deutschland sogar gefallen, während sie im EU-Durchschnitt zumindest stagniert.

Handlungsempfehlungen:

  • Um die Gründungen langfristig zu steigern, muss eine Gründungsmentalität geschaffen werden. Hier sollte schon in Schulen angesetzt werden.
  • Die Rahmenbedingungen für Gründungen müssen verbessert, Bürokratie und Regulierung von Start-ups verringert und der Zugang zu Venture Capital für Start-up- und Wachstumsphase verbessert werden.

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Plattformbasierte Geschäftsmodelle

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Abbildung 4: Die erfolgreichsten Plattformen der Welt

Die größten und kommerziell erfolgreichsten digitalen Plattformen sind in den USA und dem asiatisch-pazifischen Raum angesiedelt. Deutsche und europäische Plattformunternehmen spielen eine vergleichsweise untergeordnete Rolle. Sie haben aber insbesondere dann Erfolgschancen, wenn sie sich auf lokales Wissen über Regulierung und Märkte, auf Branchen, Produkte oder Marktnischen spezialisieren.

Handlungsempfehlungen:

  • Der politische Fokus sollte auf der Schaffung neuer Wachstumschancen für spezialisierte Plattformen liegen.
  • Dabei sollte der Regulierungsrahmen die ausgeprägte Individualität des jeweiligen Geschäftsmodells als ein entscheidender Wettbewerbsvorteil junger digitaler Geschäftsmodelle gegenüber etablierten Wettbewerbern berücksichtigt werden.
  • Hierfür braucht es einen europäisch einheitlichen Ordnungsrahmen ohne national unterschiedlichen Regeln beispielsweise beim Verbraucher- oder Datenschutz sowie bei Finanzmarktregelungen.

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Digitale Kompetenzen

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Abbildung 5: Anteil der Unternehmen, die IKT-Fachkräfte beschäftigen (2019)

Bei den digitalen Kompetenzen liegt Deutschland im internationalen Vergleich im Mittelfeld. Bei den grundlegenden Anwendungskompetenzen schneidet Deutschland noch recht gut ab, bei den Spitzenkompetenzen, die für das Vorantreiben der Digitalisierung benötigt werden, fällt Deutschland jedoch deutlich zurück. So liegt Deutschland mit 39 % der Personen mit weitergehenden digitalen Kenntnissen im Land deutlich hinter dem Spitzenreiter Island mit 62%. Bei der Nutzung der Kompetenzen von IKT-Fachkräften in Unternehmen liegt Deutschland mit 19 % sogar unter dem europäischen Durchschnitt (20%).

Deutschland liegt auch bei den Schülern/-innen im internationalen Vergleich nur im Mittelfeld. Das bedeutet, dass sich allein durch ein Nachrücken der Jüngeren auf den Arbeitsmarkt die Position Deutschlands im internationalen Vergleich nicht verbessern wird. Ein Grund dafür liegt sicherlich in den Defiziten bei der IKT-Ausstattung in den Schulen und fehlenden Kompetenzen bei den Lehrkräften. Möglicherweise könnte mehr Kontakt mit IKT in den Schulen mehr Abiturient/-innen dazu bewegen, sich im Bachelorstudiengang für ein Studienfach im Bereich IKT zu entscheiden.

In der betrieblichen Weiterbildung haben 32% der Unternehmen in Deutschland Maßnahmen zur Erweiterung und Vertiefung der IKT-Fertigkeiten ihres Personals durchgeführt. Im Spektrum zwischen 6% (Rumänien) und 44% (Norwegen) liegt Deutschland liegt damit relativ weit vorne. Allerdings hat sich dieser Wert seit 2014 kaum verändert.

Handlungsempfehlungen:

  • Der Ausbau digitaler Kompetenzen in Schule, Berufsausbildung, Studium, Weiterbildung sowie der öffentlichen Verwaltung ist essenziell für die Teilhabe aller an den positiven Auswirkungen der Digitalisierung.
  • Um zu den europäischen Spitzenreitern aufzuholen, ist ein Fokus auf den Ausbau der fortgeschrittenen digitalen Kompetenzen notwendig.
  • Weiterbildungsbereitschaft für den Aufbau digitaler Kompetenzen bei Mitarbeitern und Unternehmen stärken.

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Einstellung zur Digitalisierung

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Abbildung 6: Bereitschaft Daten zur Verbesserung öffentlicher Dienste zu teilen

Die Einstellung zur Digitalisierung und neuen Technologien ist in Deutschland grundsätzlich positiv und die Vorteile werden – insbesondere für die Wirtschaft, jedoch weniger für sich selbst oder die Gesellschaft - gesehen.

Die Sorge um ihre personenbezogenen Daten und der Wunsch nach restriktiverem Datenschutz übersteigt jedoch die der meisten anderen Europäer/-innen.

Allerdings entstehen gerade durch die systematische Nutzung von Daten, z.B. für die Optimierung von Produktions- und Verwaltungsprozessen oder für neue Geschäfts- und Arbeitsmodelle, große Wachstumspotenziale der Digitalisierung.

Handlungsempfehlungen:

  • Wissen um und Nutzen neuer Technologien durch niedrigschwellige Diskurs- und Informationsangebote vermitteln.
  • Bei der Entscheidung, wie restriktiv Datenschutz gehandhabt werden soll, sollten auch die Kosten berücksichtigt werden, die aus entgangenen Chancen für neue Geschäftsmodelle, effizientere Prozesse oder verbesserten öffentlichen Dienstleistungen entstehen. Es bedarf dringend einer öffentlichen Auseinandersetzung, wie weit Datenschutz gehen sollte und wie ein wachstumsfreundliches Datenschutzregime aussehen könnte.

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Digitale Infrastruktur

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Abbildung 7: Anteil der Haushalte, die mit Hochleistungsnetzwerken abgedeckt sind.

Bei der digitalen Infrastruktur besteht einerseits ein Angebotsproblem - insbesondere bei den leitungsgebundenen Gigabit-Netzen. Hier liegt Deutschland im EU-Vergleich deutlich unter dem Durchschnitt.

Es existiert allerdings auch ein Nachfrageproblem: Wo leitungsgebundene und mobile Internetanschlüsse verfügbar sind, wird ihr Potential oft nicht ausgeschöpft und schnelles Internet nicht nachgefragt. Bei Glasfaserverfügbarkeit nutzten im Jahr 2020 in Deutschland nur 37% der Haushalte den Anschluss. Gründe hierfür scheinen die hohen Preise, fehlende digitale Angebote und niedrigerer Digitalisierungsgrad in Unternehmen und Haushalten zu sein.

Handlungsempfehlungen:

  • Die digitale Infrastruktur soll ambitioniert weiter ausgebaut (Gigabit-Netze, 5G) werden.
  • Wenn der Infrastrukturausbau wie bisher vorrangig privatwirtschaftlich stattfinden soll, muss die Zahlungsbereitschaft für leistungsfähige Anschlüsse steigen, der Nutzen durch überzeugende Angebote besser vermittelt und die grundlegende Digitalisierung gestärkt werden.
  • Förderprogramme sollen stärker nach Nachfrage ausgerichtet werden, z.B. über „Voucher-Systeme“ für Unternehmen.

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E-Government

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Abbildung 8: Indizes und Sub-Indizes der Vereinen Nationen, der OECD und der Europäischen Union, welche die E-Government-Aktivitäten eines Landes messen

Im E-Government schneidet Deutschland durchweg unterdurchschnittlich ab.

Nachholbedarf wird vor allem bei der Nutzerfreundlichkeit der digitalen Verwaltungsangebote gesehen. Angebote sind nicht ausreichend bekannt und werden – wo vorhanden - kaum genutzt. Für eine Bürokratiekosten sparende einmalige Eingabe von Daten nach dem Once-Only-Prinzip fehlt noch der zwischenbehördliche Datenaustausch, der durch die förderalen Strukturen erschwert wird. Zur Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes für digitale Verwaltungsleistungen erwartet der Normenkontrollrat keine rechtzeitige Umsetzung bis 2022 mehr. Deutschland liegt bei digitalen Verwaltungsangeboten für Unternehmen bestenfalls im Mittelfeld und hat hier hohen Nachholbedarf.
Aktuell gibt es in Deutschland bei digitalen Transformationsprozessen wenig Entscheidungs-kompetenz. Zusammen mit den föderalen Strukturen wird dadurch ein einheitliches Vorgehen bei digitalen Transformationsprozessen verhindert.

Handlungsempfehlungen:

  • Digitales Verwaltungsangebot nutzerorientiert und zügig ausbauen und das Onlinezugangsgesetz konsequent und fristgerecht umsetzen.
  • Unternehmen als Power-User in den Fokus stellen.
  • Für Digitalisierungsvorhaben müssen die Entscheidungskompetenzen im föderalen System gestärkt werden.
  • Um den Austausch zwischen den Verwaltungen der Kommunen und denen der Länder sowie zu den Bürger/-innen und Unternehmen zu erleichtern, braucht es Standards, Schnittstellen, Basiskomponenten und Portale über die föderalen Strukturen hinweg.
  • Digitale Kompetenzen müssen in der öffentlichen Verwaltung gestärkt werden.
  • Das Potenzial innovationsorientierter Beschaffung muss besser genutzt und vereinfacht werden.

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