IHK-Vollversammlung: Akzeptanz für Europa erhöhen

Mehr Engagement für Europa – diese Forderung zog sich durch die Sitzung der Vollversammlung. Der bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger sprach sich gegen eine europäische Steuergesetzgebung oder Sozialversicherung aus, plädierte aber für Harmonisieriung. Die Vollversammlung sprach sich unter anderem für eine Flexibilisierung der Arbeitszeit aus.

Hubert Aiwanger für Erleichterung bei Ladenöffnungszeiten am Sonntag

„Das ist nicht mein Europa, das ich mir wünsche“, kommentierte Aiwanger die Diskussion um eine europäische Steuergesetzgebung. Die Länder sollen nach seiner Auffassung über die Finanzen selbst bestimmen können. Dies sei auch notwendig, um die Akzeptanz für Europa zu erhalten. Notwendig sei jedoch in der Steuerpolitik eine Harmonisierung. „Die Endlosspirale nach unten bei den Steuern können wir in Deutschland nicht mitmachen“, so Aiwanger.

Zum Brexit meinte er, ein NoDeal wäre für bayerische Unternehmen ein Desaster. Als Schuldigen für den Brexit verortete Aiwanger die „chaotische Flüchtlingspolitik“ im Jahre 2015. Hier müsse Europa liefern, um die Staaten im Boot zu halten. Er plädierte dafür, den Osten wieder mehr für die bayerische Wirtschaft zu entdecken.

Wirtschaft und Politik müssen laut Aiwanger an einem Strang ziehen, um bei Innovation und Digitalisierung vorne mit dabei sein. „Wenn wir das nicht gemeinsam hinbekommen, Sie als Unternehmen und wir als Politik, dass wir an der Spitze sind und die besten Roboter haben, dann haben wir das Spiel verloren.“ Dass durch Digitalisierung Arbeitsplätze verloren gehen, sieht Aiwanger als Chance, denn nach den freiwerdenden Arbeitnehmern würde an anderer Stelle „gelechzt“.

Der bayerische Wirtschaftsminister sprach sich für mehr verkaufsoffene Sonntage in Bayern ein. Es müsse mindestens möglich sein, in einer Gemeinde drei Mal im Jahr ohne besonderen Anlass sonntags zu öffnen, am besten sogar vier Mal. Wer sich hier auf die reine Lehre versteife und auf Ladenöffnung sonntags ausschließlich verbunden mit einem besonderen Anlass erlaube, riskiere, dass am Ende die Einzelhandelgeschäfte schließen müssen.

In der Fragerunde waren die Grenzkontrollen zu Österreich ein Thema. Irene Wagner, Vorsitzende des IHK-Regionalausschusses Berchtesgadener Land, betonte, dass die Wirtschaft die Grenzkontrollen als reine Zumutung empfinde. Obwohl nur wenige Personen an der Grenze aufgegriffen werden, sieht Aiwanger hier die Notwendigkeit, zwischen Sicherheit und Freiheit abzuwägen. Er versprach, sich des Themas bei Innenminister Joachim Herrmann anzunehmen.

IHK-Vollversammlung spricht sich für Flexibilisierung bei Arbeitszeit aus

Wenig Verständnis hat die IHK-Vollversammlung für das Entsendeformular A1. „Selbst wenn Sie nur eine Messe besuchen oder im Ausland tanken, müssen Sie als Unternehmer das Formular mit sich führen“, betonte IHK-Hauptgeschäftsführer Manfred Gößl. Zwar sei der Hintergrund, nämlich zu kontrollieren, ob Beschäftigte sozialversichert sind, verständlich und richtig. Das Vorgehen bezeichnete er aber als „Wahnsinn“. IHK-Vizepräsident Detlef Dörrié berichtete, das Formular könne zwar online beantragt werde, das Papier komme dann ausgedruckt mit Stempel nach einer Woche an. Die IHK wird sich, so Gößl, wird für einen Vollzug mit Augenmaß einsetzen. Dazu gehöre die Möglichkeit, das Formular einfach und länderübergreifend online beantragen zu können.

Einstimmig verabschiedete die IHK-Vollversammlung unter anderem eine Position zur Flexibilisierung der Arbeitszeit. Die Wochenarbeitszeit solle auf 48 Stunden festgelegt werden, die flexibel verteilt werden können. Im deutschen Arbeitszeitrecht sollen die innerhalb der Vorgaben der EU-Arbeitszeit-richtlinie vorhandenen Spielräume zur Flexibilisierung der Arbeitszeit genutzt werden. Daher soll die Begrenzung der täglichen Arbeitszeit auf 8 bzw. 10 Stunden gestrichen und stattdessen eine wöchentliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden festgeschrieben werden. Es sollen auch Überschreitungen möglich sein, wenn innerhalb von 4 Monaten eine durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit von 48 Stunden nicht überschritten wird.

Die IHK-Vollversammlung sprach sich einstimmig für den Bau eines drittes und viertes Gleises im Inntal aus, mit denen der Brenner-Basistunnel im Nordzulauf angebunden werden soll. Landes- und Bundespolitik müssten zügig die Rahmenbedingung für die Realisierung der Gleise schaffen. Dabei müsse darauf geachtet werden, dass die Beeinträchtigungen der Bevölkerung in der Region bei Bau und Betrieb durch geeignete Maßnahmen z. B. für Lärmschutz so gering wie möglich gehalten werden.

In ihrem Positionspapier zur Künstlichen Intelligenz setzt sich die IHK dafür ein, die Akzeptanz für diese Technologie zu erhöhen. Dazu gehöre, das Wissen in allen Bevölkerungsschichten zu verankern. Zugleich müsste die Fachexpertise gestärkt werden. Die IHK-Vollversammlung hält es für besonders wichtig, den Einsatz von KI im Mittelstand zu unterstützen. Dafür seien Wissenstransfer, Beratung und Information wichtige Ansatzpunkte.