Vollversammlung: Große Koalition sendet widersprüchliche Signale

Die Vollversammlung läutete das Jubiläumsjahr zum 175jährigen Bestehen der IHK ein. Zentrales Thema war die Einschätzung der Pläne der Großen Koaltion. Die Vollversammlung verabschiedete eine Studie zur Zuwanderung.

Vollversammlung sieht Großer Koalition mit gemischten Gefühlen entgegen

Widersprüchliche Signale sendet, so IHK-Präsident Eberhard Sasse, der Koalitionsvertrag der Großen Koalition. Positiv seien die geplanten Investitionen in bessere Bildung und Digitalisierung. Als größten Schwachpunkt bezeichnet er den Verzicht auf Steuerentlastungen für Unternehmen wie Arbeitnehmer. Unternehmerische Kräfte müssten beflügelt, nicht ausgebremst werden. "Deswegen sind mittelstandsfeindliche Regelungen wie zur befristeten Teilzeit der falsche Weg. "

In einer Umfrage unter Vollversammlungsmitgliedern haben 60 Prozent Bedarf an Fachkräften aus Nicht-EU-Ländern gemeldet. Die geplante Einschränkung der sachgrundlosen Befristung im Arbeitsrecht ist nach der Umfrage für 57 Prozent ein Problem. Als weniger kritisch wird das Vorhaben gesehen, die mehrmalige Befristung von Arbeitsverträgen einzuschränken.

Als Zeuge für die Bedeutung von Befristungen sprach Klaus Dittrich, Chef der Messe München. Dort beträgt der Anteil der Teilzeitbeschäftigten 23 Prozent, zudem ist die Arbeitsauslastung extrem schwankend. Als besondere Herausforderung nannte er die gesetzliche zulässige Höchstarbeitszeit pro Tag von 10 Stunden. "Wir würden uns mehr Flexibilität wünschen."

Problematisch findet Andrea Stellwag, dass nur tarifgebundene Unternehmen von Öffnungsmöglichkeiten im Arbeitsrecht profitierten. Bei ihrem Unternehmen Consol sei dies nicht der Fall. Positiv nannte sie das Vorhaben, digitale Arbeit 4.0 und mobiles Arbeiten zu erleichtern. Jedoch gebe es insgesamt zu wenig Änderungspotenzial. "Arbeit 4.0 kann nicht mit Arbeitsgesetzen aus dem letzten Jahrtausend gemeistert werden," betonte Andrea Stellwag.

Vizepräsident Georg Dettendorfer ging auf das Planungs- und Baubeschleunigungsgesetz ein. Als eines der größten Probleme identifizierte er, dass den Planungsabteilungen die Fachkräfte fehlten. Alle Zusagen der Großen Koalition zur Baubeschleunigung gelten nur für Projekte von überragendem Interesse. Damit würde kleineren, aber genauso notwendigen Vorhaben nicht geholfen. Die Vollversammlung verabschiedete einstimmig die Position zum Baubeschleunigungsgesetz.

Vollversammlung verabschiedet Positionen zu Mindestausbildungsvergütung und Zuwanderung

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Thomas Kürn, Bereichsleiter Bildung der IHK

Abbruchquote von Azubis

"Jeder vierte Lehrling wirft hin" - diese Schlagzeile in der Süddeutschen Zeitung rückte Thomas Kürn, IHK-Bereichsleiter Bildung, zurecht. Sie stelle die Realität nicht dar. Jeder vierte Azubi löse seinen Ausbildungsvertrag, damit ist noch lange nicht gesagt, dass er aus dem System der Dualen Ausbildung ausscheide. In vielen Fällen suche er sich einen anderen Ausbildungsbetrieb oder wechsle den Beruf. Es gebe auch nicht wie behauptet eine direkte Verbindung zwischen Ausbildungsvergütung und Abbrecherquote. Kürn wies darauf hin, dass 30 Prozent der Studenten ihre Hochschulausbildung abbrechen und tatsächlich ohne Abschluss dastünden.

Die Vollversammlung sieht eine Mindestausbildungsvergütung sehr kritisch und verabschiedete einstimmig folgende Position.

  • Die Regelung einer Mindestausbildungsvergütung darf das Ausbildungsengagement, insbesondere kleinerer und mittlerer Unternehmen, nicht gefährden. Bei der Festsetzung der Höhe der Mindestausbildungsvergütung müssen daher die wirtschaftlichen Belange der Ausbildungsbetriebe angemessen Berücksichtigung finden.

Vollversammlung plädiert für kontrollierte Zuwanderung

Die Unternehmen brauchen kontrollierte Zuwanderung. Darüber war sich die Vollversammlung einig. Wie Georg Dettendorfer berichtete, rekrutiert das Verkehrsgewerbe Fahrer aus dem Ausland. "Wir brauchen diese Leute", unterstrich er. Man müsse allerdings den Berufszugang so schnitzen, dass er für diese Leute auch erreichbar sei.

Die Anregung, bei den Ausbildungsprüfungen den Jugendlichen aus dem Ausland mehr Zeit zu lassen, stoße aber auf rechtliche Hürden. Der "Nachteilsausgleich", der beispielsweise Legasthenikern mehr Zeit einräume, stelle auf eine Behinderung ab. Deshalb erhalte die IHK, so Thomas Kürn, von den Aufsichtsbehörden kein Go für verlängerte Prüfungszeiten für Azubis mit Migrationshintergrund.

Die Vollversammlung verabschiedete einstimmig die Position zur qualifizierten Zuwanderung.

Datenschutzgrundverordnung brennt den Unternehmen auf den Nägeln

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Datenschutzexperte Klaus Foitzick

Klaus Foitzick, Vorstand der activeMind AG Technologie- und Managementberatung, legte den Unternehmen nahe, sich um die Umsetzung der Datenschutzgrundverordnung DSGVO zu kümmern. So gut wie jeder Mitarbeiter in einem Unternehmen arbeite mit personenbezogenen Daten, schon alleine, wenn er per E-Mail kommuniziere. Hier sei beispielsweise zu klären, wann welche E-Mails gelöscht würden.

Die Regeln seien nebulös, die Strafen jedoch nach dem 25. Mai 2018 deutlich höher als bisher. Jedes Unternehmen müsse Rechenschaft darüber ablegen können, wo mit welchen Daten warum und wie umgegangen werde. Dafür sei ein Managementsystem erforderlich.

Mit der Vollversammlung im April 2018 wurde das Jahr zum 175jährigen Jubiläum der IHK eingeläutet. DIHK-Präsident Erich Schweitzer betonte die Bedeutung ehrenamtlichen Engagements und hob die Rolle der IHK in der deutschen Kammerlandschaft hervor. Eberhard Sasse skizzierte die Geschichte der Kammer. Grundlage der IHK sei das vielfältige und freiwillige Engagement der Unternehmer. Die freie und ‎demokratisch legitimierte Selbstverwaltung der ‎gewerblichen Wirtschaft lebe davon, dass sich ‎Unternehmer und Unternehmensvertreter in die ‎Pflicht nehmen lassen und sich aktiv einbringen. Hier wird ein außergewöhnlicher Aufwand von ‎Unternehmern für Unternehmen betrieben, von ‎dem die Wirtschaft, aber auch der Staat in hohen ‎Maße profitiert. So funktioniert das Prinzip der ‎‎„Solidargemeinschaft“ in seiner besten Form.‎

Gefeiert wird das Jubiläum unter dem Motto "Ideen haben Kraft".