Bayerische Konjunkturumfrage Jahresbeginn 2019

Politik gefährdet Boom

Die bayerische Wirtschaft startet mit gedämpftem Optimismus ins Jahr 2019. Der BIHK-Konjunkturindex sinkt zu Jahresbeginn um 3 Zähler auf 128 Punkte. Dies ist das Ergebnis der Umfrage der bayerischen IHKs unter 3.800 Unternehmen.

Inhalt

Konjunktur in Bayern: Wirtschaftspolitische Risiken nehmen zu

Die bayerische Wirtschaft startet mit gedämpfter Stimmung ins Jahr 2019. Der BIHK-Konjunk-turindex sinkt zu Jahresbeginn um 3 Zähler auf 128 Punkte. Im langfristigen Vergleich herrscht bei den Unternehmen zwar immer noch eine überdurchschnittlich gute Stimmung, doch das Fundament des Booms aus 2018 wackelt: Außenpolitische Risiken wie der Brexit, internationale Handelskonflikte sowie eine Abkühlung wichtiger Auslandsmärkte, wie insbesondere China, belasten die bayerischen Exporteure. Obwohl steigende Einkommen, sichere Arbeitsplätze, niedrige Zinsen und gesunkene Ölpreise für ein gutes Konsumklima sorgen, ist auch das Inlandsgeschäft im Vergleich zum Jahresbeginn 2018 schwieriger geworden.

Die aktuelle Geschäftslage scheint noch in „bester Ordnung“ zu sein: 56 % der Betriebe sind mit ihrer Lage zufrieden, nur 6 % bezeichnen sie als „schlecht“. Die Bewertungen sind per Saldo nur moderat um drei Zähler auf 50 Punkte gegenüber Herbst gesunken und liegen lediglich fünf Zähler unter ihrem Rekordwert aus 2018.

Allerdings haben sich die Aussichten für die kommenden Monate im Vergleich zum Vorjahr spürbar eingetrübt: Mit 9 Punkten liegt der Saldo weniger als halb so hoch wie Anfang 2018. Aktuell rechnen noch 22 % der Betriebe mit mehr Geschäft, 13 % befürchten hingegen eine Eintrübung.

In Folge der hohen Unsicherheit gepaart mit schwächeren Wachstumsaussichten sinken die Investitionspläne auf den niedrigsten Stand seit drei Jahren. Der Arbeitsmarkt wird hingegen von dieser Eintrübung zunächst nur wenig spüren: 21 % der Unternehmen möchten Personal einstellen, nur 10 % Stellen streichen. Die Einstellungsbereitschaft bleibt im Vergleich zum Herbst annähernd gleich hoch.

Branchenkonjunktur in Bayern

Die bayerische Industrie tritt deutlich auf die Bremse. Trotz hoher Auslastung hat sich die Geschäftslage merklich eingetrübt: Binnen Jahresfrist ist der Saldo der Geschäftslage vom Rekordwert von 59 Punkten auf 46 Punkte gesunken. Aktuell bezeichnen 54 % der Betriebe ihre Geschäftslage als „gut“ und 8 % als „schlecht“. Im langfristigen Vergleich ist die Lage immer noch überaus gut, doch das Schwungrad der bayerischen Wirtschaft hat an Tempo verloren.

In den kommenden Monaten wird es mit reduzierter Geschwindigkeit weitergehen. 22 % der Unternehmen rechnen mit einer Belebung der Geschäfte, 14 % mit einer Eintrübung. Mit 8 Punkten liegt der resultierende Saldo spürbar niedriger als vor Jahresfrist mit 21 Punkten. Mit so wenig Optimismus ist die Industrie zuletzt 2013 ins Jahr gestartet.

Eine Reihe von Faktoren belastet die Geschäftsentwicklung massiv . So ist ein harter Brexit mittlerweile ebenso ein realistisches Szenario wie eine Zuspitzung von Handelskonflikten oder eine Eskalation der italienischen Schuldenkrise. Daneben klagen die Unternehmen über hohe Bürokratiebelastung und hohe Steuer- und Abgabenlast sowie fehlende wirtschaftspolitische Strategie der Bundesregierung und hohe Energiepreise. 51 % der Industriebetriebe sehen in den wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen ein Risiko. Der Wert ist damit so hoch wie noch nie seit Beginn der Abfrage 2012.

Diese hohe Risikobewertung gepaart mit schwächeren Geschäftsaussichten belasten die Investitionsbereitschaft. Im Vergleich zu den beiden Vorjahren sind die Planungen spürbar niedriger. Ebenfalls nach unten korrigiert haben die Industriebetriebe ihre Beschäftigungspläne: 22 % möchten zusätzliches Personal einstellen, 12 % müssen Stellen streichen.

Die bayerische Baukonjunktur läuft weiterhin auf hohem Niveau: 78 % der Betriebe sind mit ihrer aktuellen Lage zufrieden, nur 3 % sind unzufrieden. Allerdings berichten spürbar mehr Unternehmen über rückläufige Aufträge im Wohnungs- und Wirtschaftsbaus. Angesichts des nach wie vor recht hohen Auftragsbestands konnten die Unternehmen ihre Auslastung jedoch hoch halten.

Mit einer ähnlichen Entwicklung rechnen die Unternehmen in den kommenden zwölf Monaten: Zwar dominieren weiterhin die Betriebe, die mit einer stabilen Entwicklung (77 % erwarten eine gleichbleibende Geschäftsentwicklung) oder sogar mit weiterem Wachstum (15 %) rechnen. Eine Verschlechterung der Geschäftsentwicklung befürchten jedoch 8 % der Unternehmen. Dies sind so viele wie zuletzt vor drei Jahren. Im Segment des bisherigen Wachstumstreibers, dem Wohnungsbau, kalkulieren sogar erstmals seit rund fünf Jahren mehr Unternehmen mit einer sinkenden Nachfrage als mit einem weiteren Anstieg.

Größtes Risiko im Baugewerbe bleibt der Fachkräftemangel: 86 % der Bauunternehmen sehen darin ein Geschäftsrisiko. In den kommenden Monaten könnte sich die Situation etwas entspannen, weil die Einstellungsbereitschaft der Unternehmen etwas sinkt: Einen Beschäftigungsaufbau beabsichtigen derzeit 14 % der Unternehmen, zu Jahresbeginn 2018 waren es noch 20 %.

Im bayerischen Dienstleistungsgewerbe laufen die Geschäfte weiterhin sehr gut: 58 % der Unter-nehmen sind mit ihrer Lage zufrieden, nur 5 % unzufrieden. Mit 53 Punkten liegt der Saldo beider Anteile nur moderat unterhalb des Rekordwertes vom Herbst (57 Punkte) und annähernd auf dem Niveau Anfang 2018 (55 Punkte).

Etwas vorsichtiger blicken die Dienstleister auf die kommenden Monate. Im Vergleich zum Jahresstart 2018 zeichnet sich ein gemächlicheres Wachstumstempo ab: 23 % der Betriebe rechnen mit einer positiven Geschäftsentwicklung, weiterhin 11 % mit einer Eintrübung. Anfang 2018 lag der Saldo bei 19 Punkten. Das Dienstleistungsgewerbe bleibt konjunktureller Stabilisator.

Auch die Beschäftigungsplanungen der Unternehmen spiegeln dies wider: 25 % der Betriebe wollen zusätzliches Personal einstellen, 9 % Stellen streichen. Die Einstellungsbereitschaft bleibt damit auf dem hohen Niveau vom Herbst und übertrifft sogar den Wert vom Jahresbeginn 2018. Weiterhin erhebliche Sorgen bereitet den Dienstleistern der Fachkräftemangel: 62 % sehen hierin ein Geschäftsrisiko.

Zwischen den Branchen gibt es allerdings erheblich Unterschiede: Besonders zufrieden sind jene Unternehmen, die vom Bauboom profitieren, wie insbesondere Architektur- und Planungsbüros. Ebenso gut laufen die Geschäfte im Bereich der IT-Dienstleister. Demgegenüber hat sich die Geschäftslage im Bereich Verkehr und Lagerei erheblich eingetrübt. Hier haben sich die Rahmenbedingungen verschlechtert. Neben dem Fachkräftemangel (75 % nennen ihn als Risiko) haben sich die wirtschaftspolitischen Risiken zugespitzt:Die verschärfte EU-Regelung der Lenk- und Ruhezeiten, Dieselfahrverbote, Mauterhöhung, Grenzkontrollen sowie der drohende harte Brexit sorgen für Verunsicherung.

Steigende Einkommen, niedrige Zinsen und eine geringe Arbeitslosigkeit stützen den privaten Konsum und damit die Inlandsnachfrage. 49 % der Händler bezeichnen ihre Lage als „gut“, nur 8 % als „schlecht“. Per Saldo hat sich die Geschäftslage gegenüber Herbst von 37 auf 41 Punkte verbessert. Mit einem Saldo von 49 Punkten sind die Großhändler mit ihrer aktuellen Geschäftslage so zufrieden wie noch nie.

Die Händler können sich der hohen Unsicherheit sowie der schwächeren konjunkturellen Entwicklung in anderen Branchen nicht ganz entziehen. Sie blicken weniger optimistisch auf die kommenden Monate als zuletzt: 21 % der Händler rechnen mit einer weiteren Verbesserung ihre Geschäftsentwicklung, 15 % hingegen mit einer Eintrübung.

Vor allem der Einzelhandel hat seine Prognosen herabgesetzt: Erstmals seit sechs Jahren rechnen mehr Einzelhändler mit einer Eintrübung als mit weiterem Wachstum (Saldo -4 Punkte). Während die Einzelhändler hinsichtlich ihres Absatzes in Ladengeschäften bereits Umsatzrückgänge melden, haben sie ihre Erwartungen an den Online-Handel nun ebenfalls spürbar reduziert. Ein Grund könnte sein, dass die Einzelhändler angesichts eines insgesamt unsichereren konjunkturellen Umfelds eine nachlassende Konsumnachfrage der Verbraucher befürchten.

Demgegenüber blicken die Großhändler weiterhin optimistisch auf die kommenden Monate: 32 % rechnen mit einem Wachstum, 10 % mit einer Eintrübung. Dies sind ähnliche Prognosen wie noch im Herbst. Auch im Großhandel zeigt sich jedoch im Jahresvergleich eine spürbare Abkühlung: Während der Saldo der Erwartungen aktuell bei 22 Punkten liegt, betrug er vor einem Jahr noch 32 Punkte.

Risiken für die Konjunktur in Bayern

  • Fachkräftemangel bleibt das Risiko Nummer 1: 63 % der Unternehmen sehen hierin eine Belastung für ihr Unternehmen.
  • Wirtschaftspolitischen Risiken wird ein so hohes Gewicht beigemessen wie zuletzt vor zwei Jahren: 48 % der Unternehmen sehen hier Gefahren für ihr Geschäft.
  • Nachfragerisiken steigen auf den höchsten Stand seit zwei Jahren: Eine Eintrübung der Inlandsnachfrage sehen 41 %, eine Eintrübung der Auslandsnachfrage 17 % als Risiko an.

63 % der Unternehmen sehen im Fachkräftemangel ein Risiko für die Geschäftsentwicklung. Aufgrund der schwächeren konjunkturellen Entwicklung ist der Wert jedoch etwas gesunken. Auch die Arbeitskosten bleiben im Fokus der Unternehmen; mit 43 % der Nennungen sind sie das am dritthäufigsten genannte Risiko.

Annähernd auf den Rekordwert von 2017 ist Unsicherheit in Bezug auf die Wirtschaftspolitik angestiegen. 48 % der Unternehmen sehen die Rahmenbedingungen als Risiko an. Als Themen werden insbesondere die zu hohe Bürokratiebelastung, ein zu geringer Stellenwert der Wirtschaftspolitik, insbesondere was die besonderen Anliegen von kleinen und mittelgroßen Unternehmen betrifft, und eine im internationalen Vergleich hohe Steuer- und Abgabenlast genannt. Explizit nach einzelnen Risiken gefragt, nennen 49 % der Unternehmen Instabilitäten europäischer Mitgliedsländer als Risiko, 37 % sehen Protektionismustendenzen und jedes dritte bayerische Unternehmen nennt den Brexit als Risiko für sein Unternehmen.

Die fragilere konjunkturelle Entwicklung spiegelt sich ebenfalls in den Risikobewertungen wider: 41 % sehen in einer Eintrübung der Inlandsnachfrage eine Gefahr – dies sind 5 Prozentpunkte mehr als im Herbst – und 17 % bewerten eine Eintrübung der Auslandsnachfrage als realistisches Risikoszenario.

Forderungen der bayerischen Wirtschaft nach vorausschauender Wirtschaftspolitik

Die Politik hat es in den letzten Jahren versäumt, mit einer aktiven Wirtschaftspolitik die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands zu verbessern. Das Resultat: Im internationalen Vergleich hat der Standort Deutschland an Attraktivität verloren. Lange bürokratische Verfahren, hohe Energiepreise, steigende Lohnstückkosten, zunehmende Arbeitsmarktregulierungen und ein steuerpolitischer Stillstand seit über zehn Jahren haben die Wettbewerbsfähigkeit reduziert. Das deutsche Erfolgsmodell für den Arbeitsmarkt, die Agenda 2010, steht gleichzeitig auf dem Prüfstand der Politik.

Nun schließt sich das günstige Reformfenster. Hohe bürokratische Auflagen, die vor allem kleinen Unternehmen wichtige Kapazitäten entziehen, müssen abgebaut und zu hohe Steuern, Abgaben und politisch getriebene Energiepreise reduziert werden. Gleichzeitig muss der Aufbau der digitalen Infrastruktur beschleunigt und wichtige Verkehrsprojekte beherzt vorangetrieben werden. Ohne eine aktivierende Wirtschaftspolitik wird nicht nur der Abschwung schärfer, sondern es wird auch länger brauchen, bis Bayern wieder zurück zu höherem Wachstum findet.