Unternehmerinnen machen Schule
Weibliche Role-Models sind wichtig, um Mädchen und junge Frauen frühzeitig für die Selbstständigkeit und das Unternehmerinnentum zu begeistern. Im Rahmen der Initiative "Unternehmerinnen machen Schule" bekommen junge Menschen Einblicke in die Arbeit von Unternehmerinnen. Dabei werden sie ermutigt, irgendwann selbst den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen.
Das ist die Idee
Zu den Projekten des IHK-Ausschusses Unternehmerinnen gehört auch die Initiative „Unternehmerinnen machen Schule“. An ausgewählten Schulen besuchen Unternehmerinnen den Unterricht oder laden Schülerinnen in ihre Unternehmen ein. Sie begeistern fürs Unternehmerinnentum, indem sie ihr Unternehmen vorstellen und über ihre Erfahrungen als Unternehmerinnen berichten.
Damit soll die Idee der Selbstständigkeit schon frühzeitig platziert werden - durch weibliche Role-Models sollen insbesondere auch Mädchen und junge Frauen inspiriert werden. Für die jungen Mädchen wird so das Spektrum möglicher Berufe erweitert, was langfristig auch dem Wirtschaftsstandort gut tut: Denn mehr Unternehmerinnen machen einen Standort kreativer und erfolgreicher.
Sie kennen eine Schule, die mit uns dieses Projekt oder den nächsten Girls' Day unterstützen würde oder möchten sich selbst gern beteiligen? Dann melden Sie sich bei gabriele.lueke@muenchen.ihk.de
Lesen Sie zur Einstimmung unsere Berichte zu den Schulbesuchen weiter unten auf dieser Seite.
Erfahrungsberichte: Unternehmerinnen in Schulen
EINFACH LOSLEGEN UND MACHEN
Vor fünf Jahren hat Rosmarie Steiniger CHEMISTREE gegründet. Seitdem schreibt sie eine kontinuierliche Erfolgsgeschichte, an der sie als Role-Model rund 80 Schülerinnen und Schüler des Camerloher Gymnasiums in Freising teilhaben ließ.
„Wir bringen in Unternehmen die passenden Menschen zusammen. So wie Parship – nur nicht romantisch …“ Mit diesem Satz brachte Rosmarie Steininger, Gründerin und Geschäftsführerin der CHEMISTREE GmbH in München, ihre Geschäftsidee anschaulich auf den Punkt und hatte zugleich die Lacher und die Aufmerksamkeit des Publikums auf ihrer Seite. Rund 80 Schülerinnen und Schüler des Camerloher Gymnasium in Freising, alle im Alter zwischen 16 und 18 Jahren, waren der Einladung ihrer Lehrerin Katrin Westermeier und der IHK für München und Oberbayern gefolgt und wollten Steininger kennenlernen – dabei vor allem erfahren, was sie daran fasziniert, Unternehmerin zu sein. „Die Selbstständigkeit als berufliche Option kann gar nicht früh genug in die Köpfe der Jugendlichen, insbesondere der Mädchen gepflanzt werden“, betonte Elfi Kerschl, IHK-Referatsleiterin Fachkräfte, Weiterbildung, Frauen in der Wirtschaft und Initiatorin der Einladung: „Deshalb haben wir die Reihe ‚Unternehmerinnen machen Schule‘ entwickelt.“ Im Rahmen dieser Reihe besuchen Unternehmerinnen den Schulunterricht, erklären ihr Geschäftsmodell, beschreiben, was das Unternehmerinnentum ihnen bedeutet, was sie daran begeistert und wirken so als Role-Model für zukünftige junge Gründer – und vor allem eben auch Gründerinnen. „Aktuell werden in München und Oberbayern rund 30 Prozent der Unternehmen von Frauen geführt oder mitgeführt – da ist noch Luft nach oben“, unterstrich Kerschl.
Warum es gerade auch Mädchen zu ermutigen gilt und warum sie deshalb auch der Einladung der IHK immer wieder gern folgt, begründete Katrin Westermeier in ihrer Anmoderation: „Mädchen haben genauso viele Talente wie Jungen, glauben aber viel weniger an sie und damit auch an sich. Das hat eine der letzten Pisa-Studien ergeben – dies ist schade und versperrt den Mädchen Möglichkeiten und Chancen. Mit Unternehmerinnen, die ihre Geschichte erzählen, können wir hier ein Gegengewicht setzen und Vorbilder zeigen. “ Elfi Kerschl ergänzte: „Mit Rosmarie Steininger lernt ihr zudem eine Unternehmerin kennen, die überaus erfolgreich in einer Branche ist, die bislang immer noch männerdominiert ist – nämlich auf dem Feld der IT und der künstlichen Intelligenz.“
Und dann ging es auch schon los. Rosmarie Steininger erzählte zunächst ihren Werdegang: Nach der Schule lernte sie den Beruf der Fremdsprachenkorrespondentin, machte dann berufsbegleitend ihr Abitur nach und studierte Wirtschaftsinformatik zunächst in Regensburg, dann in London. In London jobbte sie zeitweise sogar im Unterhaus. Dass sie für den London-Aufenthalt ein Stipendium hatte, erwähnte sie ebenfalls – und empfahl diesen Weg der Finanzierung von Auslandsaufenthalten bzw. Bildungsabschnitten auch gleich den Jugendlichen. Zurück in Deutschland heuerte sie bei BMW an, begann dort, sich mit Big Data und Algorithmen zu beschäftigen, wechselte später in die BWM-eigene Eberhard von Kuenheim Stiftung. Im Jahr 2017 zog es sie schließlich in die Selbstständigkeit. Die Faszination für Big Data und Algorithmen wurden zur Grundlage der CHEMISTREE GmbH: „Wir bringen im beruflichen Kontext Menschen auf Basis der Daten zusammen, die sie uns zur Verfügung stellen: Mentoren und Mentees, Führungskräfte und neue Mitarbeiter und viele mehr.“ Die Kunden sind Universitäten, Unternehmen, Messen, Kommunen oder Netzwerke. „Wichtig ist uns, dass wir nach klaren, ethischen Regeln arbeiten: Wir sind komplett transparent, wir gestalten die Algorithmen so, dass sie die Wirklichkeit möglichst wenig verzerren, also frei sind von Vorfestlegungen sind, die Datenhoheit ist zu 100 Prozent bei den Teilnehmerinnen.“
Diese Geschäftsidee und Regeln kamen im Markt gut an – inzwischen beschäftigt Steininger schon mehr als 15 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Doch nicht nur ihr Erfolg bestätigte ihr, dass die Entscheidung für die Selbstständigkeit richtig war: „Ich schätze vor allen die Freiheit, die mir das Unternehmerinnentum gibt, ich gestalte frei, bestimme selbst, bin unabhängig.“
Offen erzählte Steiniger auch, wie sie arbeitet: „Ich habe die ersten Notizen zu meinem Unternehmen per Hand in einem Notizbuch gemacht.“ Bis heute schreibe sie die ersten Ideen zu neuen Projekten analog auf Papier auf. „Das hilft mir, das Projekt klarer zu strukturieren.“ Sie schätzt und realisiert flache Hierarchien, sie und ihre Beschäftigten arbeiten auf Augenhöhe. Was die besondere praktische Herausforderung an ihrer Arbeit ist, erklärte sie den Jugendlichen anhand der Kleiderschrank-Übung. Gemeinsam erarbeiteten sie, was alles in die Entscheidung einfließt, die Menschen morgen zu ihrer Kleidung treffen: von den Farbvorlieben über die Laune bis zum Wetter. „Daraus könnt ihr ableiten, mit wie viele Informationen ein Algorithmus gefüttert werden muss, bevor er uns einen weitgehend unverzerrten Vorschlag machen kann.“ Sie ergänzt: „Um treffsichere Matchings zu erreichen, braucht es also Informationen aus vielen verschiedenen Disziplinen: Psychologie, Soziologie, Ökonomie und vieles mehr. Es ist einer unserer wichtigsten Jobs bei Chemistree, für unsere Algorithmen möglichst umfassenden Input zu entwickeln und anzuwenden.“
Schließlich folgte die Nagelprobe: Wie viele von den anwesenden Jugendlichen sich denn ebenfalls eine Selbstständigkeit vorstellen könnten? Es zeigten erstaunlich viele Jugendliche auf – mit bereits klaren Vorstellungen wie „Ich studiere Landschaftsarchitektur und gründe dann meine eigene Firma“ oder „Ich will als Künstler arbeiten, das geht nur freiberuflich.“
Und nicht zuletzt konnten die Schülerinnen und Schüler auch noch viele Fragen an Rosmarie Steiniger loswerden:
Wie klappt es mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf? „Nicht zu gründen, nur weil man Kinder haben will, ist Quatsch. Wer eine gute Idee hat, sollte gründen – die Vereinbarkeit findet sich.“
Ist es Ihnen als Frau schwerer gefallen, Unterstützung zu bekommen? „Ja, bei einem Finanzierungspitch bekam ich den Zuschlag nicht, obwohl ich wie die 39 anderen Teilnehmer – die alle Männer waren – die Kriterien voll erfüllte. Wie ich auf Nachfrage erfuhr, haben die Jurymitglieder die technische Basis in meinem Geschäftsmodell schlichtweg nicht realisiert.“
Hatten Sie nie Angst, eine Quotenfrau zu werden? „Ich war tatsächlich mehrfach Quotenfrau, aber dadurch waren meine Arbeit und Leistung ja nicht weniger wert und nicht weniger wichtig.“
Das führte auch gleich zum Schlusswort: „Traut euch was zu, die Wirtschaft braucht euch, also lasst euch nicht abhalten, Mut zusammennehmen und los geht‘s.“
MIT DER BEGEISTERUNG ANSTECKEN
Um mehr Frauen für die Selbstständigkeit zu gewinnen, muss die Idee des Unternehmertums schon möglichst früh die Köpfe der jungen Mädchen gepflanzt werden. Die Unternehmerinnen Anna-maria Jansen und Rosie Schuster besuchen dafür als Role-Models Schulen und wecken so Neugierde auf die unternehmerische Tätigkeit.
Wollten Sie schon immer selbstständig sein? War die Unternehmensgründung kompliziert? Wie finden Sie Kunden? Dauerte es lange, bis Sie von Ihrem Unternehmen leben konnten? Wie vereinbaren Sie Unternehmen und Privatleben? Was tun, wenn Dinge nicht rund laufen? Treffsicher stellten die Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufe 11 des Camerloher-Gymnasiums in Freising der Unternehmerin Anna-Maria Jansen ihre Fragen. „Als ob sie tatsächlich eine Gründung planen“, beobachtet die Geschäftsführerin des Fitnessunternehmens Burning Balance in München. „Insbesondere die Mädchen haben intensiv nachgehakt. Es würde mich sehr freuen - und es wäre mein Ziel, wenn ich vor allem auch sie mit meiner Begeisterung für das Unternehmertum anstecken könnte. Denn es sollte noch viel mehr Unternehmerinnen geben.“
Die Selbstständigkeit als berufliche Option vorzustellen und damit die Palette der Berufsmöglichkeiten abzurunden, war die Idee hinter Jansens Besuchs. Rund 70 Schülerinnen und Schüler nahmen in der Aula des Gymnasiums unter Einhaltung der Abstands- und Hygieneregeln .teil. „Die berufliche Orientierung ist fester Bestandteil des Projektseminars, kurz P-Seminar, der gymnasialen Oberstufe, in dessen Rahmen auch ein Schülerunternehmen gegründet werden kann. Wir suchen dafür stets den Kontakt zur realen Wirtschaft, zu den Betrieben“, erklärt Lehrerin Katrin Westermeier (41). Die IHK unterstützt dabei und vermittelte mit Anna-Maria Jansen nun erneut eine Unternehmerin, um aus der Praxis zu erzählen. „Es ist uns sehr wichtig, immer auch weibliche Role-Models vorzustellen“, betont Westermeier. „Wir wollen den Mädchen und Jungen vielfältigste Berufsmöglichkeiten aufzeigen und dabei zugleich sowohl in Bezug auf die Berufswahl als auch auf die Selbstständigkeit Geschlechterstereotype hinterfragen und aufbrechen.“
Insbesondere Frauen zur Selbstständigkeit zu ermutigen ist auch ein wichtiges Ziel des IHK-Ausschusses „Unternehmerinnen“, erläutert Elfriede Kerschl, Leiterin des IHK-Referats Fachkräfte, Weiterbildung, Frauen in der Wirtschaft: „Aktuell werden rund 30 Prozent der oberbayerischen IHK-Unternehmen von Frauen geführt und mitgeführt. Hier ist noch Luft nach oben.“ Kerschl ist überzeugt: „Wir können gar nicht früh genug ansetzen, um die Idee der Selbstständigkeit in die Köpfe junger Frauen zu pflanzen. Die Schule ist der richtige Ort dafür.“ Deshalb organisiert Kerschls Referat, dass Firmenchefinnen Schulklassen besuchen oder diese einladen, um den jungen Leuten, insbesondere den Mädchen, die Idee und Attraktivität der Selbstständigkeit zu vermitteln – und dabei en passant zu belegen, dass Wirtschaft eben auch Frauensache ist.
Auch das Treffen in Freising hat das IHK-Referat arrangiert und mit Anna-Maria Jansen ein spannendes Rollenvorbild geliefert. Die 32-Jährige startete ihre selbstständige Karriere als Fotomodel, was ihr bald nicht mehr genügte. Sport- und Yoga-begeistert wie sie ist, gründete sie mit zwei Partnern die Burning Balance, die Firmenkunden mit Teamwettbewerben beim betrieblichen Gesundheitsmanagement unterstützt. Das Unternehmen legte einen erfolgreichen Start hin: „Ich, unser ganzes Team, wir haben für unsere Idee gebrannt, haben viel gearbeitet, vor allem genug Kunden von unserer Idee überzeugt - was ja das Wichtigste ist: Die Kunden müssen das Angebot annehmen.“ Jansen verhehlt aber auch die Kämpfe nicht: „Ich musste partiell erleben, dass ich als Frau zunächst weniger akzeptiert wurde als Männer. Und dann bremste uns Corona aus, denn Sport lebt von der persönlichen Begegnung.“ Statt sich unterkriegen zu lassen, absolvierten Jansen und ihre Partner unter anderem Fortbildungen, die auch Burning Balance nützen werden. „Ich selbst habe das Programmieren gelernt, ich fühlte mich immer begrenzt, wenn ich Programmierarbeiten anderen überlassen musste“, erläutert Jansen. „Nun kann ich es selbst und programmiere bereits neue Module für Burning-Balance; damit können wir unsere Kunden auch in Zeiten des Social Distancing bedienen.“ Aus diesen Erfahrungen generiert die Unternehmerin auch ihre wichtigste Botschaft an die Jugendlichen: „Von der Idee und dem Produkt begeistert sein, sich durch Rückschläge erst einmal nicht entmutigen lassen, sich und das Produkt aber zugleich auch immer kunden- und situationsgerecht weiterentwickeln – das macht die Selbstständigkeit aus. Es ist nicht immer einfach, aber doch faszinierend.“ Für die Mädchen rekapituliert sie: „Es passiert leider immer noch, dass Frauen nicht ernst genommen werden. Lasst Euch davon nicht einschüchtern, geht Euren Weg.“
Gymnasiastin Wiebke Klages (17) hat Anna-Maria Jansens Geschichte beeindruckt. Es sei wichtig gewesen, dass Jansen nicht nur die Erfolge, sondern auch die Widerstände thematisiert habe, sagt sie. Fehlende Akzeptanz als Frau, Rückschläge - das seien auch ihre Bedenken gewesen. „Ich nehme nun mit: Wenn Kunden das Produkt gut finden, lohnt es sich, sich zu trauen, zu starten, weiterzumachen, sich zu behaupten - auch gegen Vorurteile.“ Kann sie sich selbst eine Selbstständigkeit vorstellen? Für alle Fälle übt Wiebke Klages im Rahmen des bundesweiten Junior-Projekts des Instituts der deutschen Wirtschaft IW mit dem Schülerunternehmen Camtucho, in dem sie zweite Vorstandsvorsitzende ist, gerade in geschütztem Rahmen und unter vereinfachten Bedingungen unternehmerisches Handeln ein. Camtucho stellt aus gebrauchten Patronenhülsen Flaschenöffner her. „Die Idee zu finden, die Umsetzung zu organisieren, hat viel Spaß gemacht.“ Sie ist stolz: „Unser Produkt ist mehrfach nachhaltig - wir recyceln gebrauchtes Material und werden einen Teil des Erlöses an Kriegsgebiete spenden, um aus dem schlechten Bild der Patrone, einen positiven Gebrauchsgegenstand zu machen.“ Lob gab es auch von Anna-Maria Jansen: „Gute Idee - unbedingt weitermachen!“
Bereits vor der Corona-Pause empfing Rosie Schuster (55), Geschäftsführerin der Münchner Techcast GmbH, eine Schülerinnengruppe des Gymnasiums Kirchheim. Techcast produziert und streamt Kongress- und Vortragsvideos, Hauptversammlungen, Online-Events und -Fortbildungen und einiges mehr. „Es war mir wichtig, praktisches unternehmerisches Handeln sichtbar zu machen, das Faszinierende der Selbstständigkeit herauszuarbeiten“, erklärt sie ihre Motivation als Gastgeberin. Und auch sie wollte den jungen Frauen Mut machen: „Es kann auch schwierig sein – dennoch: Traut euch die Selbstständigkeit grundsätzlich zu, wenn sie euch anspricht! Ihr könnt das!“ Das kam offensichtlich an. Die begleitende Lehrerin Beate Birkedal (52) beobachtete: „Unsere Schülerinnen waren sehr fasziniert. Dass sie sich selbstständig machen können - diese Option werden sie nun immer als Option im Hinterkopf haben.“ Sie freut sich: „Wir wollten ihren beruflichen Horizont erweitern - das ist uns mit dem Besuch gelungen.“
ÜBUNG FÜRS LEBEN
Beate Mader, Unternehmerin aus Bad Tölz, besuchte im Rahmen der IHK-Initiative „Unternehmerinnen in Schulen“ im Mai die Grund- und Mittelschule Wolfratshausen. Sie erzählte den Schülerinnen und Schülern nicht nur begeistert von ihrer Selbstständigkeit, sondern gab ihnen auch praktische Tipps mit auf den Weg.
Wie lässt sich die Selbstständigkeit, insbesondere die Selbstständigkeit von Frauen voranbringen? „Indem wir sie immer wieder als spannenden Lebensentwurf bewerben“, betont Elfriede Kerschl, Leiterin des Referats Fachkräfte, Weiterbildung, Frauen in der Wirtschaft der IHK für München und Oberbayern. „Am besten wir beginnen schon in den Schulen, unternehmerische, dabei vor allem auch weibliche Role-Models zu präsentieren und darüber Lust aufs Unternehmerinnentum zu machen.“ Genau aus diesem Grund ist die IHK-Aktion „Unternehmerinnen in Schulen“ entstanden. Unternehmerinnen besuchen Schulklassen oder laden diese in ihre Unternehmen ein und berichten von ihrer Gründung und dem Betriebsalltag. „Aktuell werden 30 Prozent der Unternehmen in Oberbayern von Frauen geführt oder mitgeführt – da ist noch Luft nach oben. Wir hoffen, dass unsere Aktion langfristig dazu beiträgt, dass mehr Frauen gründen oder Unternehmen übernehmen.“
Beate Mader, die in Bad Tölz die Medienagentur VISION HOCH DREI gegründet hat, sagte sofort zu, als die IHK bei ihr anklopfte, ob sie in der Grund- und Mittelschule Wolfratshausen auftreten wolle. „Ich bin leidenschaftliche Unternehmerin und werbe gern für die Selbstständigkeit.“ Gleich zwei achte Schulklassen besuchte sie im Mai. „Es ist wichtig, dass junge Menschen die Option, selbstständig zu arbeiten, in ihrer Berufsplanung auf dem Schirm haben. Dazu müssen sie reale Unternehmerinnen und Unternehmer kennenlernen und erleben. Wie sollen sie sonst wissen, was Selbstständigkeit überhaupt ausmacht und warum sie toll ist.“ Sie sieht es ähnlich wie Elfriede Kerschl: „Da es für Mädchen noch immer weniger selbstverständlich ist, Unternehmerin zu sein, ist es besonders wichtig, dass viel weibliche Role-Models Schulen besuchen.“
Maders eigener Lebensweg ist für Mädchen und Jungen gleichermaßen ermutigend. „Ich habe immer schon gern kreativ gearbeitet. Nach einer Ausbildung als Dekorateurin habe ich dann in verschiedenen Unternehmen im Veranstaltungs- und Kommunikationsmanagement gearbeitet, schließlich für die Formel 1. Hier war die günstigere Variante, aus der Selbstständige heraus Projekte umzusetzen.“ Da sie schon vorher mit dem Unternehmerinnentum geliebäugelt hatte, machte sie Nägel mit Köpfen und gründete 2005 ein eigenes Unternehmen. Dabei hat sie ihre beruflichen Erfahrungen in der Dekoration und Kommunikation pfiffig zusammengeführt, denn beide Ansätze dienen dazu Produkte und Ideen bestmöglich zu präsentieren: „Heute helfe ich Unternehmen, sich authentisch nach außen zu präsentieren und größtmögliche positive Wirkung zu erzielen – insbesondere über Social Media.“
Zunächst machte die Schülerinnen und Schüler natürlich die Erwähnung der Formel 1 neugierig … Doch auch darüber hinaus hatten sie viele Fragen, denn ihre Lehrerin Monika Köglsperger und Lehrer Sebastian Stauder hatten die Klassen gut vorbereitet: Was fasziniert Sie an der Selbstständigkeit? Wie sieht ihr Arbeitstag aus? Was tun Sie genau, wenn Sie ein Unternehmen beraten? Machen Sie regelmäßig Mittagspause? Haben Sie Mitarbeiter? Was verdienen Sie? Arbeiten Sie im Homeoffice? Hilft Ihre Arbeit auch der Gesellschaft?
Geduldig und engagiert beantwortete Beate Mader alle Fragen: Die Faszination liege in der Unabhängigkeit: „Ich mache wirklich nur das, was ich kann und was mir Spaß macht, gestalte meinen Arbeitstag relativ frei. Das ist für mich ein ganz entscheidender Vorteil der Selbstständigkeit. Das heißt aber auch, dass ich Phasen mit sehr viel Arbeit, sehr vielen Terminen in Kauf nehme.“ Nein, sie arbeite nicht im Homeoffice, sondern von ihrem Coworkingspace aus – einer Bürolandschaft, in der sie selbst ihren Arbeitsplatz hat, in die sich aber auch andere Selbstständige einmieten können. Wie sie berät? Wichtiger Ausgangspunkt für ihre Tätigkeit seien Werte, für die ein Unternehmen oder ein Soloselbstständiger steht, erläutert sie. „Wer werteorientiert arbeitet, eine werteorientierte Haltung an den Tag legt, kann klarer und authentischer nach außen kommunizieren und ist erfolgreicher. Deshalb arbeite ich mit meinen Kund:innen zunächst die Werte heraus und entwickele dann die Idee, mit der wir das Unternehmen präsentieren. “ Mitarbeiter:innen habe sie keine, dafür ein großes Netzwerk an selbstständigen Partnerinnen und Partnern. Und klar – schon allein durch den werteorientierten Ansatz helfe sie auch der Gesellschaft. Und natürlich mache sie auch eine Mittagspause und verdiene auch genug, schmunzelt sie.
Beim Fragenbeantworten allein wollte Beate Mader es dann aber nicht belassen. Sie wollte den Schülerinnen und Schülern auch noch praktische Unterstützung mit auf den Weg geben. „Es geht in meinem Unternehmen ja um Kommunikation und Wirkung. Wirkung müsst Ihr aber auch bei Referaten, in Bewerbungsgesprächen oder später bei Präsentationen erzielen. Hierzu sind wohl gesetzte Pausen wichtig“, erklärte sie. Die Übung dazu: Wie stelle ich mich richtig vor? Indem ich aufstehe, kurz und noch schweigend in die Runde blicke, dann erst zu sprechen beginne, den Namen nenne, dann wieder kurz schweige, den imaginären Applaus entgegennehme und mich dann erst wieder hinsetze. Die Schülerinnen und Schüler haben fleißig geübt und „gemerkt, dass die anderen aufmerksamer wurden. Somit haben sie hoffentlich etwas für Leben gelernt“, sagt Mader. Auf jeden Fall haben sie eine tolle Unternehmerin und ein erfolgreiches Vorbild kennengelernt und wissen nun genauer, was Selbstständigkeit eigentlich ausmacht und warum sie so faszinierend ist.
DER REIZ DES HÖLLENRITTS
4. Auflage von „Unternehmerinnen machen Schule“ im Freisinger Camerloher-Gymnasium: Messe-Chefin Natascha Hoffner diskutiert mit den Macherinnen und Machern von Flammamia. Googeln lässt sich das Schüler-Unternehmen auch schon: Flammamia.
Das ist nicht nur ein nettes Wortspiel mit Abbas Mamma Mia. Hinter Flammamia steckt eine coole Geschäftsidee, die dem Zeitgeist entspricht. Flammamia. Das P-Seminar Wirtschaft des Camerloher-Gymnasiums in Freising hat ihre Geschäftsidee im Rahmen der IHK-Veranstaltung „Unternehmerinnen machen Schule“ vorgestellt.
Am 20. Juni gastierte die IHK mit diesem Format schon zum vierten Mal im „Camerloher“. Basis dieser engen Partnerschaft ist das Teamwork zwischen der Wirtschaftslehrerin Katrin Westermeier und Elfriede Kerschl, bei der IHK für München und Oberbayern Expertin für Fachkräfte und das Thema Frauen in der Wirtschaft.
Was beide zu dieser Zusammenarbeit motiviert, ist auch die Schieflage in der Gründerstatistik. 2022 lag das Verhältnis zwischen männlichen und weiblichen Gründern bei 80 zu 20 Prozent. Aus Sicht der IHK wird hier zu viel Potenzial verschenkt. Das Format „Unternehmerinnen machen Schule“ soll dazu beitragen, dass das nötige Umdenken schon bei den Schülerinnen beginnt.
Kerschl hatte für diese Mission Natascha Hoffner als „Role Model“ gewonnen. Eine gute Wahl, wie sich in der Diskussion mit den Schülern zeigen sollte. Hoffner kam ohne die Ich-erkläre-Dir-jetzt-mal-die-Welt-Attitüde aus, zu der Männer neigen. Sie erklärte einfach, wie es dazu kam, dass sie heute als Unternehmerin und im Ehrenamt dafür arbeitet, Frauen in der Wirtschaft voranzubringen.
Nun ist das Camerloher-Gymnasium, bekannt für seine musische Ausrichtung. Dank des Engagements Westermeiers beschäftigt man sich dort aber nicht nur mit Beethoven-Sonaten, sondern heute auch mit Start-up-Ideen. Westermeier leitet in der 11. Jahrgangsstufe ein „P-Seminar“, in der eine Gründung durchgespielt wird.
Dafür nutzt die Schule das Programm „Junior Expert“ der IW JUNIOR gGbmH, einer Tochter des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW). Unter dem Slogan „Empowering Youth“ soll bei Schülern ein „unternehmerisches Mindset“ entstehen. Das IHK-Format „Unternehmerinnen machen Schule“ dockt genau an dem Punkt an. Es soll dazu beitragen, dass dieses „Mindset“ vor allem bei den Schülerinnen entsteht.
Ein ziemlich komplexer Stoff für zwei Unterrichtsstunden am Nachmittag bei Freibadwetter und nach einem „Abi-Streich“ am Vormittag (es gab Weißwürste und Lehrer-Karikaturen). Der Schulgong teilte die Veranstaltung exakt in zwei Teile. In der ersten Hälfte sprach die Unternehmerin Hoffner zu den rund 50 Schülern aller P-Seminare des Gymnasiums. Die zweite Halbzeit gehörte dann Flammamia.
Zum Auftakt zeigte Westermeier für alle ein Video, das deutlich machte, wie Rollen-Klischees unser Leben bestimmen. In dem Video wurde eine Reihe von Personen befragt, wie sie sich ihren „CEO“, quasi den Gottvater ihres Unternehmens, vorstellen. Nicht einmal die Frauen kamen auf die Idee, „ihr“ CEO könnte eine Frau sein.
Das unterstrich, was Natascha Hoffner berichtete. Sie überraschte zunächst mit der Aussage „ich hatte nie vor, zu gründen“, erklärte aber dann sehr anschaulich, warum sie es doch tat. Das lag an Umständen, die fast nur Frauen vor Probleme stellen: erst Karriere gemacht, dann Fernbeziehung und Schwangerschaft, später das Ziel, auch als Mutter weiter Vollzeit arbeiten zu wollen. „Ich kam mir vor wie ein Alien“, sagte Hoffner.
Sie hörte von Männern Sätze, die Männer nur Frauen sagen, etwa der Hinweis, sie möge sich mehr um ihre Kinder kümmern. Auch Hoffner bekam mit, dass Männer Männer besser bezahlen. Und irgendwann hat es ihr gereicht. Sie beschloß, ihr eigenes Unternehmen zu gründen. Und auch da spürte sie die Widerstände. Sie berichtete, dass Banker Frauen gerne eine Küche, aber kein Start-up finanzieren. Ihre Bank wollte ihr den Kredit nur dann bewilligen, wenn ihr Mann dafür bürgt.
Fasst man ihren Vortrag zusammen, könnte man sagen: Sie ist aus Betroffenheit Unternehmerin geworden, als Reaktion auf das, was sie erlebt hat. Hoffner ist heute Geschäftsführerin der messe.rocks GmbH. Sie hat sich bundesweit einen Namen gemacht als Chefin der Frauen-Business-Messe „HerCAREER“, sie ist Kolummnistin der „Wirtschaftswoche“ und Mitglied des IHK-Ausschusses Unternehmerinnen.
Hoffners Unternehmen hat das, was heute Stellenbewerber von ihrem Arbeitgeber verlangen: „Purpose“, Werte, ein gesellschaftspolitisches Ziel. Hoffner will Frauen in der Wirtschaft in allen Lebensphasen und auf allen Ebenen fördern. Dies empfindet sie als erfüllend, aber leicht ist das nicht. Selbstständigkeit, sagte sie den Schülern, sei ein „Höllenritt“.
Die Schüler hatten dazu kluge Fragen. Wie Sie es mit der Frauenquote halte? „Ich bin dafür, sonst dauert das noch 131 Jahre.“ Auch die Jungs interessierte, wie es Hoffner geschafft hat, neben der Firmengründung zwei Kinder zu betreuen. „Es ist anstrengend“, gab Hoffner zu. In ihrem Fall hat das ein Rollentausch ermöglicht. Ihr Mann kümmerte sich anfangs um die Kinder. Als auch er wieder voll in den Job einstieg, ging es nicht mehr ohne eine Au Pair.
Hoffner sagte den Schülern Dinge, die man auf BWL-Vorlesungen nicht erfährt. So fanden es auch in Ihrem privaten Umfeld nicht alle gut, dass sie versucht hat, weder auf Kinder noch auf Karriere zu verzichten. Sie musste sich neue Freunde suchen, Mütter und Väter, die ähnlich ticken.
Natürlich wurde sie auch gefragt, wie sie die Corona-Krise überlebt habe. Hoffner sagte, in einer rein virtuellen Messe hätte sie keinen Sinn gesehen. Aber zum Glück hatte sie schon damals HerCAREER mit einer Online-Plattform ergänzt. Neben viel redaktionellem Inhalt bietet die Plattform ein „Jobmatch“-Tool, das von Frauen und Unternehmen genutzt werden kann.
Hoffner forderte explizit die Schülerinnen dazu auf, Mut zu haben, wenn sie eine Geschäftsidee im Kopf haben. Ihr Tipp Nr. 2: „Karriere beginnt bei der Partnerwahl“. Tipp Nr. 3: Netzwerken und Kontakte knüpfen ist für Frauen das A und O. Und Hoffners Tipp Nr. 4: sich ökonomisch niemals abhängig von dem Mann machen.
Die zweite Schulstunde wurde dann zu einer Art „Höhle der Löwinnen“. Die beiden IHK-Profis bildeten die Jury, die 12 Gründerinnen und Gründer von Flammamia trugen in einem „Pitch“ vor, wo sie mit ihrem Unternehmen stehen. Der Firmen-Name passt perfekt zur Geschäftsidee: aus gebrauchten Feuerwehrschläuchen werden Federmäppchen, Geldbeutel und Schlüsselanhänger hergestellt.
Mit 500 Euro Startkapital hat Flammamia angefangen. Der Verkauf von Förderurkunden brachte weitere Euros ein. Den Gymnasiasten schafften es, den für die Feuerwehr zuständigen Innenminister Joachim Herrmann (CSU) als Förderer zu gewinnen. Flammamia befindet sich derzeit in der „Umsetzungsphase“. 200 Gegenstände will man fertigen. Am Samstag vor der IHK-Veranstaltung hatten die Schüler 120 Vorschnitte produziert.
Probleme gibt es mit dem Material. Das dicke Gummi ist mit Nähmaschinen kaum zu bearbeiten. Hier suchen die Schüler noch nach Lösungen. Im Juli soll dann der Verkauf beginnen. Derzeit brüten die Jungunternehmer über die Frage, wie viel ihre Produkte kosten sollen. Flammamia ist auf Social-Media präsent, eine WebSite ist in Arbeit. Auf der wäre auch der Online-Verkauf möglich, aber den größten Umsatz will man auf dem kommenden Schul-Sommerfest über den Verkauf an Mitschülern erzielen.
Bis Dezember soll das Gründungsprojekt dann abgeschlossen werden. Jeder erwirtschaftete Euro soll an die Umweltorganisation WWF gespendet werden. Die nutzt das Geld für Pflanzaktionen, die der Dürre und Waldbränden entgegenwirken. Dieser Twist macht Flammamia dann wirklich rund. „Wir sind hundertprozentig nachhaltig“, versprachen die Schüler.
Elfriede Kerschl und Natascha Hoffner fanden das alles ziemlich super - auch den „Pitch“, die Kurz-Präsentation. Hoffner riet den Schülern den letzten Punkt viel stärker zu betonen. „Wer Eure Geldbeutel kauft, tut etwas gegen Waldbrände. Das ist die spannende Geschichte. Wer die kennt, ist auch bereit, mehr dafür zu bezahlen“, erklärte die Unternehmerin.
Das IHK-Duo lobte auch die Arbeit von Katrin Westermeier. Sie habe mit Flammamia erneut bewiesen, was eine engagierte Lehrerin bewegen könne. Das Fazit dieses Nachmittags könnte folglich erfreulicher kaum sein. Die Partnerschaft von IHK und dem „Camerloher“ wird fortgesetzt, und es ist gut möglich, dass sich für die Geldbeutel aus dem Feuerwehr-Gummi nicht nur Schüler begeistern.