Pressemeldung vom 08.05.2025 - Bad-Tölz-Wolfratshausen

Zwischen Aufbruchstimmung und Skepsis

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© IHK

Wie geht es weiter mit der Wirtschaft in Deutschland und der Region? Was muss passieren, damit es für die Unternehmen wieder aufwärts geht? Haben sich die schwarz-roten Koalitionspartner auf die richtigen Maßnahmen verständigt? Die aktuelle politische Gemengelage mit ihren Auswirkungen auf die Wirtschaft stand im Mittelpunkt der jüngsten Sitzung des IHK-Regionalausschusses Bad Tölz-Wolfratshausen. Viele Themen kamen im Austausch der Unternehmerinnen und Unternehmer mit Manfred Gößl, Hauptgeschäftsführer der IHK für München und Oberbayern, zur Sprache.

IHK-Regionalausschuss im Austausch mit IHK-Chef Gößl

Anhand detaillierter Analysen zeigte Gößl auf, dass die Wirtschaftsleistung in Deutschland seit 2019 inflationsbereinigt nicht mehr gewachsen ist. Kennzahlen wie Bruttoinlandsprodukt, Arbeitsproduktivität, Export und privater Konsum, so Gößl, stagnierten oder seien wie die Unternehmensinvestitionen oder die Realeinkommen sogar geringer als 2019. „Seit 37 Monaten stecken wir in der Stagnationsfalle fest“, fasste der IHK-Chef zusammen. „Das deutsche Wohlstandsversprechen steht an einem Kipppunkt.“

Sein Appell lautete, die neue Bundesregierung in die Pflicht zu nehmen: „Gerade weil die Kanzlerwahl erst im zweiten Versuch geklappt hat, müssen die ersten 100 Tage spürbare Aufbruchsignale für einen Vertrauensaufbau senden. Dazu gehört an erster Stelle der Abbau von Bürokratie und Maßnahmen zur Planungs- und Genehmigungsbeschleunigung, die Senkung des Strompreises um 5 Cent je Kilowattstunde, die degressive Abschreibung für Ausrüstungsinvestitionen rückwirkend zum Jahresbeginn, die Benennung der deutschlandweit verantwortli­chen Behörde für eine einheitliche mittelstandsfreundliche Umsetzung des KI-Gesetzes der EU sowie die unkomplizierte Weiterbeschäftigung im Rentenalter beim bisherigen Arbeitgeber und die sofortige Einführung einer wöchentlichen statt täglichen Höchstarbeitszeit.“

Mit Blick auf den Koalitionsvertrag sprach Gößl von einem Schritt in die richtige Richtung, auch wenn der nötige wirtschaftspolitische Befreiungsschlag ausbleibt. Unternehmen dürfen auf Bürokratie-Erleichterungen hoffen. So soll zum Beispiel eine Anti-Goldplating-Vereinbarung verhindern, dass Deutschland neue EU-Regu­larien weiterhin strenger auslegt als nötig. Darüber hinaus werden punktuelle Entlastungen bei den Steuern in Aussicht gestellt. Die bayerische Wirtschaft hat aber noch mehr Anreize für Investitionen, Arbeit und Produktivität gefordert. So wurden Hebel zur Erhöhung der Erwerbstätigkeit oder zur Absenkung der Arbeitskosten nicht genutzt, dringend notwendige Reformen erneut vertagt.

Auch einige Unternehmer äußerten sich verhalten zum Koalitionsvertrag. Vermisst wurde eine Wende zu mehr Eigenverantwortung und ein aufrüttelnder Appell an die Bereitschaft aller, die Komfortzone zu verlassen. Auch Zweifel am Willen der Politik zum Bürokratieabbau sowie an der Umsetzungsfähigkeit des Infrastrukturpakets wurden laut. „Dafür fehlen schlichtweg Planungs- und Baukapazitäten im Lande“, so ein Unternehmer.

Nichtsdestotrotz zeigte sich Gößl abschließend zuversichtlich. Er verwies auf die Kraft des heimischen Mittelstands, auf hochtechnologische Start-Ups sowie auf einen leistungsstarken Wissenschaftstransfer, der sich zunehmend auch in die Regionen erstreckt. „In unserer heimischen Wirtschaft, in unseren Regionen steckt enorm viel Potenzial für Innovation, für zukunftsfähige Technologien und damit für neue Geschäftsideen, auf deren Grundlage sich unsere Wirtschaft weiterentwickeln kann. Damit das gelingt, braucht die Wirtschaft jedoch auch jeden Einzelnen von uns und seine Bereitschaft, Leistung zu zeigen und an die eigenen Grenzen zu gehen.“