IHK Interview

Susanna Mur: "Das macht so viel Sinn"

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© Susanna Mur (rechts) und Alina Friedrichs von GuudCard

GuudCard-Gründerin Susanna Mur erklärt, wie sie mit ihrem Geschäftsmodell Innenstädte lebendig erhalten will.

Sie waren die Publikumslieblinge auf dem Unternehmerinnentag der IHK am 1. Juli im Forum der Münchner IHK Akademie: Die beiden Gründerinnen Susanna Mur und Alina Friedrichs trugen mit viel Engagement ihre Geschäftsidee der GuudCard vor.

Die GuudCard ist eine Sachbezugskarte für nachhaltigen Konsum. Arbeitgeber:innen können die Karte monatlich mit bis zu 50 Euro steuer- und sozialabgabenfrei beladen - und ihrer Belegschaft eine sinnvolle Bonus-Leistung gewähren. Die Mitarbeiter:innen können mit der GuudCard in nachhaltigen Orten einkaufen.

Mit der GuudCard wird das ganze Spektrum der Nachhaltigkeit abgedeckt – Lebensmittel, Kleidung, Fahrräder, Bücher bis hin zu Gastronomie und Sportangeboten. Entsprechend hoch ist das Interesse. Die beiden Gründerinnen waren nach ihrem „Pitch“ so dicht umlagert, dass ein Interview kaum möglich war. Dafür haben wir uns mit Susanna Mur einige Tage später verabredet.

Die Location überrascht. Das Startup GuudCard residiert für ein Jahr bei der Telefonicá-Tochter Wayra an der Kaufingerstraße zwischen Frauenkirche und C&A. Zentraler geht es nicht. Die Touristen und Einkaufsbummler, die hier vorbei schlendern, dürften kaum wissen, dass in dem Gebäude ein bedeutender Startup-Hub sitzt.

Wayra unterhält weltweit elf dieser Startup-Brutstätten. In München sind zehn bis 15 Gründer-Teams untergebracht. Aus den Wayra-Räumen im fünften Stock hat man einen schönen Blick auf die Frauenkirche vis-á-vis. Das Einzige, was stört: Die Kaffeemaschine ist kaputt. Susanna Mur brüht für IHK-Redakteur Martin Armbruster eigens einen Cappuccino von Hand. Dass der schmeckt, ist quasi garantiert. Noch arbeitet die Gründerin am Wochenende in einem Café. Mit dem Nebenjob dürfte es aber bald vorbei sein. GuudCard entwickelt sich ziemlich schnell.

Frau Mur, eine schöne Lage haben Sie hier. Wie haben Sie Telefonicá von sich überzeugt?

Da müssen Sie Telefonicá fragen. Ich glaube aber, wir haben ganz gut in den Fokus des Unternehmens gepasst. Nachhaltigkeit hat bei Telefonicá einen hohen Stellenwert. Zudem werden auch weibliche Gründungsteams verstärkt unterstützt. Katrin Bacic, Chief Strategy Officer von Wayra, ist stark in der „Female Entrepreneurship“-Szene engagiert.

Das war einfach ein toller Tag für uns.

Susanna Mur von GuudCard

Offenbar kommt Ihre Geschäftsidee in Ihrem Münchner Umfeld gut an.

Ja, nach dem Unternehmerinnentag gab es viel Resonanz auf Social Media. Wir kamen mit mehreren Unternehmerinnen gut ins Gespräch, da haben sich viele schöne Verbindungen in alle Richtungen ergeben. Hilfreich ist für uns das Sparring mit jemandem, der viel Erfahrung hat. Dieser Gedankenaustausch bringt uns viel. Es gab Frauen, die uns angeboten haben, das Corporate Design für uns zu machen. Wir haben gute Tipps bekommen für die Themen Finanzierung und Investor*innen. Das war einfach ein toller Tag für uns.

Wie sind Sie auf die Idee der GuudCard gekommen?

Die stammt von meiner Mitgründerin Alina. Als sie mir diese Idee erklärte, dachte ich mir: Hey, das ist so simpel, das macht so viel Sinn. Ich glaube, dass wir deshalb auch beim Publikum so gut ankommen. Das ist alles einfach zu erklären und total logisch.

Ist das Ihrer Mitgründerin beim Duschen oder Joggen eingefallen?

Nein, Alina war in Frankfurt als erste Mitarbeiterin bei einem Start-up mit dabei. Sie hat den Personalbereich mit aufgebaut. In diesem Zusammenhang hat Alina eine Sachbezugskarte eingeführt.

Als so eine Art Extra-Bonus für die Mitarbeiter.

Ja, genau. Jeder Arbeitgeber kann in Deutschland seinen Mitarbeiter*innen pro Monat bis zu 50 Euro steuer- und sozialabgabenfrei zusätzlich zum Gehalt schenken. Das ist an einige Bestimmungen geknüpft. Das Geld darf beispielsweise nicht bar ausbezahlt und nur ein begrenzter Kreis an Händler darf einbezogen werden. Das klassische Beispiel sind Tankkarten

„Hey, was ist das denn für eine Art von Konsum?“

Susanna Mur von GuudCard

Das ist aber keine sehr nachhaltige Variante.

Ja, aber das Konzept ist technisch identisch. Auch unsere GuudCard ist eine Prepaid-Kreditkarte, die von bestimmten Händlern akzeptiert wird. Alina ist in ihrem Frankfurter Start-up zunächst den üblichen Weg gegangen: eine Sachbezugskarte für das Einkaufen bei Ikea, H&M und Media-Markt. Dabei kam ihr der Gedanke: Hey, was ist das denn für eine Art von Konsum? Sind das wirklich die Marken, die von den Steuervorteilen profitieren sollen?

Sachbezüge - geht das nur über eine Kartenlösung?

Grundsätzlich könnten die 50 Euro auch ohne Karte für die Mitarbeiter genutzt werden. Man könnte auch den Korb mit frischem Obst oder die Mitgliedschaft in einem Fitness-Club über die Sachbezüge abrechnen. Aber die Prepaid-Karte ist das universellste Instrument. Mit ihr hat man einen viel größeren Anwendungsbereich.

Wie kam diese Idee von Frankfurt nach München?

Ganz einfach - Alina ist nach München gezogen. Hier hat sie sich weiter mit den Themen beschäftigt: Wie kann man mehr Menschen für nachhaltigen Konsum begeistern? Wie kann man unsere Städte lebenswert erhalten? Wie lassen sich inhaber*innengeführte Läden unterstützen? Vor allem das Thema Buchläden war ihr sehr wichtig. Sie hat sich überlegt, wie man das Sterben der Buchläden stoppen kann.

Zum Glück gibt es in München noch einige schöne Buchläden.

Ja, und wir wollen dazu beitragen, dass die uns erhalten bleiben. Was dafür ein wichtiger Schritt war: Alina hat sich hier in München der Genossenschaft „Future Cooperative“ angeschlossen. Die Genossenschaft arbeitet daran, eine Karte der nachhaltigen Orte zu erstellen. Das sind grüne Supermärkte, Büchereien und so weiter. Das ist genau die Datenbasis, die man braucht, um eine Sachbezugskarte darauf aufzusetzen - und nachhaltigen Konsum für die Menschen einfacher und erschwinglicher zu machen.

„Das war ein schöner Gründerinnen-Impuls.“

Susanna Mur von GuudCard

Wie kam der Kontakt mit Ihrer Mitgründerin Alina zustande?

Ich habe vorher als Innovationsberaterin am Gründungszentrum der TU München gearbeitet und Alina als Gründungsberaterin an der TU. Irgendwann waren wir miteinander Mittagessen, dann haben wir angefangen, miteinander zu arbeiten und haben damit nicht mehr aufgehört. Das hat fachlich und menschlich super gepasst. Das war ein schöner Gründerinnen-Impuls.

Wie prüfen Sie, ob ein Einzelhändler nachhaltig ist?

Wir arbeiten da eng mit der Genossenschaft zusammen. Die hat eine Datenbank an Orten, die nachhaltig sind. Diese Liste wird aktualisiert und erweitert. Dafür haben wir einen Katalog von über 30 Kriterien, die sich an den ESG-Themen orientieren. Wir prüfen die Fragen: Wie ökologisch und sozial ist der Betrieb? Welche Unternehmensstruktur hat er? Wer dabei eine Mindestzahl an Punkten erreicht, kommt auf die Liste.

Wenn ich als Unternehmer die GuudCard gut finde, wie komme ich dann in das Modell rein?

Das ist kinderleicht. Man kann auf unserer Website direkt einen Termin mit uns buchen. Am einfachsten ist, man ruft bei uns an. Wir können telefonisch vieles klären. Der Start ist dann sehr simpel und die Karten sind innerhalb von zwei Wochen einsatzbereit - Verträge unterschreiben, Karten bestellen und beladen und schon können die Mitarbeiter*innen tolle nachhaltige Orte erkunden.

Wir haben alles komplett eigenfinanziert.

Susanna Mur, GuudCard

Wie kamen Sie auf den Namen GuudCard?

Die Idee hatte Alina, sie ist unser Kreativ-Genie. Erst wollten wir die englische Version GoodCard. Good ist aber schwierig zu schützen und erschwert die Google-Auffindbarkeit. Dann sind wir auf Lautschrift umgestiegen – mit einem U. Mit der Bezeichnung gibt es aber eine Agentur in Berlin, GUD steht für Gas und Dampfwerke. Dann hat Alina gesagt: Okay, dann halt „Guud“ mit Doppel-U.

Wie haben Sie sich bisher finanziert?

Aus den laufenden Umsätzen. Wir haben bislang alles komplett eigenfinanziert und haben noch null Fremdkapital.

Dürfen sich Investoren bei Ihnen melden?

Ja, gerne (lacht). In diesem Jahr werden wir mit einem Kreis der UnterstützerInnen einen kleinen Betrag als Fremdkapital aufnehmen. Im nächsten Jahr wollen wir uns mehr Anschub holen. Wir wollen schnell so viele Karten wie möglich in Umlauf bringen, weil der nachhaltige Einzelhandel mehr Geld braucht. Wir planen eine größere Finanzierungsrunde oder ein Crowd-Investment.

Städte könnten super tolle Partner sein.

Susanna Mur von GuudCard

Stadt, IHK und Verbände – alle werben für eine attraktive Münchner Innenstadt. Bietet sich da keine Kooperation an?

Wir versuchen, immer wieder da anzudocken. Städte, das Stadtmarketing – das das könnten super tolle Partner sein, um lokale Geschäfte zu unterstützen. Wir freuen uns natürlich auch immer über Kontaktaufnahme für potentielle Kooperationen!

Es wäre sicher hilfreich, wenn die Öffentlichkeit das unterstützt.

Ich denke, die Akzeptanz ist da. Ich komme ursprünglich aus einem kleinen Dorf in Südtirol. Da gibt es auch so ein System, die Monni Card (2020 haben 700 Südtiroler Betriebe Karten im Gesamtwert von 1,5 Mio. Euro an Mitarbeiter verschenkt, die Red.). Auch dort hatten sie diese Idee – und die wird gut angenommen. Mein Onkel hat einen Gastbetrieb und gibt die Karte an seine Mitarbeiter aus. Das trägt dazu bei, die gesamte Region Südtirol zu stärken.

Was eine Stadt oder Region auch für Fachkräfte attraktiv macht, die sich heute gut überlegen, wo sie arbeiten und leben wollen.

Ganz genau. Dazu gehören nette Läden oder Cafés und Restaurants, in denen man gut und nachhaltig Essen gehen kann.

Wer sind denn typische GuudCard-Kunden?

Unsere Kunden kommen aus völlig unterschiedlichen Branchen. Darunter sind Firmen, die total nachhaltig eingestellt sind. Von denen sagen uns die Chefs und Personalleiter*innen: „Wenn wir so etwas machen, dann nur mit Euch“. Andererseits haben wir auch Firmen, die kein nachhaltiges Geschäftsmodell per se haben, die aber ihren Mitarbeiter*innen etwas Sinnhaftes bieten wollen. Vor allem jüngere Mitarbeiter*innen achten heute extrem darauf, was ihr Unternehmen für Nachhaltigkeit tut.

Ein recht breites Spektrum.

Ja, deswegen ist doch unsere GuudCard so ein tolles Instrument, weil wir damit so viel abdecken können. Wir fördern Buchläden, Fahrradläden, Bio-Supermärkte, Läden, die nur unverpackte Sachen verkaufen, Friseure, wenn die ein Nachhaltigkeitskonzept haben, und Yoga-Studios. Wir haben Münchner Bäder, die sich da stark engagieren. Das geht bis zum ÖPNV-Ticket. Wir wollen nachhaltiges Leben in allen Bereichen ermöglichen.

Woher hatten Sie den Mut, mitten in der Pandemie ein Unternehmen zu gründen?

Corona hat uns noch bestärkt, das zu machen. Die Krise hat doch deutlich gemacht, wie wichtig es ist, den nachhaltigen Einzelhandel zu unterstützen. Wir dürfen auch die Klimakrise nicht aus den Augen verlieren. Jetzt steigen die Preise, wir haben eine Inflation. Da ist es doch eine super Chance für die Unternehmen, ihre Mitarbeiter*innen mit Sachbezügen zu unterstützen.

Amazon, Zalando und Co. gelten als die großen Krisengewinner. Kommt die GuudCard für die kleinen Läden nicht zu spät?

Als Corona ausgebrochen ist, haben wir uns auch gefragt: Was machen wir, wenn uns die ganzen Läden wegsterben? Genau dagegen wollen wir wirken, deshalb wollten wir das Ganze schnell umsetzen. Ich glaube zudem, dass nach den Lockdowns viele wieder Lust auf echtes Leben haben. Man weiß wieder, was man an Kinos, Cafés und Buchläden hat. Ich arbeite am Wochenende in einem Café. Auch da spürt man, dass die Leute wieder nach draußen gehen und mit anderen frühstücken wollen.

Müssen die Firmen dafür jeden Monat 50 Euro bezahlen?

Nein, die Firmen können selbst wählen, wie viel und wie oft sie Sachbezüge ausgeben - 50 Euro ist allerdings die Freigrenze dafür.

Haben Sie vor, dieses Modell zu erweitern?

Wir werden noch in diesem Jahr zusätzlich eine Gutschein-Lösung anbieten. Damit können Firmen ihren Mitarbeiter*innen bei besonderen Anlässen eine einmalige Summe schenken – etwa zu Weihnachten, bei Geburtstagen und Firmenjubiläen. Auch das ist steuerfrei. Mit unserem Guudschein kann man auf vielen nachhaltigen Online-Shops einkaufen.

Der Start war gut, die Idee kommt an, wie geht es mit „guud“ jetzt weiter?

Mit Guudschein haben wir ja schon das nächste Produkt auf den Markt gebracht. Wir sehen da noch viel Potenzial und haben schon Ideen für weitere Produkte, mit denen Unternehmen gemeinsam mit ihren Mitarbeiter*innen nachhaltiger werden können.