IHK Interview

‎„Die größte Nachfrage kommt vom kleineren Mittelstand.“‎

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Die Commerzbanker Robert Schindler und Herbert Maier über KfW-Kredite, Lücken der Rettungsschirme und das, was ihre Bank für ihre Firmenkunden derzeit alles tut.

Ganz Deutschland schaut gebannt auf seine Banken: Sie müssen in diesen Tagen über Tausende von Anträgen auf KfW-Kredite des Bundes entscheiden. Im Interview mit IHK-Redakteur Martin Armbruster berichten Robert Schindler, Bereichsvorstand Firmenkunden Süd (ab 15 Mio. Umsatz) und Herbert Maier, Leiter Unternehmerkunden Süd (bis 15 Mio. Umsatz), wie die Commerzbank die Antragswelle bewältigen will. Die beiden Banker erklären, dass alle staatlichen Förder- und Hilfsmaßnahmen in einem entscheidenden Punkt identisch sind: Die Frage, ob der Kunde in der Lage ist, den Kredit zurück zu bezahlen, muss die Hausbank beantworten.

Es geht zu wie in einem Bienenstock

Herr Schindler, Herr Maier, können Sie die Forderung von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) umsetzen, „ein bisschen Fünfe“ gerade sein zu lassen?

Robert Schindler: Das oberste Ziel ist, dass unsere Kunden schnellstmöglich mit Liquidität versorgt werden. Und dafür tun wir alles! Dennoch haben wir gegenüber der KfW und LfA, die ja Steuergelder verleihen, auch die Pflicht, alle Kreditanträge auf Rückzahlbarkeit hin zu prüfen. Dafür müssen wir eine Kreditprüfung machen, die Kapitaldienstfähigkeit des Kunden anschauen, sowie eine klare Stellungnahme gegenüber der KfW abgeben. Das verlangen die regulatorischen Vorschriften, die uns der Staat ins Buch geschrieben hat. Genau das tun wir. Wir reden schon viel zu lange über diese Aussage (von Scholz, die Red.), die auf den zweiten Blick so nicht gemeint gewesen sein kann. Was aber untergeht und auch mal gesagt werden muss ist, dass es derzeit in unserer Bank – und sicherlich auch in vielen anderen Banken-, es in diesen Tagen in den Büros nie dunkel wird, weil unsere Mitarbeiter mit höchster Intensität für ihre Kunden arbeiten. Da sieht kaum einer Tageslicht. Hier geht es zu wie im Bienenstock.

Die Bürger haben den Eindruck, die Regierung handelt, die Banken sind die Bremser. Sehen Ihre Kunden Ihre Rolle auch so kritisch?

Schindler: Ganz und gar nicht! Zum Glück pflegen wir als Mittelstandsbank sehr intensive und lange Hausbank-Beziehungen. Man kennt sich sehr gut. Das hilft jetzt natürlich, weil im Rahmen der KfW- und LfA-Programme nicht viel über das Geschäftsmodell des Kunden diskutiert werden muss. Zudem haben wir die nötigen Unterlagen fast alle schon im Haus. Außerdem haben wir den gesamten Antragsprozess verschlankt. Das erhöht die Geschwindigkeit.

Reicht das? Für manche Unternehmen geht es um jeden Tag.

Schindler: Wenn es akut wird, können wir sehr, sehr schnell reagieren. Wir haben eigens für unsere Bestandskunden einen eigenen Kreditfond von 700 Millionen Euro eingerichtet. Damit können wir Notlagen überbrücken, wenn ein KfW-Prozess zu lange brauchen würde. In dringenden Fällen wurden Kredite auch schon innerhalb von 36 Stunden auf das Konto unserer Kunden überwiesen.

Maier: Wir versuchen, unsere Kunden schnell mit Kredit zu versorgen. In Fällen, in denen wir als Hausbank das Geschäftsmodell gut kennen, gehen wir daher in Vorleistung und zahlen Unternehmen Kredite innerhalb eines Tages aus. Genau dafür ist unser Commerzbank-Sonderfond über 700 Millionen da: um Notlagen zu überbrücken.

IHK’s und Banken haben in den letzten Wochen für ein Förderprogramm mit 100%-iger Haftungsfreistellung für Kredite bis 500.000 Euro und Quick-Check-Prüfung plädiert. Am Freitag hat die EU-Kommission grünes Licht dafür gegeben, am 6. April auch die Bundesregierung das Programm für Unternehmen ab 10 Mitarbeitern bestätigt. Wie hilft Ihnen das?

Schindler: Wir begrüßen die geplante Ausweitung des Kreditprogramms für den Mittelstand sehr. Die 100%ige Haftungsübernahme für Kredite bis 800.000 Euro kann den Prozess weiter beschleunigen. Positiv ist auch die längere Laufzeit mit 10 Jahren. Entscheidend wird noch die Ausgestaltung des Programms im Detail sein, insbesondere mit Blick auf den geplanten Wegfall der Risikoprüfung durch die Banken und einen möglichst einfachen Beantragungsprozess

Entscheidend wird noch die Ausgestaltung des Programms im Detail sein, insbesondere mit Blick auf den geplanten Wegfall der Risikoprüfung durch die Banken und einen möglichst einfachen Beantragungsprozess

Robert Schindler, Bereichsvorstand Firmenkunden Süd

Spätestens mit diesem Programm sollte nun auch Schluss mit dem Vorwurf sein, dass die Rettungspakete der Regierung nur Konzernen dienen.

Schindler: Diese Aussage hatte nie Substanz, weil die weitaus größte Nachfrage eh vom kleineren Mittelstand kommt. Größere Unternehmen prüfen noch, ob diese Angebote für sie Sinn machen.

Maier: Die meisten Anträge kommen aus meinem Segment, – also Unternehmen bis zu 15 Millionen Umsatz. Wir betreuen in diesem Bereich 50.000 Kunden in Oberbayern. Und wenn ich mir jetzt die vorliegenden Anträge anschaue, haben 75 Prozent davon ein Kreditvolumen von weniger als 100.000 Euro beantragt. Das ist zum Beispiel der Gastro-Betrieb um die Ecke, der Einzelhändler – also genau die, die jetzt am meisten leiden.

Wie viele Anträge haben Sie denn schon vorliegen?

Schindler: Wir haben bundesweit etwa 18.000 Anträge auf dem Tisch.

Herbert Maier: In Oberbayern sind es 1.200 Anträge im Segment bis 15 Millionen Euro Umsatz. Das sind vor allem Ärzte, Handwerker und kleine Mittelständler.

Wie haben Sie sich auf die Antragswelle eingestellt?

Schindler: Unsere Betreuer sind so nah wie nie zuvor an der Seite ihrer Kunden. Wir informieren online über die Finanzierungschancen, die sich aus den LfA- und KfW-Programmen ergeben. Wir haben die Zahl unserer Spezialisten für öffentliche Förderprogramme aufgestockt, Mitarbeiter geschult. Über 2.000 Betreuer für Unternehmer- und Firmenkunden sind im Dauereinsatz. Sie werden, wann immer es geht, von allen anderen Mitarbeitern unterstützt. Wir sind voll darauf fokussiert, den Selbständigen sowie dem Mittelstand zu helfen.

Wie lange dauert eine Kreditprüfung im Schnitt?

Schindler: Wenige Tage. Das hängt aber entscheidend von der Qualität des Antrags ab. Die Kollegen aus dem Unternehmerkunden-Segment haben dafür eigens eine Online-Strecke gebaut, die sehr anschaulich macht, welche Dokumente eingereicht werden müssen. Auch das bringt Tempo.

Maier: Auf unserer Website haben wir das technisch auch gut gelöst. Man kann die Anfrage direkt online starten und alle Dokumente hochladen.

Geschwindigkeit ist jetzt extrem wichtig. In Corona-Zeiten braucht kein Kunde mehr mit Papierbergen in unsere Filialen kommen.

Herbert Maier, Leiter Unternehmerkunden Süd

Haben Sie schon Anträge abgelehnt?

Schindler: Einige wenige, ja. Das ist dann der Fall, wenn wir erkennen, dass der Kredit nicht mehr an die KfW-zurückzahlbar ist, weil beispielsweise das Geschäftsmodell nicht mehr tragfähig ist. Wir tun aber alles dafür, um den Antragsprozess gemeinsam mit den Kunden so aufzubereiten, dass er genehmigungsfähig ist.

Halten Sie es für richtig, wie die Politik auf die Krise reagiert hat?

Maier: Ich finde das außerordentlich gut, was in Bayern in den vergangenen zwei Wochen passiert ist. Die Staatsregierung ist vorgeprescht bei den Soforthilfen – das sind Zuschüsse. Der Unterschied zu KfW-Krediten ist: Sie müssen nicht zurück bezahlt werden. Der Ministerrat hat beschlossen, diese Soforthilfen nochmals aufzustocken. Das ist eine schnelle, unbürokratische Hilfe, die wir als Bank nicht geben können. Bisher sind darüber auch schon 200 Millionen Euro geflossen.

Was ist mit Start-ups?

Maier: Es gibt bei der KfW auch einen Gründerkredit. Das ist gut. Allerdings gibt es den nur für Unternehmen, die schon drei Jahre auf dem Markt sind. Aber auch da gilt: Sie müssen den Kredit zurückzahlen können. Wir haben in München viele technologisch getriebene Start-ups, die noch keinen Gewinn erwirtschaften. Da wird es mit Krediten schwierig.

Zudem arbeitet die Bundesregierung an einem neuen Rettungsschirm speziell für Start-ups. Wie sieht der Lückenschluss aus?

Maier: Die Bundesregierung stellt zwei Milliarden Euro zusätzlich für Start-ups bereit. Die Details werden im April noch ausgearbeitet. Antragsberechtigt werden aber die Investoren sein. Wir können heute noch nicht sagen, ob wir als Bank da überhaupt involviert sind. Trotzdem finde ich das ganz wichtig. Es wäre verheerend, wenn das Coronavirus den deutschen Gründergeist vernichten würde.

Schindler: Wir müssen dafür sorgen, dass viele tolle Geschäftsideen, die gerade jetzt in der Krise entstehen, auch finanziert werden. Ich denke, die Bundesregierung geht da den richtigen Weg, über die Investoren zu gehen.

Wie realistisch ist die Hoffnung, ohne viele Insolvenzen aus der Krise zu kommen?

Schindler: Das lässt sich ganz schwer sagen. Wichtig wäre natürlich, wenn die Betriebe Gewissheit hätten, wann der Shutdown endet. Hätten wir einen fixen Exit-Termin, würde uns das die Abschätzung eines Kreditrisikos bedeutend erleichtern.