Digitalisierung der Arbeitswelt
Die Arbeitswelt wird sich vor dem Hintergrund des digitalen Wandels verändern. Wie diese Veränderung im Einzelnen aussehen wird, ist derzeit noch offen. Fest steht jedoch: Die Arbeit der Zukunft wird vernetzter, digitaler und flexibler sein.
Auf einen Blick
Für die Zukunftsfähigkeit der oberbayerischen Unternehmen ist es von zentraler Bedeutung, die Chancen des digitalen Wandels zu nutzen und die damit verbundenen Herausforderungen zu meistern. Der Politik kommt dabei die Aufgabe zu, die hierfür notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen und die Unternehmen bestmöglich bei der digitalen Transformation zu unterstützen.
Aus Sicht der oberbayerischen Wirtschaft sollte die Politik:
- Arbeitszeitregelungen anpassen
- Nutzung von Dienst- und Werkverträgen nicht einschränken
- In Kindertageseinrichtungen und Schulen auf die Anforderungen der digitalen Arbeitswelt vorbereiten
- Aus- und Weiterbildung anpassen
Die rechtlichen Rahmenbedingungen aus der Zeit der Industrialisierung funktionieren in der digitalen Welt nicht mehr. Wir brauchen flexible Lösungen, um wettbewerbsfähig bleiben zu können. Zudem sind massive Investitionen im Bildungsbereich notwendig, um den Aufbau digitaler Kompetenzen zu fördern.
Mindestens wöchentliche Höchstarbeitszeit festlegen
Bei der Flexibilisierung der Arbeitsorganisation spielt die Flexibilisierung der Arbeitszeit eine
wesentliche Rolle. Das Arbeitszeitgesetz hat das Ziel, die Gesundheit der Beschäftigten zu
schützen. Das ist ein wichtiges Anliegen. Tatsächlich entspricht eine tägliche Höchstarbeitszeit
von acht bzw. zehn Stunden aber nicht mehr der Arbeitswirklichkeit einer digitalisierten Welt.
Mehr Flexibilität liegt im beiderseitigem Interesse von Unternehmen und Arbeitnehmern. So
können Angestellte dank der digitalen Möglichkeiten etwa an einzelnen Tagen länger arbeiten,
um Freiräume an anderen Tagen zu gewinnen. Um Arbeitnehmer vor Überlastungen zu schützen, muss das Gesamtarbeitsvolumen begrenzt bleiben. Aus Sicht der oberbayerischen Unternehmen ist zu prüfen, ob eine Umstellung von täglicher auf mindestens wöchentliche Höchstarbeitszeit zielführend ist.
Anpassung der Ruhezeitregelungen
Entsprechendes gilt für die Ruhezeit von elf Stunden, die vor dem Hintergrund der Digitalisierung oft Fragen aufwirft: Führt jede E-Mail am Abend zum erneuten Start der vollen Ruhezeit?
Warum sollten Eltern nicht am Abend noch arbeiten dürfen, um die so gewonnene Zeit tagsüber mit ihren Kindern verbringen zu können? Des Weiteren kommt es durch die zunehmende Vernetzung auch häufiger zur Zusammenarbeit von Personen in verschiedenen Zeitzonen. Diese Umstände führen dazu, dass eine Ruhezeit von durchgehend elf Stunden nicht immer eingehalten werden kann. Auch hier kann dem Gesundheitsschutz der Beschäftigten beispielsweise durch eine Koppelung der Reduzierung der ununterbrochenen Ruhezeit mit einer Gesamtruhezeit Rechnung tragen.
Zusätzliche Arbeitszeitkategorie
Seit Jahren wird die Einführung einer dritten Arbeitszeitkategorie in die EU-Arbeitszeitrichtlinie
diskutiert, weil Bereitschaftsdienste zur Arbeitszeit zählen, an die sich die elfstündige Ruhezeit
anschließen muss. Diese Überlegung sollte nicht nur in Bezug auf Bereitschaftsdienste geführt,
sondern generell auch auf weniger belastende Tätigkeiten sowie kurze, die Erheblichkeitsschwelle
nicht überschreitende, Unterbrechungen der Ruhezeit ausgeweitet werden.
Forderungen
- Mindestens auf wöchentliche Höchstarbeitszeit abzielen
- Ruhezeitregelungen anpassen
- Zusätzliche Arbeitszeitkategorie prüfen
In der digitalen Arbeitswelt werden die Unternehmen noch stärker als bisher zusammenarbeiten.
Diese Zusammenarbeit darf insbesondere im Rahmen von Werk- oder Dienstverträgen nicht
erschwert werden. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um Solo-Selbstständige oder um
Unternehmen mit Mitarbeitern handelt, die ihre Arbeitnehmer zum Auftraggeber entsenden. Es
ist unbestritten, dass missbräuchliche Scheinverträge abzulehnen und konsequent zu ahnden
sind. Jedoch dürfen Unternehmen nicht unter Generalverdacht gestellt werden. Die Nutzung von
Werk- und Dienstverträgen darf nicht erschwert werden, wie dies beispielsweise durch den
Wegfall der sogenannten Vorratserlaubnis auch bei versehentlich falscher rechtlicher Einordnung
geplant ist.
Forderung
- Kein genereller Wegfall der Vorratserlaubnis
Die Medienaffinität von Kindern und Jugendlichen ist eine Chance für den Zugang zu Bildung.
Kindern und Jugendlichen sollte es frühzeitig ermöglicht werden, digitale Kompetenzen und
einen verantwortungsbewussten Medienumgang zu erlernen. Hierbei sollten sowohl ein Grundverständnis für die Digitalisierung als auch die Nutzungsmöglichkeiten von digitalen Medien
vermittelt werden. An Kindertagesstätten und Schulen müssen dazu die technischen Voraussetzungen weiter ausgebaut werden. Der Umgang mit Algorithmen und modernen Informationsmedien sollten selbstverständliche Bestandteile einer zukunftsorientierten schulischen Ausbildung sein. Pädagogische Konzepte und Lehrpläne sollten gezielt auf digitale Erfordernisse angepasst oder weiterentwickelt werden. Erzieher/-innen und Lehrer/-innen sind entsprechend zu schulen. Der Digitalisierungsstand in der Bildung und in der Kompetenzvermittlung sollte messbar gemacht werden, um Entwicklungen gezielt steuern zu können.
Forderungen
- Technische und pädagogische Ressourcensituation verbessern
- Lehrpläne für digitale Erfordernisse weiterentwickeln
- Erzieher/innen und Lehrer/innen entsprechend schulen
Mit zunehmender Digitalisierung verändern sich die Intensität und die Qualität in der Interaktion
zwischen Mensch und Maschine. Teilautonome Teams mit flexiblen Aufgabenbereichen werden
zunehmen. Dies erfordert bei den Mitarbeitern selbstorganisiertes Arbeiten in flexiblen Projektstrukturen, eigenständiges Informationsmanagement und Vernetzungsfähigkeiten. Gleichzeitig
ist das Management zunehmend gefordert, digitale Strategien für die Unternehmen zu entwickeln und umsetzen zu können. Es braucht angepasste Führungsmodelle bei neuen Formen der
Zusammenarbeit. Ohne entsprechende Kompetenzen droht den Unternehmen der Verlust an
Wettbewerbsfähigkeit. Ein systematischer Ausbau eines modularisierten Ausbildungs- und
Weiterbildungsangebotes in Verbindung mit einer kontinuierlichen Qualitätssteuerung, einer
höheren Transparenz und besseren Bewertbarkeit von Bildungsangeboten sind hierfür eine
zentrale Grundlage. Überdies bedarf es dringend eines stärkeren Austausches zwischen dualen
und akademischen Ausbildungsstrukturen, um modulare Bildungskonzepte gemeinsam voranzubringen. In der digitalisierten Arbeitswelt wird es zudem noch stärker als bisher darauf ankommen, nach einer soliden Grundausbildung die eigenen Kompetenzen und Fähigkeiten beständig weiterzuentwickeln. Regionale Qualifizierungsoffensiven sollten gezielt eingesetzt werden, um digitaler Aus- und Weiterbildungsinhalte und -formate aufzubauen und weiter zu entwickeln.
Forderungen
- Qualifizierungsoffensiven zu „Schlüsselkom- petenzen in der digitalisierten Arbeitswelt
- Systematischer Ausbau eines modularisierten Bildungs- und Weiterbildungsangebotes
- Höhere Transparenz von Bildungsangeboten und deren Bewertbarkeit
- Stärkerer Austausch zwischen dualen und akademischen Ausbildungsstrukturen, um modulare Bildungskonzepte gemeinsam voranzubringen
Zum Download
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