Veranstaltung
Lateinamerikaforum Bayern 2025
München, 6. Mai 2025 – Zukunft braucht Partnerschaft – und genau das lieferte das diesjährige Lateinamerikaforum Bayern in der IHK für München und Oberbayern: Etwa 300 Gäste aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft tauchten tief ein in die geopolitischen Umbrüche und wirtschaftlichen Chancen einer sich wandelnden Region und wie Bayern davon profitieren kann. Neben dem Bühnenprogramm nutzten viele Teilnehmenden die 1:1-Beratungen mit den AHKs, Euler Hermes, GTAI & Co. auf dem Marktplatz und Meet & Greet Bereich
Lateinamerika im Fokus: Wirtschaftliche Transformation, globale Chancen – das Lateinamerikaforum Bayern 2025 begeistert mit starken Impulsen und klarem Zukunftsblick
Zum Auftakt unterstrichen Christoph Angerbauer, Mitglied der Hauptgeschäftsführung der IHK für München und Oberbayern und Staatssekretär Tobias Gotthardt das immense Potenzial Lateinamerikas für Bayerns Wirtschaft. Das Chamäleon, das als Logo das Forum begleitete, steht nicht nur für Wandel – es verkörpert die Fähigkeit, sich flexibel und vorausschauend auf neue Gegebenheiten einzustellen. Genau diese Transformation bewegt aktuell sowohl die lateinamerikanischen Märkte als auch die bayerische Wirtschaft – sei es durch technologische Innovationen, gesellschaftlichen Wandel oder geopolitische Verschiebungen. „Temperament ist nicht das Einzige, was Bayern mit Südamerika verbindet“, betonte Staatssekretär Tobias Gotthardt. Vielmehr sei es die gemeinsame Dynamik, die wachstumsstarken Perspektiven und der Wille zur Veränderung, die den Dialog prägen.
Keynote: „Transformation zwischen Geopolitik und Geoökonomie - Der Bedeutungswandel Lateinamerikas und sein Potenzial für Bayern und Deutschland“
Dr. Christian E. Rieck, Mitglied der „Latin American Studies Association LASA“, Universität Potsdam eröffnete die Keynote zum Thema: „Transformation zwischen Geopolitik und Geoökonomie - Der Bedeutungswandel Lateinamerikas und sein Potenzial für Bayern und Deutschland“. Geopolitik, so Rieck, ist kein abstraktes Konzept, sondern bestimmt unmittelbar die Anwendung staatlicher Macht zur Kontrolle politisch definierter Räume. Neue geopolitische Trends wie der Hyperpräsidentialismus in Großmächten, eine neoimperiale Außenpolitik auf Basis von Einflusssphären, die Versicherheitlichung außenpolitischer Strategien und die Bildung eines neuen Mächtekonzerts verändern die globalen Rahmenbedingungen nachhaltig.
„Volatilität gab es in Lateinamerika schon immer. Deswegen Beziehung zwischen Europa/ Deutschland und Lateinamerika werden nicht groß (unter den weltwirtschaftlichen Veränderungen) leiden, aber Transformation bedeutet eine Reorganisation der Beziehungen.“
Lateinamerika habe in der Vergangenheit von einer blockfreien Außenpolitik – dem sogenannten „multialignment“ – profitiert. Diese Positionierung wird jedoch zunehmend erschwert, da Interdependenzen heute gezielt als geopolitische Werkzeuge eingesetzt werden. Rieck verwies auf Beispiele wie die USA, die wirtschaftliche Verflechtungen strategisch nutzen, um außenpolitischen Druck auszuüben.
Europa wiederum sei in der aktuellen Weltwirtschaftskrise unter anderem deshalb schlecht aufgestellt, weil die Europäische Union nicht als einheitlicher außenpolitischer Akteur auftrete. In einer polarisierten Welt könne jedoch gerade die strategische Offenheit mittelgroßer und großer Staaten, die sich keinem der geopolitischen Pole zuordnen, zur Stabilisierung des globalen Systems beitragen. Diese Staaten geraten gleichzeitig verstärkt unter Druck, sich zu positionieren – wirtschaftlich wie politisch. Die daraus abgeleitete Forderung: Es braucht eine bewusste Investition in die Blockfreiheit als außenpolitische Strategie – auch aus europäischer Perspektive – um Souveränität, Handlungsfähigkeit und ökonomische Stabilität in einer multipolaren Weltordnung zu sichern.
Für viele lateinamerikanische Staaten bedeutet das: Der Druck steigt, sich im globalen Wettbewerb der Großmächte zu positionieren – häufig zulasten ihrer bisherigen Blockfreiheit. Gleichzeitig droht eine Reprimarisierung ihrer Volkswirtschaften, da der Zugang zu industriellen Wertschöpfungsketten durch geopolitische Spannungen erschwert wird.
„Transformation bei uns geht nur, wenn auch vor Ort eine Transformation stattfindet“ (Transformationsinterdepenzen“), denn Kooperationspotenziale können nur durch Transformationsvorteile erzielt werden.
Paneldiskussion: Geopolitik als Motor für wirtschaftliche Transformation: Wie Bayern und Lateinamerika davon profitieren können
In der folgenden hochkarätig besetzten Paneldiskussion diskutierten
Dr. Ulrich Sante, ehemaliger Botschafter Deutschlands in Argentinien
Dr. Christian E. Rieck, Mitglied der „Latin American Studies Association LASA“, Universität Potsdam
Orlando Baquero, Geschäftsführer des Lateinamerika Verein e.V. (LAV)
Christian Hoffmann, Head of Geopolitics and International Relations, Siemens AG
wie geopolitische Dynamiken in der Region wirtschaftliche Fenster bzw. Türen öffnen. Die internationale Ordnung befindet sich im Wandel – mit weitreichenden Auswirkungen auf globale Wirtschaftsbeziehungen. In der Paneldiskussion wurde deutlich: Geopolitik ist längst Teil unternehmerischer Realität geworden. Während sich die USA zunehmend aus globalen Verpflichtungen zurückziehen, positioniert sich China strategisch – etwa durch Investitionen in Infrastruktur und gezielte wirtschaftliche Beteiligungen. Gerade für Europa ergibt sich daraus die Notwendigkeit, selbstbewusst und strategisch zu handeln. Dabei soll Deutschland und insbesondere Bayern eine Vorreiterrolle in der Integration der Länder Lateinamerikas in die globale Wirtschaft sein. Entscheidend sind dabei faire Partnerschaften auf Augenhöhe, echte lokale Wertschöpfung und eine starke, eigenständige industrielle Basis. Bayern kann dabei eine Brückenfunktion übernehmen: zwischen europäischen Interessen und lateinamerikanischen Wachstumsmärkten. Die Potenziale sind vielfältig – von erneuerbaren Energien und Wasserstoffprojekten über kritische Rohstoffe und industrielle Kooperationen bis hin zu Luft- und Raumfahrt, Automobilwirtschaft und Agrartechnologie. Auch die demografische Dynamik Lateinamerikas – mit einer jungen, gut ausgebildeten Bevölkerung – bietet Chancen für den Fachkräftebedarf in Bayern.
Dr. Ulrich Sante fasste die Situation prägnant zusammen:
„Deutschland ist als Partner in Lateinamerika immer noch hoch angesehen – aber man wartet nicht auf uns.“
Statt bestehende geopolitische Initiativen nur zu kritisieren, gelte es nun, mit eigenem Gestaltungswillen neue Partnerschaften zu etablieren und bestehende Potenziale konsequent zu nutzen. Die Diskussion machte deutlich: Bayern kann und sollte eine aktive Rolle in der Neuausrichtung globaler Wirtschaftsbeziehungen einnehmen.
Die kluge Moderation von Alexander Busch, Südamerika-Korrespondent für Handelsblatt und NZZ, sorgte für Tiefgang mit Tempo.
Märkte zum Anfassen – Pitch your Country!
Im Anschluss an die Paneldiskussion widmete sich die nächste Session den aktuellen Entwicklungen und Markttrends. In zwei lebendigen „Pitch Your Country“-Runden gaben AHK-Vertreterinnen und Vertreter aus über einem Dutzend Ländern direkte Marktupdates – kompakt, praxisnah, dialogorientiert. Sie machten klar: die Länder Lateinamerikas bieten bayerischen Unternehmen ein breites Spektrum an Kooperationsmöglichkeiten.
Lateinamerika zeichnet sich durch eine hohe Dynamik in zentralen Zukunftsbranchen aus – darunter erneuerbare Energien, Medizintechnik, nachhaltige Landwirtschaft sowie Shared Service Centers. Die Region verfügt über reiche natürliche Ressourcen, eine junge Bevölkerung und einen zunehmend wachsenden Mittelstandsmarkt. Auch Industrieparks, nachhaltige Entwicklungskonzepte, moderne Infrastrukturprojekte und Freihandelsabkommen schaffen attraktive Rahmenbedingungen für Investitionen. Hinzu kommt die strategische Lage vieler Länder – etwa als Zugangspunkt zu Märkten in der Karibik oder als Plattform für regionale Expansion.
Die langjährige Präsenz und Expertise der AHKs vor Ort bietet bayerischen Unternehmen dabei verlässliche Anlaufstellen, um Projekte professionell zu begleiten, Risiken zu bewerten und tragfähige Partnerschaften aufzubauen.
Panel "Unternehmen im Dialog" - ein Erfahrungsbericht
Erfrischend praxisnah zeigten Stephan Näder (ortevo GmbH), Esteban Venegas (BAUER Spezialtiefbau GmbH), Michael Jahn (Föckersperger Maschinen GmbH) und Prof. Matthias Notz (German Accelerator, Start2 Group GmbH) Einblicke aus ihrem unternehmerischen Erfahrungsschatz mit den Ländern Lateinamerikas. Kluge Fragen zu den Erfahrungen der Unternehmen stellte Dr. Claudia Bärmann Bernard, Repräsentantin des Freistaats Bayern für Brasilien.
Der Schlüssel für erfolgreiches Engagement in Lateinamerika liegt in vertrauensbasierten Partnerschaften und langfristig angelegter Zusammenarbeit. Besonders hervorgehoben wurden die Unterstützungsangebote der deutschen Auslandshandelskammern (AHKs), die mit ihrer Erfahrung, Marktkenntnis und engen Netzwerken wertvolle Brücken für den Markteinstieg und den Ausbau wirtschaftlicher Aktivitäten bieten. Für bayerische Start-ups und Mittelständler eröffnen sich in Lateinamerika große Potenziale – von der Größe der Märkte über die lokale Flexibilität bis hin zur hohen Wertschätzung für deutsche Qualität. Gleichzeitig dürfen typische Stolpersteine nicht unterschätzt werden: komplexe bürokratische Systeme, wie etwa das brasilianische Steuerrecht, sowie kulturelle Unterschiede und unterschiedliche zeitliche Abläufe bei Geschäftsprozessen erfordern Geduld, Anpassungsfähigkeit und ein feines Gespür für zwischenmenschliche Dynamiken. Kooperationen auf Augenhöhe werden erwartet. Persönliche Beziehungen, kontinuierliche Präsenz und gegenseitiges Vertrauen sind essenziell für nachhaltigen Erfolg. Das deutsche Mindset funktioniert auf dem lateinamerikanischen Markt nicht, sondern Offenheit, lokales Verständnis und das aktive Pflegen von Kontakten – beruflich wie privat, politisch wie wirtschaftlich. Wer bereit ist, Zeit zu investieren, sich auf neue Geschäftslogiken einzulassen und das vorhandene Netzwerk zu nutzen, dem eröffnen sich in Lateinamerika vielfältige Chancen.
Parallele Themenworkshops - Alle Präsentationen aus den Workshops finden Sie im Downloadbereich (Desktopversion: oben rechts, Mobile Ansicht: unten)
Im ersten Workshop wurde die Frage diskutiert, wie der Dialog zum Thema Fachkräfte und Ausbildung zwischen Bayern und Lateinamerika gefördert werden kann. Der Workshop bot wertvolle Einblicke in verschiedene Anwendungsfelder:
- Jacqueline Kreutzpointner, Leitung Marketing, Elektro Kreutzpointner GmbH
- Ana Milena Restrepo, Direktorin DEinternational, AHK Kolumbien
- Peter Hirsch, Koordinator AWE Lateinamerika, Agentur für Wirtschaft und Entwicklung (AWE)
Moderation: Elfriede Kerschl, Referatsleiterin Fachkräftesicherung, Arbeitsmigration, IHK München
In dieser Session stand der „Risiko-Check“ im Mittelpunkt – unter dem Motto Absichern, Fördern, Erfolgreich handeln! diskutierten Expertinnen und Experten, wie Unternehmen Risiken im Auslandsgeschäft erkennen, absichern und zugleich Chancen gezielt nutzen können.
Auf dem Panel sprachen:
- Matthias Klaholt, Consultant, Euler Hermes Aktiengesellschaft, Exportkreditgarantien der Bundesrepublik Deutschland
- Herwig Maaßen, Senior Manager, PricewaterhouseCoopers GmbH
- Bernd Höller, Head of Project & Export Finance, Brückner Group SE
- Robert Weiß, Senior Berater Internationales Geschäft und Gremien, S-International Bayern Süd
Moderation: Gabriele Vetter, Stv. Bereichsleiterin, IHK München
Im dritten Workshop „Handel ohne Hürden“ drehte sich alles um praktische Lösungen für Zollabwicklung, Logistik und stabile Lieferketten – zentrale Erfolgsfaktoren für den reibungslosen Marktzugang in Lateinamerika.
Wertvolle Einblicke lieferten:
- Marco Jänicke, Geschäftsführer, AHK Panama
- Stephan Freismuth, Director Indirect Tax Services, Trade & Customs, KPMG
- Daniel Oppermann, Spezialist Sourcing + Märkte, Import Promotion Desk
- Jens Leibbrand, Vertriebsleiter, DACHSER SE | Air & Sea Logistics
Moderation: Johanna Wegner, Referatsleiterin Zoll- und Außenwirtschaftsrecht, IHK München
Im Workshop „Partnerschaft für die Zukunft“ standen Wasserstoff und nachhaltige Energieprojekte im Fokus – mit einem klaren Blick auf das Potenzial Lateinamerikas als strategischer Partner für die Energiewende.
Diesen lieferten:
- Carolin Reiser, Referentin für internationale Angelegenheiten, Zentrum Wasserstoff.Bayern (H2.B)
- Dr. Thomas Ammerl, Fachbereichsleiter Umwelt, Energie & Bioökonomie, BayFor
- Mauricio Navarro, Head of Development, MAE Energy (Chile)
Moderation: Pamela Valdivia, Repräsentantin des Freistaates Bayern für Südamerika
Bildergalerie
Vorträge
Keynote: Dr. Christian E. Rieck
Transformation zwischen Geopolitik und Geoökonomie
Workshop I: Ana Restrepo - AHK Kolumbien
Merkblatt: Anwerbung von Fachkräften aus Kolumbien
Workshop IV: Dr. Thomas Ammerl, BayFOR
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Workshop IV: Carolin Reiser - H2.B
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Workshop IV. Mauricio Navarro MAE
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