04.06.2019

Bayerische Wirtschaft: Talfahrt setzt sich fort

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Die Stimmung in der bayerischen Wirtschaft kühlt sich weiter merklich ab. Besonders die Industrie verliert angesichts zunehmender globaler Risiken an Schwung, so das Ergebnis der Frühjahrs-Konjunkturumfrage des Bayerischen Industrie- und Handelskammertages (BIHK) unter rund 3.900 Unternehmen im Freistaat.

Stärkste Abkühlung seit Eurokrise / Konjunkturmotor Industrie kommt ins Stottern

Der BIHK-Konjunkturindex liegt bei 124 Punkten und hat sich damit zum vierten Mal in Folge abgeschwächt. Seit dem letzten Höchststand Anfang 2018 hat der Index zwölf Punkte eingebüßt. Das ist der deutlichste Stimmungsknick in der bayerischen Wirtschaft seit der Eurokrise der Jahre 2011 und 2012.

Dennoch liegt der Konjunkturindex weiter wesentlich über seinem langjährigen Durchschnitt. „Damit stehen die Zeichen weiter auf Wachstum, wenn auch in deutlich kleineren Schritten als bisher. Es gibt aus der Umfrage keine Anzeichen für eine Rezession“, sagte BIHK-Hauptgeschäftsführer Manfred Gößl bei einer Pressekonferenz in München. Eine Rezession liegt dann vor, wenn die Volkswirtschaft in zwei aufeinanderfolgenden Quartalen schrumpft.

Gößl betonte, dass immer noch jedes zweite befragte Unternehmen seine Geschäftslage als „gut“ bezeichnet. Die Bewertungen haben sich jedoch seit Jahresbeginn deutlich gedämpft. Der Saldo der Geschäftslage – errechnet als Differenz der Anteile positiver und negativer Rückmeldungen – ist über alle Branchen seit Jahresbeginn von 50 auf 43 Punkte gefallen, dies ist der niedrigste Wert seit dem Frühjahr 2016. In der Industrie hat sich die Geschäftslage deutlich verschlechtert. Dagegen melden Baugewerbe, Dienstleister und Einzelhändler relativ stabile Lageurteile.

Die Geschäftserwartungen der bayerischen Unternehmen für die kommenden zwölf Monate sind auf den niedrigsten Stand seit sechs Jahren gesunken. Der Saldo aller Branchen aus den Anteilen optimistischer und pessimistischer Rückmeldungen liegt bei 7 Punkten – ein deutlicher Rückgang gegenüber dem Vorjahreswert von 20 Punkten. Ein positiver Saldo deutet auf weiteres Wachstum hin. Industrie sowie Groß- und Einzelhandel sind nur verhalten zuversichtlich. In diesen Branchen halten sich Pessimisten und Optimisten die Waage. Im Bauhauptgewerbe und unter den Dienstleistern rechnen dagegen noch deutlich mehr Firmen mit besseren Geschäften als mit einer negativen Entwicklung.

Die gedämpften Lageurteile und Erwartungen schlagen sich in einer spürbar nachlassenden Investitionslaune nieder. Der Saldo der Investitionsabsichten sinkt auf 15 Punkte. Vor einem Jahr lag dieser Wert noch bei 25 Punkten. Nur noch 26 Prozent der Unternehmen wollen die Investitionsbudgets erhöhen, vor einem Jahr gaben das noch 33 Prozent an. Der Beschäftigungsaufbau dürfte in den kommenden Monaten ebenfalls an Fahrt verlieren. Der Saldo der Beschäftigungspläne sinkt auf 7 Punkte, der niedrigste Wert seit Frühjahr 2016. Nur noch jedes fünfte Unternehmen will Stellen aufbauen, mehr als zwei Drittel wollen die Belegschaften konstant halten und 12 Prozent wollen Stellen streichen. „Der Arbeitsmarkt bleibt damit stabil, der Stellenaufbau wird aber nicht mehr so stark sein“, unterstrich Gößl. „Der Fachkräftemangel ist allerdings nach wie vor das größte Risiko für die bayerische Wirtschaft. 61 Prozent der Unternehmen haben dies in unserer Konjunkturumfrage angegeben“, so Gößl weiter.

„Die Talfahrt der bayerischen Wirtschaft setzt sich fort“, stellte BIHK-Präsident Eberhard Sasse fest. Es sei daher höchste Zeit, die Standortbedingungen für die Unternehmen zu verbessern und eine aktive, wettbewerbsorientierte Wirtschaftspolitik zu verfolgen. „Die hohe Konjunkturunsicherheit droht ansonsten eine noch größere Investitionszurückhaltung auszulösen“, mahnte Sasse. „Das Gebot der Stunde zur Wiederbelebung der Konjunktur sind Anreize für Investitionen“, so Sasse weiter. Angesichts des internationalen Standortwettbewerbs seien niedrigere Unternehmens- und Einkommenssteuern unausweichlich, forderte der BIHK-Präsident.

Zudem müssten die Stromkosten für die Industrie gesenkt werden, etwa durch die Abschaffung der Stromsteuer und eine Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes. Als Sofortmaßnahme sollten Möglichkeiten zur degressiven Abschreibung wieder aufgenommen werden. Für eine schnellere Digitalisierung sollten Soft- und Hardware steuerlich bevorzugt werden, indem generell deutlich kürzere Abschreibungszeiträume für digitale Wirtschaftsgüter gelten. Ebenso müsse die Wertgrenze für sofort vollständig abschreibungsfähige Güter, die sogenannten geringwertigen Wirtschaftsgüter, umgehend von 800 auf 1.000 Euro angehoben werden.