Helena Melnikov: "Deutschland kann"
Wie tickt Berlin? Dr. Helena Melnikov, seit Jahresbeginn Hauptgeschäftsführerin der DIHK, zeigt sich beim IHK-Jahresempfang vor rund 500 Gästen verhalten optimistisch. "Wir können, wenn man uns lässt. Und Berlin kann auch." Damit Deutschland die Rezession hinter sich lassen könne, brauche es jedoch eine Politikänderung. "Wir wollen keine neuen Schulden für alte Politik."
Erkennt Berlin den Ernst der Lage?
Die DIHK-Hauptgeschäftsführerin wunderte sich beim Jahresempfang über die vergleichsweise gelassene Stimmung in Berlin. Angesichts einer Rezession, die ins dritte Jahr gehe, könnte man meinen, alle seien in Alarmzustand. Dies sei jedoch nicht der Fall, die Politik begegne diesem Problem eher nebenbei. Sie kritisierte, dass die Bubble in der Bundeshauptstadt das Hauptaugenmerk auf Pressemeldungen und Podcasts richte, aber den Blick auf die Wirklichkeit verliere.
Dies gelte ganz besonders für den ländlichen Raum. Dort werde nicht nur rund die Hälfte der Bruttowirtschaftsleistung erwartet, sondern dort seien auch die Hidden Champions zu Hause. Es liegt ihr jedoch fern, die erste Grabrede auf die neue Bundesregierung zu halten. Trotzdem warnte sie vor den Auswirkungen der immensen Neuverschuldung. "Ich glaube, der Aufprall kommt", so Melnikov. Besonders sorgt sie sich, dass bei der Neuverschuldung unter Umständen von Brüssel ein Anpassungsprogramm verlangt werde mit Einsparungen. Darauf habe die Politik keine Antwort und darüber hinaus brächte ein solcher Spardruck eine große Sprengkraft mit sich.
Melnikov: "Es braucht einen Politikwechsel"
Wirtschaft müsse als zentrales Element für Politik und Gesellschaft anerkannt werden. Die DIHK-Hauptgeschäftsführerin kritisierte, dass viel zu viel über Ausgaben geredet werde. Es brauche einen Politikwechsel, nicht nur schöne Worte. "Es muss sich substantiell niederschlagen."
Sie wies auf die große Rolle des Bundesrates hin. Zustimmungspflichtige Gesetze führten zu noch mehr Diskussionen. Auch in den Ländern brauche es mehr Verständnis für die Wirtschaft.
Als Beispiel nannte sie das Thema Energie, das dermaßen kompliziert reguliert sei, dass es niemand komplett verstehen könnte. Auch hielt sie die Ziele bei der Reduktion für Treibhausgasemissionen für zu hoch. "Die Klimapolitik darf nicht dazu führen, dass wir in Schönheit sterben." Sie forderte einen echten Wandel. "Wir wollen keine neuen Schulden für alte Politik", so Melnikov. Ganz besonders viel Wert legt sie auf den Bürokratieabbau. Sie hält es für untragbar, dass die Aufstellung eines Bebauungsplans aktuell 9,3 Jahre daure. "Da ist jeder Mittelständler weg."
Gefordert wird ein Wechsel des Mindset
Deutschlands Stellung in der Welt hänge entscheidend von seiner Wirtschaftskraft ab. Melnikov zeigte sich optimistisch, dass Politik und Wirtschaft gemeinsam die Rezession überwinden könnten. "Leistung wird sich immer durchsetzen", zeigte sie sich zuversichtlich.
In der Diskussion forderte Reinhold Krämmel ein "Klimarettungsmoratorium". Dieser Forderung setzte Melnikov den Gedanken an ein "Bürokratiemoratorium" entgegen. Georg Dettendorfer fragte, wie es bei einer wieder anziehenden Wirtschaft möglich sein soll, die dringend benötigten Fachkräfte aus dem Ausland, auch aus Drittstaaten zu bekommen. Für Melnikov ist hier die Balance aus Sicherheit und Willkommenskultur entscheidend. Nach Auffassung von Herbert Klein ist Leistung in Deutschland nicht mehr in. Wichtiger sei die work life balance. Helena Melnikov betonte, diesen Wechsel im Mindset könne man vorleben und positiv begleiten. Dies beginne schon im Kindesalter.
IHK-Präsident Klaus Josef Lutz dankte Helena Melnikov für ihren inspirierenden Vortrag.