IHK Umweltdialog - Den Kreislauf schließen – Effekte für Produkte und Hersteller
Auch der fünfte IHK Umweltdialog versprach eine bunte Mischung an Fachinformationen, KnowHow, Vernetzung und Diskussion zum Thema Anforderungen an Produkte und Hersteller im Rahmen der Kreislaufwirtschaft.
Vor dem Durchbruch
5. IHK-Umweltdialog zum Thema Kreislaufwirtschaft: Das Interesse der Unternehmen ist da, der Nutzen ist klar, es fehlt an der Umsetzung.
Pionierarbeit stand auf der Agenda der Jubiläumsausgabe: Der fünfte IHK-Umweltdialog fand am 3. Juli 2025 im Stammgebäude der IHK für München und Oberbayern statt. Das Ganze stand unter dem Motto „Den Kreis schließen – Effekte für Produkte und Hersteller“. Gut 120 Teilnehmer hatten sich angemeldet. IHK-Bereichsleiter Martin Drognitz sagte, er sei „sehr happy“ über das Interesse an diesem Thema.
Die IHK propagiert seit Jahren den Einstieg in die Kreislaufwirtschaft. Die IHK kooperiert dafür eng mit dem Ressourceneffizienz-Zentrum Bayern (REZ). Drognitz erklärte den Teilnehmern des Umweltdialogs die Gründe: Bayerns Rohstoffarmut, Klimaschutz, Kostenrisiken, die Dauersorgen vor Engpässen und gestörten Lieferketten.
Drognitz zitierte nahezu sensationelle Zahlen aus IHK-Umfragen. Demnach interessieren sich mehr als drei Viertel der bayerischen Firmen für die Kreislaufwirtschaft. 60 Prozent denken sogar über die Veränderung ihres Geschäftsmodells nach. Matthias Ballweg, Mitgründer von Circular Republic, sagte in seinem Vortrag, vermutlich seien diese Zahlen auch Folge des Gas-Schocks nach Beginn des Ukraine-Krieges.
Ballweg erklärte, beim Thema Ressouceneffizienz habe sich in jüngster Zeit viel getan. Mit Blick auf die Gesamtlage aber auch viel zu wenig. Das Problem verdeutlicht das Beispiel Smartphone. Die neuesten Modelle sind leicht. Sie wiegen weniger als 200 Gramm. Das Fraunhofer-Institut für Umwelttechnik hat errechnet: Die Herstellung eines Smartphones verbraucht 14 Kilogramm Primärressourcen und erzeugt 58 Kilogramm Treibhausgasemissionen.
Die Hersteller hatten in der Vergangenheit dafür gesorgt, dass die Konsumenten schnell ein neues Modell kauften – wegen rapide schwindender Akkuleistung und zeitlich befristeten Software-Updates. Laut einer Studie des Branchenverbands Bitkom vom April dieses Jahres liegen in den 40 Millionen deutschen Haushalten etwa 195 ungenutzte Handys, Smartphones und Tablets rum. Nach Rechnung des Instituts der Deutsche Wirtschaft könnte man mit Seltenen Erden und Edelmetallen aus diesen Altgeräten zehn Jahre lang neue produzieren.
Eine Verschwendung, die nicht die Zukunft sein kann. Gleichwohl fährt der Zug weiter in die falsche Richtung. Das belegt eine Studie, die 2024 von der niederländischen Organisation Circle Economy und der Beratungsgesellschaft Deloitte herausgegeben wurde. Danach ist der globale Anteil der Kreislaufwirtschaft seit 2018 rückläufig. Er ist von 9,1 Prozent auf 7,2 Prozent gesunken.
Auf dem Umweltdialog mühte sich Ballweg, das zu erklären. Er sagte, ein Grund für die „Gap“, die Umsetzungslücke, sei auch eine falsche Warnehmung. Kreislaufwirtschaft gelte in der Politik immer noch als „Weltverbesserungsthema“. Ballweg sagte, selbst die dramatischen Zahlen des Klimawandels und des Artensterbens zeigten keine Wirkung. Um Bewegung zu erzeugen, müsse man die „monetarisieren“: den Unternehmen klar machen, wie sehr das letztlich an ihr Geld geht.
Schon alle 1,4 Jahre, sagte Ballweg weiter, trete inzwischen in der Weltwirtschaft eine Krise auf, die einen Anstieg der Rohstoffpreise provoziere. Die Zollkriege des US-Präsidenten Donald Trump machten solche Krisen noch wahrscheinlicher. Anschaulich machte das Ballweg am Beispiel Neodym – einem Rohstoff, den man so ziemlich für alles braucht, was Zukunft verspricht: E-Autos, Windräder, Satelliten, Smartphones.
Das Problem laut Ballweg: Mit einem Marktanteil von 95 Prozent weltweit hat China das Monopol für den Neodym-Handel. Der Preis pro Kilo liegt im Schnitt bei 40 bis 50 Euro. Als China 2010 öffentlich über einen Exportstopp nachdachte, explodierte der Preis. Er erreichte gut 300 Euro. Als Konsequenz hat man in Deutschland und Frankreich begonnen, Neodym zu recyceln. Das rechnet sich aber erst, so bald der Preis über 50 Euro liegt. China reagiert darauf mit ungebremsten Neodym-Exporten – um den Preis zu drücken und die Wiederverwertung in Europa zu verhindern.
Vor dem Hintergrund forderte Ballweg strategische Weitsicht. Es wäre klug, jetzt die Start-up-Szene zu fördern, die sich auf dem Feld Kreislaufwirtschaft entwickelt. Knapp die Hälfte er weltweiten Investments in diese Technik fließe nach Europa. Anders als bei KI habe der alte Kontinent hier die Chance, die Nr. 1 der Welt zu werden.
Einige Unternehmen gehen da mutig voran. Ballweg nannte als Beispiel Patagonia. Die Kultmarke bietet die Wiederaufbereitung von „Worn Wear“ an. Offenbar geht das inzwischen auch im Massengeschäft. Ballweg berichtete, der Discounter Decathlon erledige inzwischen drei Millionen Reparaturen jährlich und mache damit Millionen-Umsätze. Auch Kaufland habe ein Pilotprojekt gestartet.
Gute Ansätze, aber den Durchbruch bedeuten sie bei weitem nicht. Die Diskussion über die Frage „Welche Instrumente benötigt eine funktionierende Kreislaufwirtschaft?“ stand daher im Fokus der Veranstaltung. Ebenso wie IHK-Sprecher Drognitz forderte Prof. Reinhard Büchl, Gründer des Instituts für angewandte Nachhaltigkeit, eine gute Regulierung. Er sagte, man müsse prüfen, ob sich der Aufwand für die ganzen Berichtspflichten lohne – und was die EU damit anstellen wolle.
Absolut unterlassen müsse die Politik ein Hin und Her wie beim Streit um den Verbrenner in der Autoindustrie. Wer Innovation und Investitionen wolle, müsse der Wirtschaft klar und verlässlich sagen, bis wann was gehe oder verboten sei. Lars Zeggel, Abfallexperte des bayerischen Landesamts für Umwelt (LfU), schlug vor, das fortzusetzen, was sich mit Umweltpakt und REZ schon bewährt habe: Netzwerke bilden, mit Forschung Unternehmen unterstützen und über die Kooperation mit den bayerischen IHKs auch die Masse der Firmen ansprechen.
Christine Betz, Nachhaltigkeitsmanagerin bei BSH Haushaltsgeräte, erklärte, alles hänge an der Wettbewerbsfähigkeit. Es sei klar, dass lineare Geschäftsmodelle – kaufen, nutzen, wegwerfen – keine Zukunft hätten. Man brauche heute langlebige, reparierfähige Produkte, um sich der Loyalität der Kunden sicher zu sein. Teil der Realität sei aber auch, dass dank der Plattform Temu chinesische und koreanische Hersteller mit Billig-Kühlschränken den Markt überschwemmten.
In München ist dieser Widerspruch besonders krass. Einerseits will die Stadt sich zum „Zero Waste Innovation Hub“ und bis 2035 zur klimaneutralen München entwickeln. Andererseits verbraucht ein Münchner im Schnitt pro Jahr 32 Tonnen Rohstoffe. Das sind elf Tonnen mehr als der deutsche Durchschnitt. Münchens Umweltreferentin Christine Kugler bezifferte die „Zirkularitätsquote“ mit nur knapp drei Prozent. Auf fünf bis sechs Prozent wolle man in den nächsten Jahren kommen.
Ihren Worten zufolge verbraucht München pro Jahr 50 Millionen Tonnen Material. 80 Prozent davon im Bau. Folglich will die Stadt genau da ansetzen: bei der öffentlichen Beschaffung, mit einer Bauteil-Börse und Bauschutt-Recycling. In der Stadt gibt es nun Repair-Cafés, man will recycelte Elektrogeräte fördern. Kugler kritisierte das Nein der Staatsregierung zu einer kommunalen Verpackungssteuer. Das hätte der Abfallvermeidung gut getan.
Auch Prof. Büchl sah in der Kostenwahrheit einen wichtigen Hebel. Ein spürbarer CO2-Preis verhindere, dass recyceltes Material teurer sei als neues. Den jetzigen Zustand nannte er unbefriedigend. Der Durchbruch werde man nur dann erzielen, wenn die Wiederverwertungsprofis bei den Produktentwicklern quasi auf dem Schoß sitzen.
Den zweiten Teil des Umweltdialogs bildeten sogenannte „Themenforen“. Hier ging es um die Unterstützung der Unternehmen bei konkreten Fragen zur EU-Verpackungsverordnung, dem digitalen Produktpass, der erweiterten Herstellerverantwortung bei Textilien und der Berichtspflicht zur Kreislaufwirtschaft.
Fazit der Veranstaltung: Das Thema Kreislaufwirtschaft wird die IHK und Oberbayerns Wirtschaft in nächster Zeit weiter beschäftigen. Als Sofortmaßnahme können Unternehmer mit der kostenlosen App „Circularity Scan Readiness“ von Circular Republic testen, wie reif sie für den Einstieg in die Kreislaufwirtschaft sind. Im September wird die IHK in Brüssel mit einer Diskussionsveranstaltung Einfluss nehmen auf die EU-Pläne für Öko-Design und Kreislaufwirtschaft.
Von Martin Armbruster