Management 3.0
Junge Fachkräfte binden
Als mittelständischem Unternehmen laufen einem junge Fachkräfte nicht unbedingt in Scharen zu – wer aber auf eine gute Zusammenarbeit mit Hochschulen setzt und seine Werkstudenten gut betreut, hat in der Regel gute Chancen, sie zu finden. Sie dann aber an das Unternehmen zu binden, ist eine ganz andere und deutlich kompliziertere Herausforderung.
Diese Erfahrung hat auch die TechDivision GmbH gemacht. Das Online-Unternehmen, mit zwei Standorten, in München und Kolbermoor, unterstützt zahlreiche nationale und internationale Kunden bei der Realisierung von Webprojekten, wie zum Beispiel Shoplösungen, Corporate Websites und Intranetlösungen. Das heißt, es werden unter anderem jede Menge Entwickler und Projektmanager gebraucht. Das Finden war und ist dabei nicht unbedingt ein Problem – auch nicht für den Standort Kolbermoor. Die schon erwähnte gute Zusammenarbeit mit Hochschulen und ein gut eingespieltes Werkstudenten-Programm zahlen sich für die TechDivision aus. Das Halten der Fachkräfte war da in der Vergangenheit eine fast noch größere Herausforderung. Und ein Grund für das Führungsteam, einen Strategie-Workshop anzusetzen.
Das war vor vier Jahren
Die Aufgabe damals: Wie halten wir unsere Fachkräfte? Die Intention: Wir wollen ein attraktiver, moderner Arbeitgeber sein. „Uns war klar, dass insbesondere die jungen Fachkräfte inzwischen oft andere Ansprüche haben, als einen Firmenwagen“, so Josef Willkommer, einer der Geschäftsführer der TechDivision. „Wer heute von der Uni kommt, hat häufig andere Präferenzen. Mitgestaltung, sinnvolle Aufgaben, flexible Arbeitszeiten, Home Office, das sind die Dinge, die wichtig sind.“ Unter der Führung von Agile Coach Sacha Storz widmete sich das Führungsteam daher zwei Tage lang der gestellten Aufgabe. Am Ende war klar: Wir stellen uns um und bauen unsere Hierarchien ab.
Gesagt, getan
Der Umstieg wurde umgehend und konsequent umgesetzt und verlief problemlos. Die Mitarbeiter übernahmen deutlich mehr Verantwortung mit entsprechender Entscheidungsgewalt. Alles lief gut, das Unternehmen hatte eine Auslastung von 110 Prozent, die Stimmung war ausgezeichnet. Dann sprangen zwei große Kunden ab und die Situation schlug um – von „Yes, we can“ zu Überforderung. „Für uns war das damals ein echtes Aha-Erlebnis,“ rekapituliert Josef Willkommer. „Wir haben gemerkt, dass so eine radikale Umstellung nicht funktioniert, dass da einfach die Erfahrung fehlt. Und dass wir einen Mittelweg finden müssen, mit klaren Führungspositionen an einigen neuralgischen Punkten sowie einigen „Leitplanken“ zur Orientierung. Ein junger Kollege meinte damals, dass ihm nach zwölf Jahren Schule und vier Jahren Studium, während denen immer entweder die Lehrer oder die Professoren gesagt haben, wo es langgeht, die Orientierung fehlt. Seitdem justieren wir permanent nach.“
Drei Tipps von Geschäftsführer Josef Willkommer
Zu Beginn eines internen Agilisierungsprojekts mit anderen Unternehmen sprechen, die sowas schon umgesetzt haben. Ihre Hands-on-Erfahrungen können einen vor manchem Fehler bewahren. Auch ein Coach, der das Projekt begleitet und eine unvoreingenommene Außensicht hat, kann sich als äußerst lohnend und hilfreich erweisen.
Die Mitarbeiter möglichst früh ins Boot holen und ihnen sagen, wohin die Reise gehen soll. Das erleichtert jede Art von Wandel und gibt die Chance zur Korrektur, wenn man beispielsweise über eine Umfrage unter den Mitarbeitern klärt, was ihnen tatsächlich wichtig ist – also lieber mehr Selbstverantwortung oder klassisches „Command-and-control“?
Es klappt nicht immer alles von Anfang an. Dann heißt es: Nicht aufgeben! Unternehmen müssen mittel- und langfristig denken und sich klarmachen, dass sie in den meisten Fällen nicht sonderlich viele Optionen haben. An dieser Stelle sei auch das bekannte Zitat „Change is never painful, only the resistance to change“ verwiesen, das im Content modernen Managements und Mitarbeiterführung aktueller denn je ist.
Strategie: Mitarbeitern mehr Verantwortung geben
Als erfolgreicher Mittelweg hat sich für die TechDivision ein sukzessives „in-die-Verantwortung-nehmen-der-Mitarbeiter“ erwiesen, im Rahmen von einigen durch „Learning by doing“ gesetzten Leitlinien und Prozessen. Neue Prozesse oder Tools werden dabei zunächst häufig im etwas kleineren Münchner Team getestet, bevor sie generell eingeführt werden. Geblieben ist, dass die Mitarbeiter mehr Verantwortung tragen und im Rahmen ihrer Aufgabe viele Entscheidungen autark treffen können. Davon profitieren sie ebenso wie das Unternehmen. Die Teams werden zu Unternehmern im Unternehmen und sind in der Lage, in einem schnelllebigen Markt agiler reagieren zu können, ohne durch lange Abstimmungsschleifen ausgebremst zu werden. „Der Mitarbeiter ist ohnehin oft tiefer im Thema als die Geschäftsleitung,“ weiß Josef Willkommer. Wie mehr Verantwortung und Mitbestimmung in der Praxis aussehen, zeigen ein paar Beispiele:
Hiring by the team – die Entscheidungen für Neueinstellungen liegen beim entsprechenden Team. Ein Mitglied der Geschäftsleitung kann zwar beim Bewerbungsgespräch dabei sein und hat auch ein bislang noch nie genutztes Vetorecht, aber das Team entscheidet und ist auch für die Lösung von eventuellen Problemen mit dem neuen Mitarbeiter verantwortlich.
Mentorenprogramm – jeder neue Kollege bekommt einen Mentor zur Seite gestellt, der sich zum Beispiel in den ersten sechs Monaten regelmäßig mit ihm zusammensetzt, um zu sehen, wie es dem neuen Kollegen geht.
Budgetfreigaben – im Rahmen der jeweiligen Position können Mitarbeiter Budgets ohne lange Freigabeschleifen handhaben, um schnelle Entscheidungen zu ermöglichen. Jeder Mitarbeiter kann darüber hinaus jederzeit im Rahmen von 20 Euro nötige Anschaffungen tätigen – ohne Freigabe und wenn nötig auch mehrmals am Tag.
Home Office – Arbeiten vom Home Office aus, ist in Absprache mit dem jeweiligen Team jederzeit möglich.
Und der Erfolg? Spricht für sich: Unternehmen, Mitarbeiter und letztlich auch die Kunden profitieren von reibungsloseren Abläufen und damit schnellerer Umsetzung der Projekte. Und: die Fluktuation liegt bei nahezu Null. Das „Gesamtpaket“, das TechDivision den Mitarbeitern bietet, stimmt: ein Team, das ähnlich tickt, wie man selbst und ein Arbeitsplatz, an dem man etwas bewegen kann. Beste Bewertungen auf Kununu und Glassdoor bestätigen das. „Die Positionen, die wir besetzen mussten, konnten wir mit ausgezeichneten Leuten besetzen“, so Josef Willkommer. „In der Konkurrenz mit den Großunternehmen, stehen wir gut da. Zwei Kollegen, die in ein Großunternehmen gewechselt sind, kamen nach kurzer Zeit sogar zurück – weil sie etwas bewegen wollen und sich entsprechende Handlungsspielräume wünschen.“