Integration

Erfolgreiche Ausbildung von Flüchtlingen bei den Stadtwerken München

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5 Fragen an Bernhard Hanslmaier von den Stadtwerken München (SWM). Im Rahmen des Projekts „BVBpro“ macht er junge Geflüchtete fit für die Berufsausbildung.

Herr Hanslmaier, Sie sind bei den Stadtwerken München im Ausbildungszentrum tätig. Was sind Ihre Aufgaben?

Ich bin Teamleiter der Metallausbildung und als stellvertretender Ausbildungsleiter für das Stadtwerkeprojekt und das Projekt BVBpro verantwortlich.

Das Stadtwerkeprojekt für benachteiligte Jugendliche führen wir schon seit 30 Jahren durch. Innerhalb dieser Initiative helfen wir pro Jahr vier bis fünf sozial benachteiligten Jugendlichen in eine Ausbildung zu kommen. Während der gesamten Ausbildung werden diese Jugendlichen sozialpädagogisch begleitet. Zu den Problemfeldern der Jugendlichen können z.B. schwierige familiäre Verhältnisse, Suchtprobleme, psychische Probleme, Traumatisierung, Schulden o.ä. zählen.

Das Projekt BVBpro ist ein weiteres zentrales Projekt. Was verbirgt sich dahinter?

Hierbei handelt es sich um ein weiteres Projekt in der Metallausbildung, das aktuell im zweiten Jahr läuft. BVBpro steht für ‚Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme für junge Flüchtlinge mit einem produktionsorientierten Ansatz‘. Hier stellen wir 20 Plätze für Geflüchtete zur Verfügung, um sie ein Jahr lang fit für die Berufsausbildung zu machen. Nachhaltigkeit ist uns dabei sehr wichtig: Ziel ist, dass alle Geflüchteten am Ende des Jahres einen Ausbildungsplatz erhalten.

Das Besondere an BVBpro ist, dass nicht nur Theorie, sondern auch Praxis vermittelt wird. Am Vormittag bohren die jungen Männer beispielsweise in der Werkstatt, während sie nachmittags das fachbezogene Vokabular dazu im Deutschunterricht lernen. Deutschlehrer, Sozialpädagogen und Ausbilder arbeiten hier sehr eng zusammen und sind die Hauptkontaktpersonen für die jungen Geflüchteten. Das Projekt wird zur Hälfte von der Agentur für Arbeit und zur anderen Hälfte von den SWM München finanziert.

Was gefällt Ihnen besonders an der Arbeit mit jungen Geflüchteten?

Das Schöne an der Arbeit mit jungen Geflüchteten ist, dass wir gesellschaftspolitisch etwas bewegen und unser Unternehmen gleichzeitig gewinnt. Denn die jungen Menschen, die wir fördern, bleiben ihren Unternehmen treu und sind langfristig gute Mitarbeiter. Auch wir von den SWM haben schon einige Teilnehmer aus dem BVBpro Projekt als Auszubildende übernommen. Die Migranten sind stolz auf das, was sie im Projekt vollbringen. Oft produzieren sie Videos mit ihrem Handy, wie sie beispielsweise ein Wasserrohr abdichten. Dieses zeigen sie später ihren Freunden und Bekannten.

Als ganz besonders positives Beispiel fällt mir dabei Joseph Omos ein. Als der junge Mann bei unserem Projekt BVBpro anfing, hatte er den großen Traum Busfahrer zu werden, aber er hatte keinen deutschen Führerschein. Wir sind dann mit ihm und seiner Frau in die Buswerkstätte gefahren, haben ihn in eine Busfahreruniform gesteckt und ein Bild von ihm am Steuer eines großen Gelenkbusses gemacht. Dieses Visionsbild hat ihn auf seinem langen Weg zur Erfüllung seines Traums Stück für Stück begleitet. Heute ist er seinem Ziel schon sehr nahegekommen. Die Führerscheinprüfung für Auto und Bus hat er bereits bestanden. Aktuell bereitet er sich noch auf die Anhängerprüfung vor und im August beginnt sein Einsatz als Busfahrer bei den SWM.
Die aktuelle Quote unseres BvBpro-Projekts ist ebenfalls vielversprechend: Von den 15 jungen Geflüchteten haben nur zwei abgebrochen und zwei sind derzeit unversorgt, neun sind direkt in eine Ausbildung übergegangen und der Rest hat eine Anstellung gefunden.

Welchen Herausforderungen sind Sie mit dem Projekt BVBpro begegnet?

Natürlich verzeichnen wir große Erfolge, aber das Projekt ist keine rosarote Wolke. Wir sind nicht jeder Problematik immer gleich gewachsen. Die Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit der jungen Geflüchteten war am Anfang eine große Herausforderung. Das liegt vor allem daran, dass diese jungen Menschen oft Probleme mit der Unterkunft haben, denn sie wohnen in Massenunterkünften und finden nachts keine Ruhe. Die Folge ist, dass sie zu spät kommen oder im Unterricht einschlafen. Sie leiden an Übermüdung und schlechter Ernährung.

Eine weitere Hürde ist die Tatsache, dass die jungen Menschen vom Staat eine Fahrkarte Isarcard 9 Uhr gratis bekommen – aber unsere Arbeit beginnt um 7 Uhr. Um die Übergangszeit bis zur Genehmigung der normalen (teureren) Isarcard zu überbrücken, haben wir den jungen Migranten deshalb anfangs Streifenkarten zur Verfügung gestellt. Natürlich sorgen auch die vielen Amtsgänge und die Angst vor Abschiebung bei den Geflüchteten für Frustration. Dann fallen sie in ein Motivationsloch und erscheinen drei Tage nicht bei der Arbeit. Das ist besonders für die Ausbilder schwierig, denn diese sind gewisse Strukturen gewohnt. Aber für solche Fälle haben wir hier Sozialpädagogen, die ganze Arbeit leisten. Auch Themen wie Ramadan, Zuckerfest oder Beten am Arbeitsplatz sind Dinge, die wir mit den jungen Menschen individuell diskutieren.

Was ist Ihr Tipp für Unternehmen, um Geflüchtete betrieblich zu integrieren?

Das Hauptkriterium, um Geflüchtete erfolgreich zu integrieren, ist die Sprachkompetenz. Wenn Unternehmen Geflüchtete annehmen, muss zusätzliche Unterstützung organisiert werden – im Sinne von Nachhilfeunterricht. Dieser sollte vom ersten Tag an stattfinden. So kann verhindert werden, dass aus sprachlichen Defiziten fachliche Defizite entstehen. Ein tolles Projekt ist auch unsere Kooperation mit der „Schlauschule“- (SchlaU: Übergang Schule-Beruf), denn oft haben wir die Herausforderung, dass unsere Ausbilder nicht auf die Probleme jedes Einzelnen unserer Auszubildenden individuell eingehen können.

Oft bemerken die Ausbilder beispielsweise, dass die Migranten in der täglichen Kommunikation gut sind, sich aber nicht mit fachbezogenen Wörtern ausdrücken können. Hier besteht die Gefahr, dass sie dem Unterricht nicht folgen können und daraus Lernlücken entstehen. Wenn wir also bei einem unserer Azubis mit Migrationshintergrund ein Sprachdefizit bemerken, vereinbaren wir für diesen einen Kurs in der Schlauschule, wo sie dann einmal pro Woche vier Unterrichtseinheiten zu Lernstrategien sowie fachbezogenen Deutschunterricht erhalten. Das entlastet den Ausbilder und die Teilnehmer kommen in der Berufsschule besser mit. Momentan besuchen fünf unserer Azubis den Unterricht in Kooperation mit der Schlau-Schule: Drei Personen aus Afghanistan, eine aus Gambia und eine aus Eritrea. Die Deutschförderung ist ein sehr wichtiger Baustein in der Ausbildung und die Schlauschule ist dabei ein sehr kompetenter Partner.