Pressemeldung vom 18.04.2018 - Bad-Tölz-Wolfratshausen

Wirtschaft will Zuzug von ausländischen Fachkräften erleichtern

Ausländer werden zu einer immer wichtigeren Stütze für den Arbeitsmarkt im Landkreis. Der Anteil der Beschäftigten ohne deutschen Pass ist in den vergangenen fünf Jahren von 10,3 auf 15,5 Prozent gestiegen. Insgesamt gehen über 5.600 Ausländer einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung im Land­kreis nach, so die aktuellen Zahlen der Arbeitsagentur.

Im Landkreis haben 15,5 Prozent der Beschäftigten keinen deutschen Pass

Weil der Fachkräfte­mangel zulegt und die Zahl der offenen Stellen weiter steigt, fordert die IHK für München und Oberbayern jetzt eine Reform des Zuwanderungsgesetzes. „Das derzeitige Reglement geht an den Bedürfnissen der Wirtschaft vorbei. Trotz Voll­beschäftigung gibt es große Personallücken in den Unternehmen, deswegen sind Zuwanderer mittlerweile ein wichtiges Fachkräftepotenzial“, sagt Reinhold Krämmel, Vorsit­zender des IHK-Regio­nalausschusses Bad Tölz-Wolfratshausen.

Krämmel betont, dass der Stellenaufbau im Landkreis bereits zu 52 Prozent von ausländischen Fachkräften getragen werde. Bayernweit stammen die meisten Neuankömm­linge derzeit aus EU-Ländern, vor allem aus Rumänien, Kroatien, Polen und Ungarn. EU-Angehörige genießen in Deutschland freies Aufenthaltsrecht zur Arbeits­aufnah­me. Die IHK kritisiert, dass die Zuwanderung aus Drittstaaten dagegen kaum eine Rolle spiele, weil sie zu unübersichtlich und realitätsfern geregelt sei. „Ein Beispiel sind die viel zu stark eingeschränkten und damit weitgehend nutzlosen Listen von Engpassberufen“, so der Vorsitzende. „Wie andere Industrieländer brauchen wir eine gesteuerte Zuwanderung, die wirksam auf Engpässe am Arbeitsmarkt reagiert“, sagt Krämmel.

Neben generellen Erleichterungen für Zuwanderer mit einem konkreten Jobangebot in Deutschland schlägt die IHK als zweite Schiene ihres neuen Zuwanderungs­modells ein Punktesystem vor. Wie etwa in Kanada könnten Einwanderer eine zunächst befristete Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis bekommen, wenn sie anhand von Kriterien wie Alter, Bildungsgrad, Qualifikationen, Sprachkenntnissen und Integrationsfähigkeit eine Mindest-Punktezahl erreichen. Beide Zuwanderungskanäle, von Fachleuten als „marktorientiert“ respektive „potenzialorientiert“ bezeichnet, könnten über jährliche Kontingente fortlaufend an das Bevölkerungswachstum oder Konjunkturschwankungen angepasst werden.

Krämmel unterstreicht, dass die Zuwanderung nur eins von mehreren Instrumenten zur Linderung des Fachkräftemangels sei. „Mit der ‚Rente mit 63‘ hat die Politik der Wirtschaft allerdings einen Bärendienst geleistet und die Anstrengungen der Betriebe zur Beschäftigung Älterer konterkariert. Der Fachkräftemangel hat sich dadurch noch einmal massiv und zum demografisch ungünstigsten Zeitpunkt verschlimmert. Die Wirtschaft wartet auch weiter auf eine flächendeckende und bedarfsgerechte Kinderbetreuung und Ganztagsschulen, damit Familien Erziehung und Beruf besser unter einen Hut bringen und die Erwerbstätigkeit von Eltern zunimmt. Stattdessen werden laufend neue Rechtsansprüche zur einseitigen Arbeitszeitverkürzung durch Arbeitnehmer diskutiert, wodurch ebenfalls wertvolles Fachkräftepotenzial verloren geht“, so der IHK-Regionalausschussvorsitzende.

Das Zuwanderungsmodell wurde im Auftrag der IHK für München und Oberbayern vom ifo Institut München entwickelt.