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Führungstrio – Stefan Schneider (l.), Detlef Schneider (M.) und Rüdiger Stahl

Führungstrio – Stefan Schneider (l.), Detlef Schneider (M.) und Rüdiger Stahl

© TQ-Systems

Elektronik mit Substanz

TQ-Systems ist ein Musterbeispiel für Innovationskraft. Wie der breit aufgestellte Technologieführer auf Herausforderungen wie globale Krisen und Fachkräftemangel reagiert.

Von Michaela Geiger, IHK-Magazin 11-12/2025

Idyllischer kann ein Firmensitz kaum liegen: Inmitten grüner Wiesen und unweit des Wörthsees liegt Gut Delling bei Seefeld – ein historischer Gutshof, heute Sitz eines Hightech-Unternehmens mit mehr als 2.000 Mitarbeitenden und 14 Standorten weltweit. Von hier aus lenken die Gründer Detlef Schneider und Rüdiger Stahl seit 1994 die Geschicke der TQ-Systems GmbH, eines der führenden Elektronikdienstleister Deutschlands.

„1994 war eigentlich kein guter Zeitpunkt für eine Gründung“, erinnert sich Stahl. Die deutsche Elektronikbranche steckte in der Krise, asiatische Wettbewerber eroberten den Markt. Doch TQ nutzte die Lücke: Statt sich auf reine Fertigung oder Entwicklung zu beschränken, kombinierte das Unternehmen beides – Engineering-Dienstleistung und Produktion sowie Vermarktung eigener Elektroniklösungsbausteine und modularen Systembau.

Diese klare Positionierung wurde zum entscheidenden Wettbewerbsvorteil und hat sich bis heute bewährt. Stahl: „Das breite Leistungsangebot hat uns schnell als Partner für individuelle Elektroniklösungen etabliert – auch bei großen Kunden.“

Produktion auf Testmaschinen

Der Start war bodenständig: mit gebrauchten Maschinen, einfachen Büroräumen und Möbeln aus Betriebsauflösungen. Das nötige Startkapital stellte die lokale VR-Bank Andechs zur Verfügung. „Dort gab es einen weitsichtigen Standortleiter, der entschied, TQ zu fördern“, sagt Stahl. Ein Glücksfall, denn viele größere Banken lehnten ein Engagement in der Elektronikbranche damals ab. Der erste Auftrag kam sogar noch vor dem Erwerb eigener Maschinen: TQ durfte im Applikationszentrum von Siemens auf deren Testmaschinen produzieren.

Die Verbindung zu dem Konzern und anderen Großkunden war ein entscheidender Startvorteil. Und der Plan ging auf: TQ war von Anfang an profitabel. Bis heute ist das Unternehmen finanziell unabhängig; alle Investitionen inklusive der Expansion ins Ausland stemmte es stets aus eigener Kraft.

Nach 3 Jahrzehnten die erste Krise

TQ-Systems ist in nahezu allen Branchen vertreten, in denen professionelle Elektronik gebraucht wird: von der Medizintechnik über die Luft- und Raumfahrt, Energietechnik und Robotik, Agrartechnik sowie Diagnosesysteme bis hin zu Nutzfahrzeugen und der Schifffahrt. Einzige Ausnahmen: der Automobilsektor und weiße Ware.

Diese Streuung über viele Branchen garantierte Wachstum und verlieh in vielen Phasen Stabilität – bis 2023. „So eine Krise wie in den vergangenen 2 Jahren haben wir noch nie erlebt“, sagt Stahl zu den jüngsten Marktturbulenzen. Der Grund: pandemiebedingte Überbestellungen, übervolle Lager, eingebrochene Nachfrage – vor allem in Zukunftsbranchen wie Photovoltaik, Energiespeicher oder E-Mobilität.

Rückgänge von bis zu 50 Prozent

„Die Marktführer in Europa, die wir beliefern, haben ihre Abrufe teilweise 1 Jahr lang ausgesetzt“, so Stahl. Das hatte erhebliche Auswirkungen auf das operative Geschäft. Die Investitionsgüterindustrie, ein wichtiger Abnehmer, verzeichnete Rückgänge von bis zu 50 Prozent.

Auch die Wechselrichter-Fertigung – eine ursprünglich starke Säule des TQ-Geschäfts – brach stark ein, weil asiatische Anbieter mit günstigen Produkten Druck machten. Eine Verlagerung ins Ausland kommt für das Unternehmen dennoch nicht infrage. „Wir wollten immer vor Ort produzieren – mit Know-how, Effizienz und Qualität“, betont Stahl.

Mitarbeiter bei der Montage an einer Produktionslinie von TQ-Systems in Inning

Produktion in Inning – Erfahrung der Mitarbeitenden als Wettbewerbsfaktor

Product Compliance Center, modulare Lösungen

Stattdessen setzt TQ auf Investitionen in Automatisierung, Digitalisierung und Robotik. Fertigung, Entwicklung und Zulassung sind heute bei TQ eng verzahnt – inklusive eines eigenen, hochmodernen Prüf- und Zertifizierungszentrums: Das TQ Product Compliance Center (PCC) in Augsburg bietet Kundenunternehmen umfassende Unterstützung bei der Produktzulassung. Unter anderem werden Prüfungen zu elektromagnetischer Verträglichkeit, Funktechnik, Brandschutz und elektrischer Sicherheit durchgeführt.

Ein weiterer Erfolgsfaktor sind modulare Lösungsbausteine, sogenannte Embedded-Module, die in unterschiedlichsten Maschinen eingesetzt werden. Sie ermöglichen es Kunden, Entwicklungszeiten zu verkürzen und Produkte schneller zur Marktreife zu bringen. Komponenten für Antriebe, Maschinen und Energiemanagementsysteme sind bei TQ langfristig verfügbar – ein Mehrwert, den gerade Industriekunden schätzen.

Außerdem ist die TQ-Group Industriepartner der Leuchtturm-Initiative KI.Fabrik Bayern der Munich School of Robotics and Machine Intelligence und der TU München (TUM). Das Unternehmen bringt dort seine Erfahrung in Digitalisierung und Automatisierung ein.

Im Fünf-Seen-Land zuhause

TQ ist in Seefeld tief verwurzelt. „Hier schlägt das Herz unseres Unternehmens“, sagt Stahl. Viele Mitarbeitende sind seit Jahrzehnten dabei. Ähnliches gilt für andere TQ-Standorte wie Durach im Allgäu. Die Erfahrung und Loyalität der Teams sind ein zentraler Wettbewerbsfaktor – aber keine Selbstverständlichkeit.

Denn auch die Kehrseite des Standorts Deutschland ist bei TQ zu spüren – neben hohen Kosten ist das ein zunehmend schwieriger Arbeitsmarkt. Stahl nennt ein Beispiel: „In Slowenien können wir binnen Tagen neue Mitarbeitende für einfache Produktionstätigkeiten finden. In Oberbayern dauert es oft Monate.“ Gerade für einfache Tätigkeiten lohne sich Arbeit für viele Menschen finanziell kaum. „Ein paar Hundert Euro Unterschied zwischen Arbeit und Grundsicherung – das reicht nicht als Anreiz“, so Stahl. Gleichzeitig fehlten zunehmend qualifizierte Ingenieure.

Zuviel Papierkram

Ein weiteres wachsendes Problem sieht Stahl in der Bürokratie: „In den letzten 10 Jahren ist der Verwaltungsaufwand massiv gestiegen.“ Für ein Unternehmen mit rund 2.000 Lieferanten sei es kaum praktikabel, für alle Nachhaltigkeitsberichte, CO2-Daten oder Herkunftsnachweise vorzulegen. „Die Zielsetzung ist richtig – aber die Umsetzung ein Bürokratiemonster“, kritisiert er.

Trotz aller Herausforderungen: TQ gilt als attraktiver Arbeitgeber – auch dank gelebter Mitarbeiterkultur. Zusätzlich bietet das Unternehmen attraktive Benefits wie eine firmeneigene Berghütte, ein Kinderhaus auf dem Firmencampus oder den Zugang zum unternehmenseigenen Badeplatz am Wörthsee.

Nachwuchs top

Besonders engagiert ist TQ in der Ausbildung. „Unsere Azubis zählen regelmäßig zu den Jahrgangsbesten“, sagt Stahl stolz. Flankiert wird das durch duale Studiengänge, Praxissemester und die Betreuung von Masterarbeiten – ein direkter Kanal zur Nachwuchssicherung.

Stahl plädiert für mehr Bildungsanreize in den MINT-Berufen (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) und appelliert: „Wir brauchen mehr junge Menschen in technischen Berufen – nicht nur in Wirtschaft oder Jura. Deutschland war immer stark, weil es auch produziert hat. Das dürfen wir nicht vergessen.“

Auf dem richtigen Kurs

Trotz dreier Krisenjahre blickt TQ optimistisch nach vorn. Neue Kunden, erste Markterholung, Investitionen in Zukunftsfelder – die Zeichen stehen auf Kurskorrektur. Die Geschäftsführung ist langfristig aufgestellt: Neben den beiden Gründern ist mit Stefan Schneider, dem Sohn von Detlef Schneider, auch die nächste Generation bereits an Bord. Die Aufgaben sind klar verteilt, Vertretung jederzeit möglich – ein nachhaltiges Modell.

Strategisch will das Unternehmen seiner Linie treu bleiben: Wachstum ohne Fremdkapital, Qualität vor Geschwindigkeit. Die nächste Etappe? Weitere Investitionen in nachhaltige Technologien – solide, eigenfinanziert, mit einem klaren Fokus auf Innovation und fest verwurzelt im oberbayerischen Seefeld.