IHK-Magazin, 11-12/2025
Wenn Kinder auf die Welt kommen, werden die Karten neu gemischt: emotional, organisatorisch, finanziell. „Das gilt für selbstständige Frauen umso mehr“, beobachtet IHK-Referentin Marlene Eder. Geschätzt 27.000 Selbstständige werden bundesweit jedes Jahr schwanger. „Grundsätzlich kann die Selbstständigkeit die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erleichtern. Sie macht zeitlich flexibler, und das braucht es für eine gute Vereinbarkeit“, so die Expertin.
Zugleich aber müssten insbesondere Chefinnen kleiner Betriebe und Soloselbstständige für die Wochen rund um die Geburt ihre Finanzen und den laufenden Betrieb sauber planen, sie müssen sich gut informieren und Rücklagen bilden. „Das gehört in dieser Phase unbedingt zum unternehmerischen Handeln dazu“, betont Eder. Denn selbstständige Frauen sind für ihre Absicherung selbst verantwortlich.
Gesetzlicher Anspruch – nicht für alle
Aktuell gilt das Mutterschutzgesetz für sozialversicherungspflichtig beschäftigte Frauen – also neben Arbeitnehmerinnen auch für Fremdgeschäftsführerinnen oder Gesellschafter-Geschäftsführerinnen mit Minderheitsbeteiligung. Es gelten Schutzfristen von 6 Wochen vor und 8 Wochen nach der Geburt, in denen nicht gearbeitet wird.
Anstelle des Arbeitsentgelts werden in dieser Zeit das Mutterschaftsgeld sowie ein Zuschuss zum Mutterschaftsgeld gezahlt, sodass insgesamt kein Verdienstausfall entsteht. Schränkt die Mutter (und/oder der Vater) nach der Geburt die Erwerbstätigkeit ein, gibt es außerdem einen Anspruch auf Elterngeld für im Regelfall 1 Jahr.
Alternative Lösungen kennen
Für Selbstständige hingegen besteht kein gesetzlicher Anspruch auf Zahlungen während des Mutterschutzes. Lediglich Elterngeld können sie in Anspruch nehmen. Weitere finanzielle Unterstützung müssen sie privat stemmen, zum Beispiel indem sie vorab eine Krankentagegeldversicherung für die Mutterschutzphase abschließen.
Das Mutterschaftsgeld entspricht dann in der Regel dem Krankentagegeld, das die Versicherung im Fall einer Krankheit zahlen würde. Bei freiwillig gesetzlich Versicherten wird das Mutterschaftsgeld im Umfang der gesetzlichen Mutterschutzfrist gezahlt. Zusätzliche Leistungen können über einen Wahltarif abgesichert werden.
In der privaten Krankenversicherung greift das versicherte Krankentagegeld auch bei Arbeitsunfähigkeit wegen Schwangerschaft oder nach der Geburt. Die Höhe und die Dauer des Krankentagegelds können frei gewählt werden. Auch freiwillig gesetzlich Versicherte können eine private Krankentagegeldversicherung abschließen. „Da es bei den Krankenversicherungen in der Regel mehrmonatige Warte- und Karenzzeiten bis zum Inkrafttreten gibt, empfiehlt es sich, am besten vor der Schwangerschaft die Krankenkasse zu konsultieren und alle Fragen und Fristen zu klären“, sagt Eder.
Sorge um Einnahmen
Wie wichtig solche Vorüberlegungen und Planungen sind, bestätigt eine aktuelle Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach im Auftrag des Bundesfamilienministeriums. Viele selbstständig tätige Frauen können in der Mutterschutzphase vor und nach der Geburt Aufträge nicht mehr im selben Umfang annehmen wie vorher.
„Sie erleiden Einnahmeausfälle und müssen auf Ersparnisse oder die Unterstützung des Partners zurückgreifen“, erläutert Allensbach-Projektleiter Wilhelm Haumann. „Deshalb steigen 65 Prozent der selbstständigen Frauen, wenn sie Kinder bekommen, nur ganz kurz aus dem Beruf aus.“
Angebote bekannter machen
Zugleich seien die bestehenden Möglichkeiten für finanzielle Unterstützung während des Mutterschutzes nicht gut bekannt, so die Studie: 44 Prozent haben weder von den Angeboten der freiwillig gesetzlichen noch von denen der privaten Krankenversicherungen gehört; nur 35 Prozent haben von diesen Angeboten Gebrauch gemacht.
Die Schlussfolgerung der Studie: „Da eine Nutzung praktisch immer nur dann erfolgte, wenn die Leistungen auch bekannt waren, wäre ein höherer Bekanntheitsgrad dieser Leistungen bereits eine wichtige Voraussetzung für einen besseren Mutterschutz.“ Weiteres Ergebnis: „Immerhin würden fast 3 Viertel der selbstständigen Frauen die Unterstützung aus der freiwilligen gesetzlichen oder der privaten Krankenversicherung bei einer zukünftigen Mutterschaft in Betracht ziehen. Voraussetzungen wären für viele allerdings höhere Leistungen beziehungsweise ein besseres Preis-Leistungs-Verhältnis.“
Petition mit 112.000 Unterschriften
Unterm Strich fühlen sich, so die Studie, 56 Prozent der selbstständigen Frauen beim Mutterschutz gegenüber angestellten Müttern sehr, weitere 30 Prozent etwas benachteiligt. „85 Prozent wünschen sich vom Staat eine Verbesserung der Rahmenbedingungen für den Mutterschutz von Selbstständigen“, fasst Haumann zusammen.
Ob die bestehenden Möglichkeiten für Selbstständige ausreichen oder ausgeweitet werden müssten, darüber gibt es inzwischen auch eine politische Diskussion. Johanna Röh, selbstständige Tischlermeisterin im niedersächsischen Alfhausen, strengte, als sie 2022 selbst schwanger war, die Petition „Mutterschutz für alle“ an und sammelte fast 112.000 Unterschriften. „Denn es geht nicht nur um den Lebensunterhalt, sondern auch um die Aufrechterhaltung des laufenden Betriebs“, so Röh.
Bundesregierung plant Regelung
Infolge der Petition wurde die Allensbach-Studie initiiert und der Mutterschutz für Selbstständige in den aktuellen Koalitionsvertrag aufgenommen: „Wir wollen“, schreiben die Koalitionsparteien, „einen Mutterschutz für Selbstständige analog zu den Mutterschutzfristen für Beschäftigte einführen. Dafür prüfen wir zeitnah umlagefinanzierte und andere geeignete Finanzierungsmodelle. Darüber hinaus entwickeln wir gemeinsam mit der Versicherungswirtschaft Konzepte für die Absicherung der betroffenen Betriebe. Wir werden eine Aufklärungskampagne zum Mutterschutz umsetzen.“
Die Allensbach-Studie hat ebenfalls Möglichkeiten für die weitere Absicherung von Selbstständigen in der Mutterschutzphase abgefragt: Eine Ausweitung der Betriebsunterbrechungsversicherung auf einen 12-wöchigen Mutterschutz befürwortete die Mehrheit (59 Prozent) der Befragten. Ein Kredit zur Überbrückung der Mutterschutzphase wurde mehrheitlich abgelehnt und käme lediglich für 12 Prozent der weiblichen Selbstständigen grundsätzlich infrage.
Mit Partner und Netzwerk abstimmen
Lediglich für 23 Prozent aller selbstständigen Frauen wäre die Nutzung einer Unterstützung durch Betriebshelferinnen und Betriebshelfer nach einer Geburt grundsätzlich denkbar, wenn derartige Hilfe auch auf andere Branchen ausgeweitet würde – vorerst gibt es sie in der Regel nur in der Land- und Forstwirtschaft.
Aktuell müssen selbstständige Frauen vor allem selbst vorsorgen. Astrid Bendiks, selbstständige Rechtsanwältin in München, hat sich vor 15 Jahren nach der Geburt ihrer Tochter die Kindesbetreuung mit ihrem Partner geteilt. So konnte sie nach kurzer Zeit wieder arbeiten und finanziell unabhängig bleiben. „Es war anstrengend, wir mussten sehr konsequent agieren, uns gut abstimmen.“
Familienzeit frühzeitig planen
Ab dem Kindergartenalter teilte sie sich die Betreuung auch mit Freunden. „Jüngere Unternehmerinnen stehen immer noch vor den gleichen Herausforderungen wie ich damals“, stellt sie fest und rät ihnen, mit der persönlichen und finanziellen Planung ihrer Mutterschutzzeit auf jeden Fall sehr rechtzeitig zu beginnen.
IHK-Fachfrau Eder stimmt zu: „Unternehmertum und Kinder dürfen sich nicht ausschließen. Es braucht vor allem mehr Information und bedarfsgerechte Angebote.“