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Internationales Geschäft – weniger „Papierkram“

Internationales Geschäft – weniger „Papierkram“

© ek/Adobe Stock

Das Ursprungszeugnis ist jetzt digital

Seit 15. September 2025 können Unternehmen Ursprungszeugnisse als eDocument beantragen. Bei dem Digitalisierungsprozess haben IHKs und Firmen Hand in Hand gearbeitet.

Von Melanie Rübartsch, IHK-Magazin 11-12/2025

Die MAN Truck & Bus SE liefert Lkws, Busse, Vans und Motoren von ihren Produktionsstandorten aus in die ganze Welt. Aktuell ist eine Flotte von rund 1 Million Fahrzeugen rund um den Globus im Einsatz. Dafür verarbeitet der Münchner Konzern zudem etwa 6,5 Millionen Ersatzteilbestellungen pro Jahr. Für Warensendungen außerhalb der EU fordern die meisten Länder Ursprungszeugnisse, aber auch bei innergemeinschaftlichen Lieferungen kann ein solches Ursprungszeugnis erforderlich sein.

Ursprungszeugnisse sind öffentliche Urkunden, mit denen die für das Unternehmen zuständige IHK das Ursprungsland der zu exportierenden Ware amtlich bestätigt. Ähnlich wie eine Geburtsurkunde, die die Herkunft einer Person beweist. „Für Fahrzeuge und Ersatzteile benötigen wir im Jahr rund 4.000 dieser Dokumente“, sagt Bernd Scharfenberg, Senior Manager beim Customer Service Management.

Kein Ausdrucken mehr

Bislang haben die Mitarbeiter bei MAN jedes Ursprungszeugnis über die Webanwendung „eUZweb“ elektronisch bei der IHK für München und Oberbayern beantragt. Nach Prüfung schickte die IHK ein mit qualifizierter elektronischer Signatur (qeS) versehenes Dokument zurück, das ein MAN-Mitarbeiter anschließend auf dem amtlichen Formular ausdrucken musste. „Außerdem gibt unser interner Prozess bisher vor, dass ein Handlungsbevollmächtigter den Ausdruck zusätzlich unterschreibt“, erläutert Scharfenberg. Anschließend musste das Dokument mit einem Versanddienstleister zum Kunden geschickt sowie intern als Kopie archiviert werden.

Seit dem 15. September 2025 sind vor allem diese beiden Zwischenschritte überflüssig: kein Ausdrucken auf amtlichem Vordruck, kein Einscannen und Archivieren des Originals mehr. Seitdem nutzt MAN die Möglichkeit, ein komplett digitales Ursprungszeugnis zu beantragen.

Entwickelt von IT-Tochter der IHKs

„Wir erhalten nun ein rechtssicheres eDocument von der IHK, das wir medienbruchfrei und ohne zusätzliche Unterschrift direkt an unsere Adressaten elektronisch weiterleiten können“, erklärt der Manager. „Die Einführung ist eine Win-win-win-Situation: Sowohl die IHKs als auch wir Hersteller und unsere Kunden werden langfristig profitieren.“

Das neue digitale Ursprungszeugnis ist das Ergebnis eines Digitalisierungsprojekts, das die IHK für München und Oberbayern gemeinsam mit der IHK Koblenz federführend für alle IHKs in Deutschland umgesetzt hat. Die technische Entwicklung der Anwendung hat die IHK Gesellschaft für Informationsverarbeitung mbH (IHK GfI) übernommen. MAN wiederum war eines von insgesamt 9 Pilotunternehmen aus dem Münchner Kammerbezirk, die unmittelbar in Entwicklung und Test eingebunden waren.

1,08 Millionen Ursprungszeugnisse im Jahr

„Wir wollten eine Lösung mit den Unternehmen entwickeln und nicht nur für sie“, sagt Johanna Wegner, Referatsleiterin Zoll- und Außenwirtschaft bei der IHK für München und Oberbayern. Sebastian Esland von der IHK GfI ergänzt: „Wir haben uns auf die Elemente konzentriert, die den größten Mehrwert für die Unternehmen bieten, und viel Feedback eingeholt. So konnte ein kleines Team ein schnelles, schlankes und für die Anwender wirklich hilfreiches Feature entwickeln.“

Vereinfacht wird so eine beträchtliche Anzahl an Vorgängen: Die IHKs stellten im vergangenen Jahr rund 1,08 Millionen Ursprungszeugnisse für Ausfuhrsendungen in Deutschland aus. Allein die IHK für München und Oberbayern verschickt im Schnitt 1.125 Ursprungszeugnisse pro Woche.

eDocument – immer überall abrufbar

MAN-Manager Scharfenberg verdeutlicht den Effekt: „Die Ursprungszeugnisse sind für unsere Kunden noch ›sicherer‹ geworden und nun ohne Zeitverlust verfügbar. Durch Abbau von Druckern, deWegfall von Versandkosten, Einsparung der Formularkosten und vor allem Freisetzung von Arbeitszeit gehen wir bei MAN von einer Ersparnis von bis zu 20.000 Euro pro Jahr aus.“ Ein wesentlicher Vorteil sei zudem die höhere Flexibilität. „Wir können das Dokument nun von jedem Standort oder Homeoffice aus versenden und müssen nicht einplanen, dass zur richtigen Zeit ein Mitarbeiter und ein Handlungsbevollmächtigter gemeinsam am richtigen Ort sind.“

Porträt von Bernd Scharfenberg, Senior Manager bei MAN Truck & Bus SE, in weißem Hemd und dunklem Sakko

© privat

Die Einführung des digitalen Ursprungszeugnisses ist eine Win-win-win-Situation.

Bernd Scharfenberg, Senior Manager Customer Service Management MAN

Schon die Einführung der Webanwendung eUZweb vor etwa 6 Jahren war ein entscheidender Schritt zur Digitalisierung. Für ihren elektronischen Antrag benötigten die Unternehmen seitdem keine eigene Signaturkarte mehr, es reichte eine Nutzerkennung. „Von Anfang an war uns jedoch klar, dass der nächste Schritt – die komplette Digitalisierung des Prozesses von der Antragstellung bis zum Versand dieses Dokuments durch die Unternehmen – zügig folgen muss“, sagt IHK-Expertin Wegner.

Dieselbe rechtliche Aussagekraft

Die Herausforderung: Das Ursprungszeugnis ist eine öffentliche Urkunde. Es begründet volle Beweiskraft über den beurkundeten Vorgang. Es muss sichergestellt sein, dass auch ein eDocument dieselbe rechtliche Aussagekraft hat. Die IHKs holten daher im vergangenen Jahr den auf die Digitalisierung des Außenhandels spezialisierten Hamburger Rechtsanwalt David Saive mit ins Boot.

Eine seiner Empfehlungen: Das Dokument muss elektronisch verifizierbar sein – vor allem wenn Anhänge zum Ursprungszeugnis notwendig sind. „Alle Dokumente müssen zudem so zusammengefügt sein, dass sich die qualifizierte elektronische Signatur der IHK auf sämtliche Seiten bezieht – es ist also ein komplett verschlüsseltes PDF erforderlich“, so Saive.

Kryptografischer Fingerabdruck

Um sicherzustellen, dass das eDocument später, wenn es im Umlauf ist, nicht verändert werden kann, wird es daher mit einem sogenannten Hashwert versehen, einer Art kryptografisch erzeugtem Fingerabdruck. Saive: „Da sich der Hashwert ändert, wenn auch nur ein kleines Detail der Datei modifiziert wird, sorgt er für die notwendige Integrität der Datei.“

Aus technischer Sicht war die größte Hürde der Signaturprozess. „Wir haben im Hintergrund des eUZweb vieles umgebaut, wovon die Anwender aber im Ergebnis möglichst wenig spüren sollten“, berichtet GfI-Fachmann Esland.

Parallel nutzbar: Download und Druck

Tatsächlich besteht für Unternehmen, die das digitale Ursprungszeugnis nutzen möchten, kein zusätzlicher Handlungsbedarf. Sie melden sich wie bisher bei eUZweb an und entscheiden nach Bewilligung ihres Antrags, ob sie ihr Ursprungszeugnis in der neuen volldigitalen Downloadvariante herunterladen oder die bekannte Druckvariante verwenden wollen. Das Besondere daran: Beides kann parallel genutzt werden, man muss sich also zu keinem Zeitpunkt zwischen Download und Druck entscheiden. Die Gebühren sind bei der IHK für München und Oberbayern für beide Varianten gleich und fallen auch nur einmal pro bewilligtem Antrag an.

Alle Spezialfälle abgedeckt

Die heiße Phase der Entwicklung begann Anfang 2025. „Seitdem waren die Pilotunternehmen eng in den Entwicklungsprozess eingebunden, haben Feedback gegeben, getestet, neues Feedback gegeben – bis wir alle zufrieden waren“, berichtet Wegner. Die IHKs hatten die Tester bewusst so ausgewählt, dass möglichst alle Spezialfälle, die im Zusammenhang mit Ursprungszeugnissen auftreten können, abgedeckt waren.

Auch für die Kunden einfach

Bernd Scharfenberg und sein Team haben bei MAN die Einführung gesplittet. „Zunächst haben wir das eDocument zu Kunden gesendet, bei denen wir mit wenig Hindernissen seitens der lokalen Zollbehörden rechnen konnten.“ Die Erfahrungen aus dieser Runde nutzte das Unternehmen dann für den finalen Roll-out.

Digital macht stark

„Die Digitalisierung dieses wichtigen Prozesses stellt für uns einen bedeutenden Fortschritt in der Abwicklung internationaler Geschäftsvorgänge dar“, resümiert Anke Schomakers, Leiterin Handels-Compliance bei der Linde GmbH in Pullach, die ebenfalls als Pilotunternehmen eingebunden war. „Die einfache Handhabung, die Zeitersparnis sowie die technische Umsetzung überzeugen auf ganzer Linie“, sagt sie. „Die IHKs setzen mit dem digitalen Ursprungszeugnis ein starkes Zeichen für eine moderne und praxisnahe Wirtschaftsförderung.“