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Setzt auf Firmenkunden – Gründerin Jana Krotsch

Setzt auf Firmenkunden – Gründerin Jana Krotsch

© Marion Vogel

Hilfe beim Lernen für alle

Wie ubiMaster-Chefin Jana Krotsch mit ihrer Lern- und Nachhilfe-App wachsen und international expandieren will.

Von Eva Schröder, IHK-Magazin 11-12/2025

Sonntag, 17 Uhr, Panik bricht aus im Kinderzimmer: Morgen Matheschulaufgabe und plötzlich wird klar, wie unklar der Stoff ist. Viele Familien kennen diese Schockmomente. Können die Eltern etwa Bruchgleichungen, Formeln oder Reste von Vokabeln und Grammatikregeln aus ihrem Gedächtnis klauben und auch noch gut erklären, sind alle schnell beruhigt.

Können sie das nicht, weil sie zum Beispiel Schicht arbeiten und das Kind mit Leere im Kopf allein dasitzt, potenziert sich das Problem. Dagegen tritt Unternehmerin Jana Krotsch (47) an: „Flexible, individuelle und schnell verfügbare Lernunterstützung für alle Kinder ab Klasse 5, unabhängig von Geld und Zeit der Eltern, das will ich erreichen“, sagt die Gründerin der ubiLearning Solutions GmbH, die hinter der App ubiMaster steht. Als Mutter von 3 Kindern weiß sie um den Stress, den auch Nachhilfe auslösen kann: Regelmäßig eines oder mehrere Kinder für ein Fach zu einem Nachhilfelehrer oder einer Gruppe zu bringen, ist aufwendig, zeit- und kostenintensiv.

Deshalb begann Krotsch 2018, eine Art Lernchat zu entwickeln: Schüler starten eine zuvor installierte App, erhalten meist innerhalb von 1 bis 2 Minuten einen Tutor oder eine Tutorin zugewiesen und können sich von ihm oder ihr eigene Fragen zu Aufgaben oder Lernstoff für Tests erklären lassen – ins Handy getippt wie bei WhatsApp oder per Videochat. Von 2 bis 20 Minuten oder auch länger kann das mit kurzen Textzeilen hin- und hergehen.

„Hebelwirkung über Generationen hinweg“

Der Clou: Hat der Arbeitgeber der Eltern im Rahmen eines Corporate-Benefit-Programms ein ubiMaster-Abo für seine Mitarbeiter gekauft, kostet dieser individuelle Lernservice die Eltern keinen Cent. „Das entlastet die aktuellen Mitarbeitenden, hat aber Hebelwirkung über Generationen hinweg“, erklärt Krotsch. „Denn auch die Kinder sind ja potenzielle Angestellte des Unternehmens.“

Ersteindruck: „Zu gut, um wahr zu sein“

„Anfangs war ich skeptisch, das klang zu fantastisch“, bekennt Wolfgang Stenger. Der Vater erwachsener Töchter ist im Personalbereich des Pharmakonzerns MSD Sharp & Dohme GmbH aus München zuständig für „Employee Experience“ und damit auch für die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Er war 2023 einer von Krotsch’ ersten Unternehmenskunden. Die Nutzung der App gehört zu einem Maßnahmenbündel, mit dem das forschende Pharmaunternehmen Mitarbeitende gewinnen und halten will.

Inzwischen haben rund 1.000 MSD-Mitarbeitende und ihre Kinder Zugriff auf die ubiMaster-App. Aktuell nutzen sie knapp 100 von ihnen. „Intuitiv“, „leicht zu bedienen“ und „qualitativ überzeugend“ hat Stenger als Feedback zur App aus der MSD-Belegschaft gehört. Ergänzend gibt es 30.000 Online-Übungen des kooperierenden Schulbuchverlags Westermann.

Kapazitätsplanung via KI

Um einen hohen Standard zu sichern, wählen Krotsch und ihr Team Tutoren mehrstufig aus, oft sind es Lehramtsanwärter, Studenten oder ehemalige Lehrer. Sie geben freiberuflich ihre verfügbare Zeit ein, sind dann online und werden mit einem festen Stundenlohn bezahlt, egal ob 12 Schüler 4 Minuten lang Fragen haben oder 5 mehr Erläuterungszeit brauchen. Die Kapazitätsplanung und Prognosen, wie viele Tutoren es zu welchen Zeiten, in welchen Fächern und Jahrgangsstufen, wann im Jahresverlauf braucht, laufen großteils KI-basiert.

Neben dieser internen Datennutzung werde die App stetig fortentwickelt, etwa die Nutzeroberfläche. „KI bietet Superchancen“, ist Krotsch überzeugt, „wird aber nie in unserer Qualität die letzte Meile zum Schüler gehen. Denn wir bieten die motivatorische Komponente: Ein Mensch merkt, wie das Gegenüber drauf ist, und kann darauf eingehen.“

Smartphone mit der ubiMaster-App im Videochat zwischen Tutor und Schüler, inklusive geteiltem Whiteboard mit Matheaufgaben

Alles im Blick – eine Tutorin hilft im Mathe-Chat beim Oberflächenberechnen

Faktor Mensch als Trumpf

Als „menschliches Plus“ sehen Kunden wie Stenger, dass ubiMaster versuche, immer denselben Tutor zu vermitteln. Nachdem Schüler ein-, zweimal geschrieben haben, würden viele Schüler zum Video mit Livekamera wechseln. Krotsch: „Dann ist schon Vertrauen da und man lernt besser.“

Hierin sieht sie ihr Unterscheidungsmerkmal im Wettbewerb: „Den Tutor mit der Dienstleistung niedrigschwellig und zum passenden Zeitpunkt fürs Kind anzubieten – und das auch noch schnell, ehe die Kumpels wieder zum Fußballspielen rufen“, sagt sie lachend.

Weiterer Vorteil sei, dass die Schüler nicht nur konsumieren, wie etwa bei ChatGPT, sondern sich im Gespräch Inhalte erarbeiten, teilweise an einem via Bildschirm geteilten Whiteboard, und sich das abspeichern können. „Und dass man am Tag drauf noch mal schnell nachfragen kann, wenn man etwas doch noch nicht ganz verstanden hat, statt erst in der nächsten Nachhilfestunde eine Woche später“, ergänzt Krotsch. „Sowie natürlich, dass die Kids zu mehreren Fächern fragen können.“

4 Investoren, 200 Firmenkunden

Dies habe auch die Geldgeber überzeugt. Inzwischen sind 4 Investoren mit 7 Millionen Euro in der Series-A-Runde dabei für Internationalisierung und Skalierung. Für Finanzbildung zum Beispiel ist eine weitere App in Vorbereitung.

Mehr als 200 Firmenkunden gibt es bereits, rund 30 Prozent kommen aus Bayern und deren Mitarbeiter plus Kinder betrifft der hiesige Lehrplan. „Entscheidender ist aber die Schulart“, sagt Krotsch. Alle Bundesländer werden bedient, die Expansion nach Österreich hat begonnen. „Einer unserer Kunden mit Hauptsitz in Spanien will unsere App auch dort seinen Leuten anbieten. Also gehen wir mit und erschließen diesen Markt“, so die Unternehmerin zu ihren weiteren Plänen.

Akquise über Multiplikatoren

Eltern für Nachhilfe direkt anzusprechen, berge „viel zu hohe Akquisitionskosten, da musste ich anfangs jeden Tag eine Nuss knacken“, sagt die Betriebswirtin. Schnell sei ihr klar geworden, dass sie Kunden über Partner wie zum Beispiel Verbände gewinnen und eben Corporate-Benefit-Pakete schnüren müsse. Doch die Kontakte in die Industrie fehlten ihr.

„Hier haben Netzwerke und Acceleratoren sehr geholfen.“ Dass speziell Frauen, die erwägen, selbst ein Unternehmen zu gründen, von solchen Angeboten früh erfahren, hält sie für wichtig. „Das würde viele Hürden beim Gründen senken.“

Role Model für Gründerinnen

Laut der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY ging 2024 mit 43 Millionen Euro nur ein knappes Prozent des Wagniskapitals hierzulande an Start-ups von Gründerinnen. Ohnehin hat nur etwa jedes 10. Start-up Frauen im Gründungsteam. „Ich will auch meinen Kindern zeigen: Es geht, als Unternehmerin etwas aufzubauen und zu gestalten!“, betont die gebürtige Thüringerin.

Inzwischen ist auch ihr Mann bei ubiMaster eingestiegen und hat dafür wie sie selbst eine gute Stelle in einem etablierten Unternehmen aufgegeben. Mit rund 50 Mitarbeitenden, darunter 12 IT-Entwickler, 5 Tutormanager, und den Nachhilfelehrern, Tutoren genannt, wächst das Unternehmen.

Mit Mentor hin zum Meisterniveau

Derzeit haben rund 600.000 Kinder über Corporate-Benefit-Abos einen App-Zugang. Bis 2026 will Krotsch 1 Million Kinder erreichen – „ubiquitär“, also „all-umfassend“, und mit einem Mentor, der begleitet und befähigt, dass jedes Kind „Meisterniveau“ erreichen kann.