Starker Lagerkollege
Die rund ein halbes Dutzend Mitarbeiter im Lagerraum haben keine physisch anstrengenden Arbeiten mehr. Bei Einlagerungen nehmen sie die gleichen Arbeitsschritte in umgekehrter Reihenfolge vor. Sie arbeiten in der Regel zeitgleich mit mehreren Robotern zusammen. Vor allem dies macht die Technologie effektiv.
Rückblick: Vor der Einführung der Roboter arbeiteten fast 40 Beschäftigte in der Schuhlogistik – also mehr als sechsmal so viele wie heute. Die dort überzähligen Mitarbeiter beschäftigt ITG jetzt auf anderen Arbeitsplätzen im 150.000 Quadratmeter großen Logistikzentrum weiter. „Unsere intelligenten Roboter steigern die Präzision und Produktivität von Lagerprozessen erheblich“, freut sich Dominik Sauerwein (37), Leiter Unternehmensentwicklung von ITG. „Sie wickeln Bestellungen beschleunigt ab und entlasten Beschäftigte.“
Autonom und austauschbar
So vielseitig und flexibel wie die Locus-Fahrzeuge arbeiten viele AMRs. Wenn alle Steuerungskomponenten im Fahrzeuginneren verbaut sind, können diese sich in Lagerräumen völlig frei – also autonom – bewegen. Das macht sie besonders beweglich. „Jeder Roboter steuert sich selbst“, sagt Sauerwein. Die Gefahr eines kompletten Systemausfalls sei so gebannt. Wenn ein Roboter einmal nicht funktioniert, kann er sofort durch einen neuen ersetzt werden.
Vor allem die Logistik profitiert von AMRs. Mit Aufträgen aus der Lagerverwaltungssoftware können die Roboter Lagerplätze ansteuern, Bestände kontrollieren und – eine entsprechende Hardware vorausgesetzt – Waren ein- und auslagern. Manche Systeme kommissionieren zusätzlich die entnommenen Waren, andere be- oder entladen Lkws. Und besonders vielseitige Systeme automatisieren den kompletten innerbetrieblichen Materialfluss.
Adaptive Technik
Ein Beispiel ist der von der Münchner Magazino GmbH entwickelte Roboter SOTO. Jeder Anwender kann ihn dank der adaptiven Technik an seine Produktionsumgebung anpassen und die Greifer genau auf Transportbehälter und Regalhöhen abstimmen.
Solche Lösungen machen manuelle Arbeiten überflüssig, wie das Beispiel MAN Truck & Bus SE zeigt. Der Lkw-Hersteller setzt in seinem Nürnberger Werk 12 SOTO-Fahrzeuge für die Materialversorgung der Montagelinien mit Komponenten aus dem automatischen Kleinteilelager ein und sieht jetzt die Intralogistik auf einem vergleichbaren Automatisationsniveau wie die Montage.
Umsatzdelle trotz Potenzial
Die AMRs haben vielen Robotikunternehmen während der vergangenen Jahre ein stabiles Wachstum beschert. 2025 müssen sie jedoch wie viele andere Maschinen- und Anlagenbauer deutliche Umsatzdellen fürchten. Der Branchenverband VDMA rechnet mit einem Minus von 10 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
„Das Entwicklungspotenzial bei mobilen Roboterlösungen und deren Integration in bestehende Plattformen bleibt trotzdem beträchtlich“, glaubt Helmut Schmid (60), Vorstand des Münchner Start-ups FILICS GmbH. „Die aktuellen wirtschaftlichen Herausforderungen können zwar zu zurückhaltenden Investitionen und langsameren Umsetzungen führen. Trotzdem bleibt die Branche dynamisch und innovativ.“
Beweglicher dank Lasernavigation
Das Unternehmen, das 2019 von Absolventen der Technischen Universität München (TUM) gegründet wurde, mischt den Robotikmarkt mit einer Doppelkufenlösung auf. Das 2-teilige Fahrzeug, das für den Transport von Paletten entwickelt wurde, kann sich mit Lasernavigation in alle Richtungen bewegen und auf jedem ebenerdigen Lagerboden Ladeeinheiten aufnehmen.
Mehrere Logistikdienstleister setzen diese Technologie für längere innerbetriebliche Transporte ein und ersetzen so Gabelstapler und Hubwagen. „Weil die Transporte vollständig automatisch ablaufen, können Beschäftigte diese Zeit für andere Aufgaben nutzen“, sagt Schmid. Ansonsten zeichne sich dieser Roboter durch eine schnelle Inbetriebnahme aus. In nur 90 Minuten könnten Anwender Navigationskarten aufzeichnen, Einsatzzonen definieren und eine Fahrbereitschaft sicherstellen.
Einsatz mobiler Roboter reduziert Fachkräftebedarf
FILICS will Maßstäbe setzen: Für den Erfolg von AMRs sind laut Schmid nicht zuletzt einfache Bedienbarkeit und schnelle Anpassungsfähigkeit entscheidend. „Robotiksysteme müssen flexibel und skalierbar sein und sich an rasch ändernde Marktbedingungen und wachsende Betriebsgrößen anpassen.“ Dann könnten sie ihr Potenzial für Kostensenkungen voll ausspielen.
Rund 60 Prozent Einsparung nennen Marktkenner als gängige Größe. Sie werden in erster Linie durch geringere Personalausgaben erzielt. Viele Unternehmen haben ohnehin Mühe, Mitarbeiter in der Logistik zu akquirieren. „Der Fachkräftemangel hat auch unseren Wandel vorangetrieben“, bestätigt ITG-Manager Sauerwein.
Höhere Volumina durch Onlinehandel
Hinzu kämen verschärfte Anforderungen durch den E-Commerce. Viele Kunden bestellen zunehmend höhere Volumina und wünschen schnelle Zustellungen auch bei schwer vorhersehbaren Nachfragespitzen. Sauerwein: „Die Lager müssen flexibel skalieren, wenn sie sich dynamischen Anforderungen anpassen wollen.“
Wie viele andere Unternehmen hat auch ITG die autonomen Roboter zunächst an einem Standort gestartet und beginnt erst mit der weiteren Skalierung, wenn alle betriebsinternen Prozesse angepasst worden sind. Bald will der Logistikkonzern die Locus-Technologie auch an einem Standort in Nordrhein-Westfalen einführen. Außerdem prüft er, ob er außer Schuhen weitere Fashionartikel mit AMRs lagern und transportieren kann.Für die autonomen mobilen Roboter gibt es genug zu tun.