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Kaffeefarmer – haben durch die EUDR viele neue Aufgaben

Kaffeefarmer – haben durch die EUDR viele neue Aufgaben

© Spice Footage/Adobe Stock

EUDR: Kleine Unternehmen unter Druck

Zwei bayerische Kaffeeröstereien berichten, wie die EU-Entwaldungsverordnung ihren Alltag verändert – und warum sie sich mehr Rücksicht auf kleine Betriebe in Europa und in den Lieferländern wünschen.

Von Gabriele Lüke, 11/2025

Die neue EU-Entwaldungsverordnung (EUDR) soll die weltweiten Wälder besser schützen – ein wichtiges Ziel, das viele kleine Betriebe aber auch vor große Aufgaben stellt. Denn die Regeln gelten nicht nur für Konzerne, sondern auch für Kleinst- und Kleinunternehmen, wenn sie bestimmte Rohstoffe oder bestimmte Folgeprodukte erstmals auf den Markt bringen. „Die EUDR nimmt auch Kleinst- und Kleinunternehmen in die Pflicht – auch wenn sie nach aktuellem Stand mehr Zeit für die Umsetzung der neuen Vorgaben bekommen“, erläutert Henrike Purtik, BIHK-Referentin Nachhaltigkeit.

Was das in der Praxis bedeutet, zeigen zwei Beispiele aus Oberbayern: Die Murnauer Kaffeerösterei und die montebera Kaffeerösterei berichten, wie sie versuchen, die komplexen Anforderungen zu erfüllen. Und warum die EUDR für kleine Unternehmen eine Belastungsprobe darstellt.

Murnauer Kaffeerösterei GmbH in Obersöchering, 20 Mitarbeitende: „Nachhaltige Produzenten im Markt halten“

Thomas Eckel sitzt lächelnd in einem Café an einem Tisch und hält eine Tasse Kaffee in der Hand.

Hat eine pragmatische Lösung für die EUDR gefunden: Thomas Eckel

Wälder zu schonen und fair mit Lieferanten umzugehen – das war Thomas Eckel, dem Chef der Murnauer Kaffeerösterei, schon lange vor der EUDR ein Anliegen. „Umso mehr in Zeiten des Klimawandels, der den sensiblen Kaffeepflanzen und damit auch den Kaffeefarmern massiv zusetzt.

Ursprünglich importierte Eckel den Kaffee selbst und verarbeitete ihn anschließend weiter. Im Sinne der EUDR wäre er damit als sogenannter vorgelagerter Marktteilnehmer, eingestuft worden und hätte eine Sorgfaltspflichtenerklärung (Due Diligence Statement, DDS) vorlegen müssen. „Wir haben schon früh versucht, die DDS über Softwarelösungen abzubilden. Doch verschiedene Programme kamen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Wir konnten also nicht sicher sein, dass wir alle Daten korrekt erfassen. Gleichzeitig hätten die Kosten solcher Lösungen uns als kleines Unternehmen überfordert.“

EU unterschätzt Aufwand

Eckel begann also, vor Ort zu recherchieren. In Peru arbeitet er zum Beispiel mit rund 80 kleinen Kaffeebauern zusammen, die in der Regel 2 Anbauflächen bewirtschaften. Da die Farmer vor Ort weder über die nötige Infrastruktur noch über ausreichende finanzielle Mittel verfügten, bat er einen Praktikanten, die für die EUDR relevanten Daten für die Sorgfaltsprüfung zu erfassen. „Wenn Sie First Mover im Markt sind, stoßen Sie schnell auf Herausforderungen, auf die die EU zum damaligen Zeitpunkt noch keine Antworten hatte. Die Bauern haben die geforderten Unterlagen oft nicht, und die Behörden vor Ort funktionieren anders. Bei 160 Flächen summiert sich der Aufwand erheblich.“ Er betont: „Dennoch haben wir unseren peruanischen Spezialitätenkaffee durch dieses Projekt dann bereits 2023 als Erste nach den EUDR-Vorschriften nach Deutschland importieren können. Darauf sind wir stolz.“

Neue Logistik

Trotz dieses Erfolgs entschied sich Eckel aber schließlich für einen anderen, einen pragmatischeren Weg: „Ich importiere den Kaffee nicht mehr selbst, sondern verarbeite ihn weiter und verkaufe ihn. Damit bin ich gemäß EUDR nun ein sogenannter nachgelagerter Marktteilnehmer und Händler. Ich kann auf die DDS des Importeurs verweisen, muss diese aber auf Plausibilität prüfen, falls größere Abnehmer Rückfragen haben.“ Er ergänzt: „In der Kaffeebranche hat sich im Zuge der EUDR ein neues Angebot etabliert – größere Importeure übernehmen den Import für kleinere Röstereien mit eigenen Produzenten und stellen auch die DDS bereit.“ Er betont: „So konnte ich Kosten, Bürokratieaufwand und Risiko deutlich senken.“

Wunsch: deutlich einfachere Regeln

Eckel hat also eine Lösung für die EUDR gefunden – und grundsätzlich hält er die Verordnung für einen Schritt in die richtige Richtung. „Die Komplexität der Anforderungen muss jedoch überdacht werden. Die Macher der EUDR hatten vor allem die EU-Brille auf. Die Bedingungen und Strukturen der Produzenten vor Ort hatten sie nicht im Blick.“ Er betont: „Wir konnten unseren Kaffeefarmern immer vertrauen. Sie liefern nicht nur hervorragende Qualität, sondern gehen auch achtsam mit dem Wald um.“ Sein Wunsch: „Deutlich einfachere Regeln für nachgelagerte Unternehmen in Europa und Ausnahmen für Kleinbauern – es ist wichtig, die kleinen nachhaltigen Produzenten im Markt zu halten.“

montebera Kaffeerösterei GbR, ein Zwei-Personen-Betrieb in Prien am Chiemsee: „Kleine Betriebe leiden proportional stärker“

Die besondere Rolle seiner Kaffeefarmer vor Ort erläutert Markus Behr, Chef der montebera Kaffeerösterei, stets als erstes, wenn er über sein Unternehmen erzählen soll. Seit vielen Jahren arbeitet er mit zirka 20 Kollektiven und Farmen rund um den Äquator zusammen. Sie betreiben, wo es möglich ist, Schattenanbau unter dem Schutz größerer Urwaldbäume. Sie ernten den Kaffee umwelt- und pflanzenschonend ausschließlich in Handlese, pflücken dabei nur optimal reife Kirschen.

„Um besonders gut zu gedeihen, perfekte Qualität zu liefern, brauchen Kaffeepflanzen Sonne und zugleich den Schatten des Waldes, seine Feuchtigkeit – und fürsorgliche Kaffeefarmer, die genau das verstehen“, sagt er begeistert. Um seine Farmer zu unterstützen, zahlt Behr schon immer faire Preise über dem Weltmarktniveau oder hilft beim Bau von Schulen.

Markus Behr steht in einem Café mit verschränkten Armen und hält in jeder Hand ein Barista-Werkzeug, während er in die Kamera lächelt.

Setzt sich mit viel Engagement für seine Kaffeefarmer ein – Markus Behr

Druck fürs eigene Geschäft

Augenblicklich fühlt er sich allerdings ziemlich hilflos: „Wie der Klimawandel durch Frostperioden oder zunehmende Trockenheit dem Kaffeeanbau bereits zusetzt, sehen wir an den sinkenden Erntemengen und Versorgungsengpässen. Die Regeneration der Pflanzen dauert dabei sehr lange. Kleine Kaffeefarmer leiden darunter proportional stärker. Und jetzt macht die EUDR alles noch schwieriger.“ Er ist ehrlich besorgt: „Wenn die Kleinbauern keine Sorgfaltsbelege vorlegen können, fallen sie im schlimmsten Fall komplett aus dem Markt. Die EU-Bürokratieanforderungen gefährden dann die Existenz ganzer Familien und Dörfer.“

Er antizipiert aber auch die Folgen für sein eigenes Geschäft: „Wir Röstereien von hochwertigen, naturnah angebauten Kaffees geraten gleichermaßen unter Druck. Wir sind auf diese speziellen Bauern, deren Qualität wir kennen, angewiesen.“ Er betont: „Neue Lieferanten zu finden, die die Anforderungen der EU und unsere eigenen erfüllen, ist unter den gegebenen Bedingungen nicht einfach.“

Wissen, was kommt

Behr arbeitet zwar eng mit den Bauern zusammen, importiert aber nicht selbst, sondern über Importpartner. Gemäß EUDR ist er Weiterverarbeiter und damit nachgelagerter Marktteilnehmer. Er kann auf die Sorgfaltsprüfung des Importeurs verweisen. Aktuell beobachtet er die Entwicklung der EUDR sehr genau, überlegt sich, eigene Informationen zu seiner Lieferkette auf seiner Homerpage offenzulegen – um auf Anfragen nachgelagerter Kunden vorbereitet zu sein, aber auch um sich für die Kaffeefarmer stark zu machen.

Globales Waldabkommen

Die EUDR sei sicher gut gemeint, sagt er. „Sie bedrängt aber kleine Akteure. Und die großen Kaffeeplantagen schwenken um, verkaufen ihren Kaffee nach Asien oder in die USA – wo der Kaffeedurst aktuell sehr stark wächst und es Vorschriften wie die EUDR nicht gibt.“ Er meint: „So besteht auch die Gefahr, dass die EUDR ins Leere läuft. Ein globales Waldabkommen ähnlich dem Pariser Klimaabkommen, das weltweite Standards setzt, würde dem Wald, dem Klima und den Kleinbauern vielleicht mehr bringen als diese isolierte und höchst bürokratische Lösung aus Europa.“ Auch er fordert: „Bleibt es, wie es ist, braucht es für kleine Betriebe auf allen Seiten der Lieferkette weitere und deutlichere Erleichterungen oder Ausnahmen.“

IHK-Info: EUDR

  • Die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) informiert mit aktuellen FAQ und Schaubildern, Szenarien für die Lieferkette, Infos für Primärerzeuger, How-to-do-Anleitungen, Webinaren – auch zu Spezialfragen – sowie zum Geltungsbereich. Zudem ist die BLE Prüfstelle und damit Schnittstelle zur Datenbank EU TRACES.
  • Der Helpdesk Wirtschaft und Menschenrechte ist ein kostenfreies Unterstützungsangebot der Bundesregierung. Er bietet individuelle, vertrauliche und kostenfreie Erstberatung zur menschenrechtlichen und umweltbezogenen Sorgfalt einschließlich entwaldungsfreier Lieferketten, Onlineinformationen, Veranstaltungen, Webinaren, Schulungen, Workshops und Onlinetools.
  • Die IHK für München und Oberbayern informiert mit dem IHK-Ratgeber EUDR über aktuelle Entwicklungen und weitere Unterstützungsangebote.