Frau Mader, wie fanden Sie die Diskussion mit Bayerns Arbeitsministerin Scharf?
Es ist natürlich schön, dass sie das Gespräch mit uns sucht. Und sie hat mit der Kinderbetreuung einen wichtigen Punkt angesprochen. Damit beschäftigen wir uns auch im IHK-Ausschuss Unternehmerinnen. Meine Ausschuss-Kollegin Christina Ramgraber hat Kinderbetreuung zu ihrem Geschäftsmodell gemacht hat. Sie hat dafür ein sehr gutes Konzept entwickelt und dafür den Münchner Wirtschaftspreis für Frauen gewonnen.
Aber das soll ja alles viel besser werden. Ministerpräsident Söder will bis 2028 15.000 Erzieherinnen zusätzlich einstellen.
Ja, aber was ich die Ministerin Scharf gerne gefragt hätte: Über wie viele Vollzeitstellen sprechen wir eigentlich? Natürlich kann man sagen: Toll, wir haben in den Kitas so und so viele Stellen geschaffen. Aber das ist keine sinnvolle Messgröße. Es gibt viele Erzieherinnen, die nur eine 10-Stunden-Woche haben.
Sie kommen aus Bad Tölz. Wie steht es mit der Kinderbetreuung auf dem Land?
Wir haben Kindergärten und Kitas, die einigermaßen funktionieren. Ein wichtiger Punkt ist aber noch immer, dass Mütter familiäre Unterstützung haben.
Sie bezeichnen sich selbst als „Anschubserin“. Beraten Sie Start-ups?
Ja, das ist eine Facette meines Geschäfts. Ich bin sehr breit aufgestellt. Das ist der Grund, weshalb ich im Vergleich zu anderen Selbstständigen extrem gut durch die Corona-Krise gekommen bin. Wenn eine Sache nicht sehr gut funktioniert hat, habe ich eben an anderer Stelle mehr verdient.
Zu Ihren Stärken zählt wohl auch die digitale Kompetenz…
Ja, ich war schon immer sehr digital unterwegs. Deshalb hat mich damals die IHK gefragt: Kannst Du anderen Unternehmerinnen erklären, wie Online-Meetings funktionieren? Ich war mit diesem Service sehr gut unterwegs. Die Gründungsberatung ist hängengeblieben. In Bad Tölz betreibe ich einen Coworking Space, das ist der sichtbare Teil meines Geschäftsmodells.
Coworking Space – wie wird der denn genutzt?
Ich mache einmal im Monat einen Gründerinnen-Stammtisch. Ich halte es einfach für wichtig, dass man mutige Menschen unterstützt. Wenn dann noch ein Gründer-Coaching für mich abfällt, ist das schön. Aber noch wichtiger ist doch, dass die Gründerinnen einen Anlaufpunkt haben und sich über ihre Theman austauschen können. Jeden Monat lade ich dazu unterschiedliche Referenten ein. Wir leisten da so eine Art Entwicklungshilfe. Das ist etwas total Positives.
Das Risiko Scheinselbstständigkeit scheint ein Dauerproblem zu sein. Wie wirkt sich das aus?
Es ist so, wie es Andreas Lutz gerade auf dem Podium gesagt hat. Große Firmen beauftragen Selbstständige überhaupt nicht mehr. Sie buchen Dienstleister nur noch über Dritte, mit einer Überlassung. Ich selbst bin auch betroffen. Ich schiebe das Risiko weiter an die Agenturen, die Selbstständige vermitteln.
Welche Zielgruppen leiden am meisten unter diesem Risiko?
Das ist jetzt nicht nur der Programmierer, ITler oder Projektleiter. Dazu gehören auch Ingenieure, wie ich es in einem aktuellen Fall gerade festgestellt habe. Und wenn ich einen Ingenieur mit einem Projekt beauftrage, das drei oder vier Monate dauert, kann der in der Zeit ja nicht noch fünf andere Aufträge abarbeiten. Er muss das Projekt für eine Firma abschließen. Dann gilt der quasi schon als angestellt.
Bedeutet das: ewige Unsicherheit?
Ja, klar. Es ist für die meisten Menschen fast unmöglich herauszufinden: Was darf ich? Und was darf ich nicht? Ich hatte einen Gründer, der wollte als Handelsvertreter für eine Firma arbeiten. Damit hatte ich Probleme, ich habe ihm davon abgeraten. Da durchzublicken, wird immer schwieriger. Die ersten Steuerberater nehmen keine Gründer mehr, weil den Steuerkanzleien das Personal ausgeht. Und letztlich weiß keiner sicher, wie das Finanzamt reagiert.
Empfinden Sie das als Willkür?
Ich habe eine Kollegin, die hat sich jahrelang mit dem Finanzamt gestritten. Zuvor hatte das Finanzamt ihre Tätigkeit als freien Beruf anerkannt. Dann, plötzlich, war das nicht mehr der Fall. Weil ein Mitarbeiter gewechselt hat – oder wegen einer neuen Vorschrift. Sie ist in die Berufung gegangen, es wurden mehrere Gutachten erstellt. Vor einigen Tagen hat sie in einer Prüfung ihre betriebswirtschaftlichen Kenntnisse nachweisen müssen. Zum Glück hat sie das geschafft. Aber so etwas empfinde ich schon als Willkür.
Sollte Kanzler Scholz Sie heute Abend anrufen und Sie fragen, wie er Selbstständigen helfen könnte, welchen Tipp hätten Sie für ihn?
Er sollte verstehen, wie wichtig Selbstständige für die Wirtschaft sind. Wir sind viele, wir sind die Masse der Unternehmen. Wir müssen uns vor den Dax-Konzernen nicht verstecken. Noch ein Punkt: Ich berate viele Gründer mit Migrationshintergrund. Denen fällt das Gründen leichter, als einen Job zu bekommen. Und die wollen das auch – unternehmerisch tätig sein.
Haben Sie das Gefühl, nicht wahrgenommen zu werden?
Ja. Ich erlebe das auch im IHK-Regionalausschuss. Als Selbstständige bist du da das kleine Mäuschen. Da hilft schon die Einsicht, dass etwa zwei Drittel der IHK-Mitglieder Selbstständige oder Kleinstunternehmer sind. Wir sind mehr. Dieses Bewusstsein brauchen wir.
Wünschen Sie sich mehr Wertschätzung?
Diese ganzen Regeln mit der Scheinselbstständigkeit, die Einstufung als Kleinstunternehmer – das ist wie eine Betondecke über meinem Kopf. Wir sind Unternehmer. Fertig. Wir sind eine Wirtschaftskraft. Dieses Selbstbewusstsein brauchen wir.