Der IHK-Verkehrsausschuss diskutiert auf seiner Sitzung im Münchner Flughafen über die Zukunft des Flugverkehrs – und was die Politik dafür tun kann.
Ein Bericht von Martin Armbruster
Der Blick über das Rollfeld an diesem Nachmittag machte besser klar als alle Zahlen, welche Bedeutung dieser Flughafen hat. Die IHK hatte am 13. Februar ihren Verkehrsausschuss zur Sitzung in den „Information Security Hub“ des Münchner Flughafens geladen. Auf der Agenda standen Vorträge und Diskussion über die Perspektiven des Luftverkehrsstandorts München. Zum Aufwärmen bot eine Busrundfahrt Einblicke in die Prozesse, die es für den Flughafenbetrieb braucht: Flugzeugwartung, Frachtabfertigung, Tanklager, zwei Feuerwehren, bei Bedarf hat man bis zu 600 Scheepflugfahrer im Einsatz. Der Ausschussvorsitzende Georg Dettendorfer äußerte sich beeindruckt: „Im Inntal sind wir froh, wenn wir einen sehen.“ Einen Tag vor Beginn der Sicherheitskonferenz ließ sich auf dem Gelände sehen, was Globalisierung heißt: Auf dem Rollfeld standen Regierungsmaschinen aus allen Teilen der Welt. Und natürlich ging es bei der folgenden Sitzung zehn Tage vor der Bundestagswahl auch um die Frage, was sich die Luftverkehrsbranche von der neuen Bundesregierung erhofft.
Roland Beck, bei der Flughafengesellschaft München (FMG) Leiter der Politischen Angelegenheiten, formulierte skeptisch. „Die neue Regierung muss erst einmal stehen. Dann kommt der Kassensturz und wird zeigen, was noch möglich ist“, sagte Beck. Er betonte die wirtschaftliche Bedeutung des Flughafens: 35.000 Mitarbeiter, in Spitzenzeiten 1.000 Starts und Landungen am Tag, 42 Millionen Flugreisende pro Jahr. Laut Beck haben sich rund um den Flughafen 500 Unternehmen angesiedelt. Jeder 100. Euro, der in Bayern erwirtschaftet wird, wird am Flughafen verdient. Beck ging auch auf die Negativ-Schlagzeilen des vergangenen Jahres ein. Warteschlangen, Personalmangel und Chaos bei der Gepäckausgabe hatten für viel Ärger und Spott gesorgt. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) nannte diese Performance als „nicht Bayern-Like“. Lufthansa-Konzernchef Carsten Spohr kritisierte, in dieser Verfassung sei der Flughafen München der schlechteste Europas. Beck versicherte vor dem Ausschuss, man habe daraus gelernt – und schon 2024 rund 1.800 Mitarbeiter neu eingestellt. In diesem Jahr sollen weitere 500 Einstellungen folgen. „Wir werden ein Fünf-Sterne-Flughafen bleiben“, kündigte Beck an. Dafür werde investiert: in Digitalisierung („alles, was geht“), Sicherheit, KI, mehr Kameras, in das Terminal 2, in Gepäckförderanlagen, Parkhäuser und ein Mietwagenzentrum. Auch beim Ziel der Klimaneutralität bis 2035 komme die FMG voran – mit Blockheizkraftwerk, Solarflächen und dem Umrüsten auf E-Mobilität. Dann ging Beck auf ein Problem ein, mit dem sich die IHK seit Langem beschäftigt: die schlechte Schienenanbindung, der „Geburtsfehler“, des Flughafens. Die denkbaren Schritte werden seit Jahren diskutiert: eine „Express-S-Bahn“ in die City, die mit der 2. Stammstrecke realisiert werden könnte. Der große Wunsch wäre ein ICE-Bahnhof mit Anbindung an Ingolstadt. Drittens ist aus FMG-Sicht der Ausbau der Schienenstrecke ABS 38 Richtung Südosten lohnend, da Österreich in die Bahnstrecke von Linz nach Mühldorf investiert.
Jeder dieser Schritte würde dem Flughafen nutzen – es wird aber viel Geld und Zeit brauchen, sie umzusetzen. Ob die Politik dafür das Stehvermögen hat, daran äußerte nicht nur Beck Zweifel. Bessere Rahmenbedigungen forderten auch die beiden anderen Referenten: Jan Heile, Sprecher des Flughafenverbands ADV, und Stephan Sellmaier, Verantwortlicher für die Interessenvertretung der Lufthansa in Bayern. Beck, Heile und Sellmaier betonten einen Punkt: Während der Corona-Zeit ist das Geschäft des Münchner Flughafens um 98 Prozent dramatisch eingebrochen. Davon hat er sich bis heute nicht erholt. Die Zahl der Flüge liegt bei etwa 85 Prozent des Vor-Corona-Niveaus. Was dem Flughafen Sorgen macht: Den anderen Flughäfen Europas geht es deutlich besser. Dort herrscht heute mehr Betrieb als vor Corona. Über die Gründe waren sich die Referenten einig. Der Luftverkehr Münchens leide unter Standortkosten und Regulierungen. „Wir kämpfen mit zu viel Gegenwind“, klagte Lufthansa-Manager Sellmaier. Verbandssprecher Heile erklärte, was diesen Gegenwind erzeugt. Heile sagte, man stehe im internationalen Wettbewerb mit Flughäfen, an denen man das nicht kenne: Nachtflugverbot und Begrenzungen des Flugverkehrs. Was München schwäche, seien typisch deutsche Belastungen, wie Flugsicherungsgebühr, Luftsicherheitsgebühren, Kerosinsteuer und Luftverkehrssteuer („Die muss weg!“).Heile sagte weiter, sein Verband stehe selbstverständlich hinter den Klimaschutzzielen. Nur müssten die international so umgesetzt werden, dass kein Wettbewerbsnachteil für deutsche Flughäfen und Airlines entstehe. Als Beispiel nannte er die seit Januar geltende Beimischungsquote von fossilfreiem SAF-Treibstoff in das Kerosin. SAF sei in den nötigen Mengen überhaupt nicht zu bekommen und fünf- bis zehnmal teurer als Flugbenzin. Sorgen mache der Branche auch der europäische Green Deal. Von 2027 an werde auch der Verkehrssektor einbezogen in den Emissionshandel. Heile machte die Rechnung auf: Ein Kurzstreckenflug werde um 7 Euro, ein Langstreckenflug um 70 Euro teuerer. „Das tut richtig weh“, betonte der ADV-Mann. Er befürchtet, dass Firmen, Geschäftsreisende und Urlauber auf Flughäfen in anderen Ländern ausweichen würden.Unter dem Strich drohe eine verheerende Bilanz: „Wir schwächen uns selbst und dem Klima bringt es nichts.“ Lufthansa-Manager Sellmaier warnte vor einem Albtraum-Szenario: In München stehen die eigenen Maschinen am Boden, aber die „Carrier aus dem Mittleren Osten fliegen ein“.
Nach der geballten Kritik an den Rahmenbedingungen gab es auf der Sitzung auch Positives. Sellmaier bekannte sich klar zum Standort: „München ist unser Premium-Hub. Und das wird auch so bleiben.“ Die Lufthansa habe in München 135 Flugzeuge stationiert, beschäftige 12.000 Menschen und sorge für zwei Drittel des Münchner Flugverkehrs. Allerdings warnte Sellmaier ebenso deutlich, der Politik sei nicht bewusst, wie knapp die Margen in seiner Branche seien. Netto blieben von einem Flugticket nur etwa acht Euro bei der Lufthansa hängen. Dettendorfer versprach, er werde die Argumente und Bedenken über die DIHK in Berlin in die bundespolitische Diskussion einbringen. Die DIHK bereite sich mit Papieren auf die anstehenden Koalitionsverhandlungen vor.
IHK-Verkehrsfachmann Korbinian Leitner bat die Teilnehmer abschließend noch um eine Abstimmung per Smartphone. Sie sollten auswählen, welche Punkte der Referenten sie unterstützen würden. Leitner sagte, es sei zwar nur ein Stimmungsbild, aber denn hilfreich für kommende Gespräche mit der Politik. Das Ergebnis war jedenfalls glasklar: Hundertprozentige Zustimmung für die ICE-Anbindung des Flughafens.
Die Zusammenfassung der Sitzung entnehmen Sie bitte dem Proktokoll
. Den Vortrag von Jan Heile, ADV, finden Sie hier.