Bahnstrecke München-Freilassing kommt nicht voran
Was der Chemieindustrie das Leben sicher nicht leichter macht, ist der Rückschlag für die geplante Bahnstrecke Strecke München–Mühldorf–Freilassing, die sogenannte ABS 38. Dafür gab es ein fixes Ziel: zweigleisig und elektrifiziert bis 2030.
Per Video zugeschaltet, hatte Klaus-Peter Zellmer, Großprojektleiter bei der DB Netze, die Aufgabe, dem Ausschuss zu erklären, was nicht zu verstehen ist: dass ein fristgerechter Ausbau ausgerechnet an einem Gesetz scheitert, das Planungsprozesse beschleunigen soll. Nun, Zellmer gab sich Mühe.
Demnach durchlief die ABS 38 bislang das übliche Planfeststellungsverfahren. Da wurden Fortschritte erzielt. „So nah dran waren wir nie“, versicherte Zellmer. Dann trat 2020 das Maßnahmengesetzvorbereitungsgesetz in Kraft. Womit Südostbayern nun wirklich Pech hatte: Das Gesetz wurde mit einer Liste von 12 Projekten unterfüttert, die beschleunigt werden sollen. Ganz oben steht die ABS 38.
Was folgte, ist eine Perle deutscher Genehmigungs- und Planungskunst. Zellmer und sein Chef Klaus-Dieter Josel, der Konzernbevollmächtigte der Bahn in Bayern, haben vergeblich versucht, die ABS 38 vor der gesetzlichen Beschleunigung zu retten. Faktisch werden nun noch einmal alle Planungsschritte wiederholt, die man schon gemacht hatte. Bremsend wirkt ferner, dass in die Planung zusätzlich eine Eisenbahnbrücke bei der Gemeinde Weidenbach aufgenommen werden muss. Kurz: Der Zeitplan ist futsch.
Die Ausschussvorsitzende Obermeier-Osl fragte Zellmer mehrmals, wann denn genau mit der Fertigstellung der Bahnstrecke zu rechnen sei. Der Bahn-Sprecher wand sich. Zellmer sagte, das Ganze verschiebe sich um mehr als ein oder zwei Jahre. Den Frust der Region könne er verstehen. Alle Argumente würden für das Projekt sprechen.
Über beide Themen wurde intensiv diskutiert. „Deutschland will in 18 Jahren klimaneutral sein. Schafft es aber nicht, in 10 Jahren eine Bahnstrecke auszubauen“, sagte Langhammer. Christoph Oechsner sprach von einem „Déjà Vu“ – seit Jahren mache er immer die gleiche Erfahrung: Stillstand. Es bewege sich nichts im Land. Florian Loserth, stellvertretender Ausschussvorsitzender, kritisierte, die Politik fahre nur auf Sicht. Sie reagiere nur dann, wenn es brenne. Robert Martin äußerte sich genervt über das „streng bürokratische“ Planungsverfahren der Schienenstrecke. Solche Prozesse seien „aus der Zeit gefallen“.
Martin und IHK-Referent Korbinian Leitner stellten fest, es gebe in Deutschland zwei Geschwindigkeiten. Das Tempo, mit dem Tesla in Brandenburg ein Werk errichte und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) binnen weniger Tage die Energiepolitik auf den Kopf stellt. Und das Tempo der Bahn. Obermeier-Osl fasste die Gesamtlage mit dem Satz zusammen: „Es sieht düster aus.“ Die große Frage sei, was könne man tun? Der Ausschuss verabschiedete einstimmig einen Beschluss, der den zügigen Ausbau der ABS 38 fordert. Adressaten sind Bundestag, Deutsche Bahn und Bundesverkehrsministerium. Damit will sich die Vorsitzende aber nicht begnügen. Aus ihrer Sicht steht zu viel auf dem Spiel. Die Bahnstrecke könnte ganz kippen, die Chemie-Unternehmen aus der Region abziehen. Dann hätten auch Handel und Dienstleistung ein großes Problem. Obermeier-Osl schlug vor, politische Entscheidungsträger zu einem Austausch in die kommende Sommersitzung des IHK-Regionalausschusses einzuladen.
Das wurde von den Unternehmern begrüßt. Christoph Oechsner meinte, wenn man etwas verändern wolle, müsse man Druck auf die Politik ausüben. Das gehöre zur Demokratie. Robert Martin schlug vor, sich direkt an Bundesminister Habeck zu wenden. Der packe die Dinge an. Bernhard Langhammer erklärte, seine Initiative ChemDelta Bavaria arbeite daran, Habeck in die Region zu holen. Sollte der grüne Bundesminister einen Termin zusagen, werde man den IHK-Ausschuss gerne dazu einladen. Schließlich arbeite man für das gleiche Ziel: den wirtschaftlichen Absturz verhindern.