Auf einen Blick

Unternehmen in Deutschland verbringen jedes Jahr Millionen Arbeitsstunden mit steuerlicher Verwaltung statt mit Wertschöpfung. Komplexe Vorschriften, wiederholte Datenerhebungen und veraltete Abläufe hemmen Innovation, verschlingen Ressourcen und schwächen die Wettbewerbsfähigkeit. Wichtige Ansatzpunkte zum Rückbau der administrativen Lasten sind:

1. Mehr Vereinfachung und Digitalisierung

2. Mehr Klarheit, Transparenz und Rechtssicherheit

3. Mehr Zusammenarbeit auf allen Verwaltungsebenen

4. Mehr Vertrauen

5. Mehr Tempo

Vom Handlungsdruck zur Strategie

Für einen attraktiven und wettbewerbsfähigen Standort sind nicht nur Entlastungen im materiellen Steuerrecht notwendig, sondern gleichzeitig auch spürbare Erleichterungen in der Steueradministration. Weniger bürokratischer Aufwand für die Unternehmen ist ein entscheidender Standortfaktor und muss als Wachstumsmotor begriffen werden. Gerade in Zeiten schwieriger Haushaltslagen bieten administrative Vereinfachungen wichtige steuerpolitische Handlungsräume und sollten darum zeitnah umgesetzt werden.

Ausgehend von bestehenden Positionen der IHK für München und Oberbayern werden nachfolgend fünf wichtige Ansatzpunkte herausgearbeitet.

Zukunft sichern mit 5 Grundsätzen

1. Mehr Vereinfachung und Digitalisierung

Statt neue Regelungen zu schaffen, sollten bestehende Vorschriften vereinfacht und überflüssige abgebaut werden. Pauschalen, Pauschalierungsmöglichkeiten und Bagatellgrenzen sollten erweitert statt gestrichen werden. Komplexität sollte durch harmonisierte Bestimmungen (z.B. steuerartenübergreifender Gleichlauf von Definitionen und Konzepten) sowie weniger Fokus auf Einzelfallgerechtigkeit reduziert werden. Ein einfacheres Steuerrecht ist auch unverzichtbare Basis für die digitale Transformation von Wirtschaft und Verwaltung. Digitale Steuerlösungen müssen Behörden und Unternehmen gleichermaßen praktischen Nutzen bringen. Anwenderfreundlichkeit, Automatisierung und Once-Only-Prinzip sollten konsequent umgesetzt werden.

  • Beispiel 1: Bereits vorliegende Daten konsequent nutzen, anstatt sie bei Steuerprüfungen erneut anzufordern. Steuerprüfungen zeitnah und zeitlich gestrafft digital durchführen; spätestens fünf Jahre nach dem Veranlagungsjahr abschließen. Aufbewahrungsfristen entsprechend einheitlich verkürzen.
  • Beispiel 2: Monatliche Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen für Existenzgründende dauerhaft abschaffen, nachdem diese Regelung bereits von 2021-2026 ausgesetzt wird.
  • Beispiel 3: Digitale, maschinenlesbare Bescheide mit Rückübertragungsmöglichkeit nach Betriebsprüfungen für alle Steuerarten flächendeckend forcieren.

2. Mehr Klarheit, Transparenz und Rechtssicherheit

Unternehmen brauchen klare und einheitlich angewandte Steuerregeln. Zu oft herrscht Unsicherheit darüber, wie Sachverhalte einzuordnen sind oder welche Pflichten konkret bestehen. Unternehmen erhalten teilweise erst Monate oder gar Jahre später Klarheit über die Sicht der Finanzverwaltung und sind in der Zwischenzeit erheblicher Rechtsunsicherheit ausgesetzt. Eine moderne Verwaltung sollte daher für mehr Verständlichkeit, Transparenz und Rechtssicherheit sorgen – durch klare Leitlinien, nachvollziehbare Verfahren und frühzeitige Kommunikation.

  • Beispiel 1: Alle gültigen BMF-Schreiben und sonstigen Verwaltungsanweisungen zentral, kostenlos und digital für alle bereitstellen und neue Gesetze sofort mit Verwaltungsanweisungen, Leitfäden und FAQs flankieren.
  • Beispiel 2: Informationsangebote für Start-ups und sonstige Existenzgründende forcieren. Die steuerlichen Herausforderungen, die an diese Unternehmen gestellt werden, sind enorm, gerade auch in den Anfangsjahren.
  • Beispiel 3: Bereits erteilte verbindliche Auskünfte (Musterfälle) in anonymisierter Form veröffentlichen (analog Express Antwort Service des BMF in Österreich).

3. Mehr Zusammenarbeit auf allen Verwaltungsebenen

Unser Wirtschaftsstandort braucht eine gemeinsame, priorisierte Strategie zur Verwaltungsmodernisierung. Bürokratieabbau auch im Steuerbereich funktioniert nur, wenn Bund, Länder, Kommunen und EU an einem Strang ziehen, Verfahren harmonisieren und Parallelstrukturen abbauen. Eine ressortübergreifende Zusammenarbeit innerhalb der Verwaltung ist Voraussetzung, um Datenflüsse und Prozesse effizient zu gestalten.

  • Beispiel 1: Einführung der Wirtschafts-Identifikationsnummer konsequent nutzen, um Prozesse in allen relevanten behördlichen und wirtschaftsbezogenen Verfahren übergreifend zu vereinfachen und zu vernetzen.
  • Beispiel 2: Fachübergreifend Kompetenzen bündeln (z.B. Lohnsteuer und Sozialversicherung); dabei auch abgestimmte Betriebsprüfungen erwägen, um Bürokratielasten für Verwaltung und Wirtschaft zu senken.
  • Beispiel 3: Durch verstärkte Zusammenarbeit zwischen Finanzbehörden und Kommunen und durch Abbau von fragmentierten IT-Strukturen den Rollout von digitalen Gewerbesteuerbescheiden beschleunigen.

4. Mehr Vertrauen

Ein grundlegendes Umdenken in der Finanzverwaltung ist geboten: Weg von einem Klima des Misstrauens, hin zu einer echten Vertrauenskultur. Unternehmen dürfen nicht länger pauschal als potenzielle Steuerbetrüger betrachtet werden. Statt immer mehr Meldepflichten und Kontrollinstrumente zu schaffen, sollten Politik und Verwaltung den Schwerpunkt auf positive Anreize für mehr freiwillige Transparenz und Kooperation legen. Wer bereit ist, offen zu kommunizieren und zusätzliche Informationen bereitzustellen, verdient Erleichterungen – nicht zusätzliche Belastungen. Nur durch partnerschaftliche Zusammenarbeit kann ein modernes und faires Steuerwesen entstehen, das Vertrauen stärkt und die Einhaltung steuerlicher Pflichten nachhaltig fördert.

  • Beispiel 1: Für Unternehmen, die kooperativ mitwirken (z.B. Tax CMS), verbindliche Anreize setzen. Dabei Erprobungsregeln nach Art. 97 § 38 EGAO zügig ausbauen und fortentwickeln.
  • Beispiel 2: Kooperative Prüfungsansätze mit verbindlichen Anreizen auch für KMU schaffen.
  • Beispiel 3: Lohnsteuerliche Anrufungsauskunft auf weitere Steuerarten ausdehnen.

5. Mehr Tempo

Schnelligkeit und Agilität – wichtige Schritte sowohl für bereits langjährig bestehende Betriebe als auch für Start-ups und sonstige Existenzgründende. Damit Unternehmen aber auch schnell und rechtssicher ihr operatives Geschäft betreiben können, braucht es schnelle Schritte durch die Finanzverwaltung.

  • Beispiel 1: Steuernummern innerhalb weniger Tage vergeben. Es ist gut, dass die föderale Modernisierungsagenda nun auch Gründungen innerhalb von 24 Stunden vorsieht. Um Neugründungen einen schnellen Start zu ermöglichen, müssen jedoch wochenlange Wartezeiten auf die Steuernummer vermieden werden.
  • Beispiel 2: Vorsteuererstattungsanträge zügig bearbeiten. Verbindliche Bearbeitungsfristen und digitale Statusabfragen schaffen Verlässlichkeit und Transparenz. Dies gilt auch für Quellensteueranträge (Freistellungen, Erstattungen) beim Bundeszentralamt für Steuern sowie für Umsatzsteuersonderregeln (OSS/IOSS).
  • Beispiel 3: Bearbeitungszeiten für die Steuerfestsetzung beschleunigene; hierzu z.B. vorausgefüllte und automatisierte Steuererklärungen oder Selbstveranlagung vorantreiben.

Fazit

Neben materiellen Erleichterungen benötigen Unternehmen mehr Zeit für ihr Kerngeschäft durch administrative Entlastung. Radikale Vereinfachung, Flexibilität, digitale Lösungen und klare, verlässliche Regeln sind daher unerlässlich. Dazu bedarf es einer übergreifenden, koordinierten Strategie, die Themen bündelt und vorantreibt. Durch konsequente Zusammenarbeit auf allen staatlichen Ebenen können spürbare Entlastungen erreicht, Vertrauen gestärkt und Investitionen in Wachstum und Innovation ermöglicht werden. Unternehmen sollen wieder freie Köpfe für Innovation und Wertschöpfung haben – das ist die Grundlage für einen attraktiven, wettbewerbsfähigen Standort und nachhaltigen wirtschaftlichen Erfolg.

Diese Position ergibt sich aus den von der Vollversammlung der IHK für München und Oberbayern verabschiedeten Beschlüssen, u.a.: Wirtschaftspolitische Positionen der DIHK (2025), Bundestagswahl 2025 „Forderungen für die Bundesebene“ (2024), Landtagswahl 2023 „Forderungen für die Landesebene“ (2023), Positionspapier „Steuern digital – Impulse richtig setzen“ (2018)