Trotz Zollunion EU - Türkei können nicht alle Waren zollfrei zwischen beiden Partnern hin und her bewegt werden. Dies gilt für beide Richtungen des Warenverkehrs.
Während die EU auf eine Reihe von türkischen Ursprungswaren Anti-Dumping-Zölle erhebt, werden auf Seiten der Türkei ebenfalls Anti-Dumping-Zölle für bestimmte Waren mit Ursprung in bestimmten Ländern der EU erhoben. Hinzu kommt, dass die Anti-Dumping Zölle der EU und der Türkei für bestimmte Waren aus bestimmten Drittländern nicht deckungsgleich sind. Daneben fallen beim Import aus der EU in die Türkei gegebenenfalls Ausgleichszölle und / oder Zusatzzölle an.
Anti-Dumping-Zölle und Zusatzzölle der Türkei fallen beim Import bestimmter Waren aus bestimmten Ländern in die Türkei an. Sie werden auf den regulären Drittlandszollsatz aufgeschlagen. Es spielt keine Rolle, ob diese Waren zuvor durch Import in die EU bereits ins Gebiet der Zollunion gelangt sind. Für Waren mit Ursprung in Ländern der EU sowie der EFTA und teilweise weiteren Ländern der Pan-Euro-Med-Zone fallen keine Zusatzzölle an.
Ausgleichszölle der Türkei sind der Tatsache geschuldet, dass trotz Zollunion EU - Türkei die Drittlandszollsätze der EU und der Türkei für bestimmte Warengruppen voneinander abweichen.
Um eine Umgehung des (für einige Warengruppen) höheren Drittlandszollsatzes der Türkei durch Einfuhr über die EU (und anschließende Weiterverbringung im Gebiet der Zollunion) zu verhindern, hat die Türkei für Waren mit Ursprung in einer Reihe von Drittländer diese Ausgleichszölle eingeführt. Sie fallen an, wenn Waren aus diesen Drittländern via EU in die Türkei importiert werden.
Offiziell wird die Zollfreiheit bei Warenimporten aus der EU in die Türkei gewährt, wenn folgende Handelsdokumente vorgelegt werden:
- Warenverkehrsbescheinigung A.TR. zur Vermeidung des regulären Drittlandszolls der Türkei
- IHK-bescheinigtes Ursprungszeugnis (im Falle von Ursprung EU zusätzlich mit Angabe des Landes innerhalb der EU) zur Vermeidung des gegebenenfalls anfallenden Anti-Dumping-Zolls, Ausgleichszolls und Zusatzzolls der Türkei. Voraussetzung ist, dass der Ursprung der Ware nicht in Ländern liegt, die von diesen Zöllen betroffen sind.
- Besondere Lieferantenerklärung EU - Türkei (zusätzlich zum Ursprungszeugnis) zur Vermeidung des gegebenfalls anfallenden Zusatzzolls, falls die Ware ihren Ursprung in einem Land der EU oder der Pan-Euro-Med-Zone hat.
Wird die Ware ohne die oben genannten Handelspapiere in die Türkei verschickt, berechnet der türkische Zoll den maximalen Zollsatz, der sich (je nach Ware) aus der Summe von Drittlandszollsatz, Anti-Dumping Zollsatz, Ausgleichszollsatz und Zusatzzollsatz ergibt.
Nach Berichten von Exporteuren aus der EU wird in manchen Fällen die Einfuhr der Ware auch blockiert, wenn keine A.TR. und kein Ursprungszeugnis vorgelegt wird. Statt den maximalen Zollsatz zu berechnen, lässt der türkische Zoll die Ware erst gar nicht ins Land.
Empfehlung der IHK:
Wir empfehlen, bei jeder Warenlieferung aus der EU in die Türkei neben der Warenverkehrsbescheinigung A.TR. immer auch ein IHK-bescheinigtes Ursprungszeugnis und, falls die Ware den Ursprung EU oder Pan-Euro-Med-Zone hat, zusätzlich die besondere Lieferantenerklärung EU - Türkei
beizugeben.
Weitere Informationen zu den Ausgleichs- und Zusatzzöllen:
AUSGLEICHSZÖLLE:
Im Dezember 2017, im Juni 2018 und nochmals im Mai 2019 hat die Türkei ihre Einfuhrvorschriften angepasst: Dabei wurde die Vorlage von IHK-bescheinigten Ursprungszeugnissen trotz Warenverkehrsbescheinigung A.TR. (dem Freiverkehrsnachweis im Gebiet der Zollunion EU - Türkei) auf eine formale Rechtsgrundlage gestellt. Daneben wird die Erhebung von Ausgleichszöllen für Waren mit Ursprung in bestimmten Entwicklungsländern, die vom Schema allgemeiner Zollpräferenzen (APS) der Europäischen Union begünstigt werden, geregelt.
Rechtsgrundlagen sind die Verordnung 2017/10926 vom 14.12.2017, die Verordnung 2018/11799 vom 22.06.2018 sowie die Änderung der Zolldurchführungsverordnung vom 24.05.2019.
Verordnung 2017/10926
Gemäß der Verordnung 2017/10926 vom 14.12.2017 fallen bei der Einfuhr von bestimmten Gütern ( unverbindliche Übersetzung der in der Verordnung aufgeführten Liste der Zolltarifnummern
) Ausgleichszölle an. Die Regelung findet Anwendung für sämtliche Wareneinfuhren aus der EU, welche mit der Warenverkehrsbescheinigung A.TR. eingeführt werden, sobald die Ware den Ursprung aus den folgenden Ländern besitzt: Indonesien, Indien, Vietnam, Pakistan, Bangladesch, Kambodscha, Sri Lanka.
Die Verordnung gilt seit dem 13. Januar 2018. (Quelle: DIHK)
Verordnung 2018/11799
Mit der Verordnung 2018/11799 vom 22.06.2018 wurde die Liste der von Ausgleichszöllen betroffenen Länder und Waren erweitert.
Neben Indonesien, Indien, Vietnam, Pakistan, Bangladesch, Kambodscha und Sri Lanka sind nun auch Bolivien, Cap Verde, Mongolei, Paraguay, Ukraine und Äthiopien mit verschiedenen Zolltarifnummern und Zollsätzen erfasst. Die betroffenen Zolltarifnummern finden Sie im Anhang der Verordnung 2018/11799. Sie umfassen nun alle unter die Zollunion fallenden Erzeugnisse mit Ausnahme von Kapitel 93 und mit Ausnahme von EGKS-Erzeugnissen und landwirtschaftlichen Erzeugnissen (Kapitel 5,9,13 bis 15, 17 bis 22, 24 und 44 bis 46).
Die Verordnung ist seit dem 22.07.2018 in Kraft. (Quelle: DIHK)
Änderung der Zolldurchführungsverordnung vom 24.05.2019
In der Änderung der Zolldurchführungsverordnung vom 24.05.2019 ( unverbindliche Übersetzung durch die AHK Türkei
) wird festgelegt, dass auch für Waren, die mit der Warenverkehrsbescheinigung A.TR. in die Türkei eingeführt werden, in bestimmten Fällen zusätzlich ein Ursprungszeugnis verlangt werden kann. Dies betrifft vor allem diejenigen Waren, für die bei bestimmten Ursprungsländern Zusatz- oder Ausgleichszölle anfallen (siehe obige Verordnung 2017/10926 und Verordnung 2018/11799).
Die bisherige Möglichkeit, für Waren mit Ursprung EU eine Exporteurserklärung / Exporter's Declaration als Ursprungsnachweis zu verwenden, entfällt. Die diesbezügliche Verordnung 2017/4 vom 30.12.2017 wurde aufgehoben ( Kommuniqué vom 24.05.2019).
Obwohl laut Art. 205 (4) ç) der Änderung der Zolldurchführungsverordnung vom 24.05.2019 ein Ursprungszeugnis nur vorbehaltlich etwaiger Risikokriterien angefordert werden soll, scheint die türkische Zollverwaltung in der Praxis hiervon umfangreich Gebrauch zu machen. Aufgrund zahlreicher Hinweise verschiedener IHKs scheinen Ursprungszeugnisse pauschal bei sämtlichen Waren, die von Zusatz- oder Ausgleichszöllen betroffen sind, vom türkischen Zoll angefordert zu werden.
Diese Teile der Änderung der Zolldurchführungsverordnung traten bereits mit ihrer Veröffentlichung am 24.05.2019 in Kraft. (Quellen: DIHK, AHK Türkei)
ZUSATZZÖLLE:
Erlass des türkischen Handelsministeriums - Generalzolldirektion vom 27.05.2019
Am 27.05.2019 informierte die türkische Generalzolldirektion in einem Erlass
über die Ausführungsbestimmungen des Artikels 205 Abs.4 der Änderung der Zolldurchführungsverordnung vom 24.05.2019 ( unverbindliche Übersetzung durch die AHK Türkei
).
Unter anderem weist sie darauf hin, dass bei der Einfuhr präferenzbegünstigter Waren mit Ursprung in der Pan-Euro-Med-Zone, die mit einer A.TR. über die EU in die Türkei kommen, etwaige Zusatzzölle nur vermieden werden können, sofern der Ware die besondere Lieferantenerklärung EU - Türkei
beiliegt. Ein Ursprungszeugnis reicht in diesen Fällen zur Vermeidung des Zussatzzolls nicht aus. (Quelle: AHK Türkei)
Zusatzzölle ab April - Juni 2020
Im Zeitraum April - Juni 2020 hat die Türkei für eine Reihe von Warengruppen mit Ursprung in bestimmten Drittländern Zusatzzölle erlassen.
Die Liste der betroffenen Warentarifnummern sowie die Auflistung der Zollsätze nach bestimmten Ursprungsländern findet sich jeweils im Anhang (Türkisch: Ek) der entsprechenden Verfügungen des Staatspräsidenten.
Es gibt für die Einführung dieser Zusatzzölle zwei Phasen: Die erste Phase gilt vom In-Kraft-Treten der entsprechenden Verfügung bis zum 31.12.2020. Dafür gelten die Zollsätze im Anhang 2 (Ek 2) der entsprechenden Verfügung. Die zweite Phase beginnt am 01.01.2021 (siehe Festlegung der Stichtage: Präsidentialverfügung 2955 vom 23.09.2020). Dafür gelten die Zollsätze im Anhang 1 (Ek 1) der entsprechenden Verfügung.
Eine Ausnahme bilden die Verfügungen 2423 vom 17.04.2020 sowie die Verfügungen 2429 und 2430 vom 20.04.2020. Die hier festgelegten Zusatzzölle gelten vorläufig nur bis 31.12.2020.
Waren mit Ursprung in der Türkei, Ländern der EU, Ländern der EFTA und teilweise weiteren Ländern der Pan-Euro-Med-Zone sind von den Zusatzzöllen nicht betroffen. Es gilt für diese Waren der Zollsatz (siehe Tabellen in den Anhängen der Verfügungen) in der ersten Spalte (bezeichnet mit "1"). Für Waren mit Ursprung in anderen Ländern, die über die EU in die Türkei importiert werden, gilt der Zollsatz in der letzten Spalte (bezeichnet mit "8" oder "9"), d.h. die Zusatzzölle fallen an.
Mit den folgenden Präsidentialverfügungen hat die Türkei die Zusatzzölle ab April - Juni 2020 eingeführt und in einigen Fällen modifiziert:
- Verfügung 2423 vom 17.04.2020: Betroffen sind Warengruppen der HS-Positionen 7207 - 7228
- Verfügung 2424 vom 17.04.2020, ergänzt durch Verfügung 2485 vom 04.05.2020 und Verfügung 2683 vom 27.06.2020: Betroffen sind Warengruppen der HS-Positionen 3506 - 9606
- Verfügung 2429 vom 20.04.2020: Betroffen sind Warengruppen der HS-Positionen 3005 - 6702
- Verfügung 2430 vom 20.04.2020, ergänzt durch Verfügung 2683 vom 27.06.2020: Betroffen sind Warengruppen der HS-Positionen 2924 - 9701
- Verfügung 2514 vom 11.05.2020: Betroffen sind Warengruppen der HS-Positionen 3604 - 9620
- Verfügung 2565 vom 19.05.2020: Betroffen sind Warengruppen der HS-Positionen 2515 - 9028
- Verfügung 2682 vom 27.06.2020: Betroffen sind Warengruppen der HS-Positionen 2918 - 9032
Die Listen der betroffenen Warentarifnummern in den Anhängen der Verfügungen 2429 und 2430 vom 20.04.2020 enthalten dabei auch diejenigen Warengruppen, die bereits zuvor mit Zusatzzöllen belegt waren (d.h. es handelt sich in Summe um eine Gesamtliste der von Zusatzzöllen betroffenen Warengruppen - exklusive der weiteren Zusatzzollverordnungen ab April 2020).
Quellen: Türkisches Amtsblatt Resmi Gazete, GTAI