Müssen wir das Verhältnis zwischen Staat und Wirtschaft wieder neu justieren?
Das hat mir von Anfang an Sorge bereitet: Diese hohe Geschwindigkeit, mit der wir Richtung Staatswirtschaft gefahren sind. Schon vor Corona hatten wir im Land Züge einer Planwirtschaft. Der Trend hat sich verstärkt. Wir haben absurde Diskussionen über Staatsbeteiligungen schon zu einem Zeitpunkt geführt, als es dafür überhaupt keinen Anlass gab.
Was versprechen Sie sich von dem Konjunkturprogramm?
Die Effekte bleiben abzuwarten. Keiner weiß, ob die Senkung der Mehrwertsteuer wirken wird. Für viel wichtiger halte ich eine Entscheidung, die nur Fachkreise registriert haben: Das EU-Parlament hat den Schwellenwert für den Mittelstandsfaktor von 1,5 auf 2,5 Millionen Euro erhöht. Bis zu dieser Höhe dürfen Banken ihre Kredite an KMUs mit weniger Eigenkapital hinterlegen.
Welchen Effekt hat das?
Die Banken können mehr Kredite an Mittelständler vergeben. Das wirkt wie ein Konjunkturprogramm. So kommen wir zu mehr Investitionen. Wie nötig die sind, war kürzlich im Handelsblatt zu lesen. Demnach sind wir in Deutschland in wenigen Corona-Wochen auf das Wohlstandsniveau von 2010 abgesunken. Das Land hat immensen Investitionsbedarf. Das werden die Unternehmen nicht aus eigenen Mitteln stemmen können. Dafür brauchen sie die Banken.
Was erwarten Sie sich von der deutschen EU-Ratspräsidentschaft?
Auch Antworten auf zentrale Fragen: Welches Europa wollen wir eigentlich? Wie soll Europa künftig funktionieren? Wie ernst nimmt man es mit Europa? Für die Politik besteht großer Handlungsbedarf. Wir müssen weg vom Regulieren und mehr koordinieren. Darin liegt für Europa die Chance.
Man hat sich immerhin auf einen Wiederaufbaufonds von 750 Milliarden Euro geeinigt.
Aber auf dem Höhepunkt der Coronakrise war von Gemeinsinn nichts zu spüren. Jeder hat gemacht, was er für richtig hielt. Da herrschte brutaler Egoismus um knappe medizinische Ressourcen. Wir haben bizarre Bilder gesehen. Russische Soldaten in Italien. Chinesische Hilfslieferungen landen in Europa. Das war eine Blamage.
Wie lässt sich das ändern?
Europa muss für gute Nachrichten sorgen. Wir brauchen wieder mehr Markt, Eigenverantwortung und Freiwilligkeit. Die Ressourcenbeschaffung muss funktionieren, wir müssen die Wertschöpfungsketten in der anlaufenden Wirtschaft wieder aufbauen. Was nutzt es der deutschen Autoindustrie, wenn die Bänder wieder laufen, aber wichtige Teile italienischer Zulieferer fehlen? Europa ist nach wie vor eine große Gestaltungsaufgabe.
Hier kann doch Deutschland wichtige Akzente setzen.
Leider sieht es nach den Falschen aus. Das Bundesfinanzministerium träumt von einer Finanztransaktionssteuer. Ursprünglich sollten damit Hochfrequenzhändler ins Korsett gebracht werden. Aber so, wie man sie jetzt machen will, wird sie Kleinsparer treffen. Wir stehen vor der Finalisierung von Basel III. Auch da sehe ich Risiken. Mit Green-Finance steht eine neue Regulierungswelle vor der Tür.
Was haben Sie gegen Green Finance? Klimaschutz fördern – das klingt doch vernünftig.
Das Ziel Klimaschutz ist richtig. Die Frage ist nur, wie man es erreicht. Die Politik versucht die Wirtschaft über Kredite und damit Banken zu steuern. Das ist Staatsinterventionismus. Es wäre viel klüger, mit marktwirtschaftlichen Anreizen den CO2-Ausstoß zu senken. Aber dazu fehlt der Politik der Mut.