Sustainable Finance (Nachhaltiges Finanzwesen)
Was müssen Unternehmen jetzt beachten?
Die Auswirkungen von Sustainable Finance auf Unternehmen sind vielfältig. Für viele Unternehmen der Realwirtschaft entsteht bürokratischer Aufwand für die Berechnung und Offenlegung der eigenen „Taxonomie-Compliance“.
Zudem werden die Finanzierungsbedingungen und der Zugang zu Finanzierungen beeinflusst. Für Unternehmen, die die Nachhaltigkeitsanforderungen nicht erfüllen, könnten sich die Bedingungen verschlechtern bzw. der Zugang zu Finanzierungen gar verwehrt werden. Für Unternehmen, die die Kriterien erfüllen, könnte eventuell der gegenteilige Effekt eintreten. Nachhaltigkeit sollte daher als Chance verstanden werden. In Kreditgesprächen sollte man sich auf entsprechende Fragen zu ESG-Kriterien vorbereiten.
Abzusehen ist bereits, dass europäische und nationale Förderprogramme an den Kriterien der Taxonomie ausgerichtet werden. Auch in zukünftigen Gesetzgebungen sind Verweise auf die Taxonomie zu erwarten.
Bereits frühzeitig sollte daher mit der Identifikation von ESG-Risiken begonnen werden, um nötige Anpassungen, die die eigene Klimabilanz verbessern vorzunehmen. Anpassungen zur Bewältigung klimabedingter Risiken sollten sich auch in den Unternehmenszielen, -strategien und -abläufen spiegeln.
Zahlreiche Details der Taxonomie wie auch anderer Teile des EU-Aktionsplanes sind derzeit noch in der Abstimmung. Für Unternehmen empfiehlt sich daher eine agile Implementierung der Nachhaltigkeitsberichterstattung zur Vorbereitung auf künftige Anforderungen.
Leitfaden: In 5 Schritten zum Erfolg: Nachhaltigkeitsberichterstattung für KMUs
In der Praxis wirft das komplexe Zusammenwirken der Themen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (ESG) sowie die Betrachtung firmenindividueller Nachhaltigkeitsaspekte viele Fragen auf. Auf Anregung der IHK für München und Oberbayern ist daher ein praxisorientierter Leitfaden mit Expertise von der Value Balancing Alliance (VBA) und Deloitte entstanden.
Das dem Leitfaden zugrunde liegende Vorgehensmodell soll als Orientierungshilfe dienen und aufzeigen, wie sich KMUs in fünf pragmatischen Schritten mit dem Themenfeld Nachhalitgkeitsmanagement und der nichtfinanziellen Berichterstattung auseinandersetzen können.
Den Leitfaden erhalten Sie hier zum Download: Leitfaden Nachhaltigkeitsberichterstattung
Best Practice Beispiele bzw. Einblicke in die Praxis vieler Unternehmen finden Sie hier zum nachlesen. Mehr zum Thema können Sie auch in unserem
Ratgeber
finden.
Hintergrund: Um was geht es?
Im März 2018 hat die EU-Kommission den „Aktionsplan: Finanzierung nachhaltigen Wachstums” vorgestellt, der dem Finanzsektor eine entscheidende Rolle zuordnet. Als nachhaltige Finanzierung gilt vor diesem Hintergrund die Bereitstellung von Finanzmitteln für Investitionen unter Berücksichtigung von ökologischen, sozialen und ökonomischen-Gesichtspunkten.
Der Aktionsplan ist Teil des Green Deals, der die Europäische Union bis 2050 klimaneutral machen soll. Eine entscheidende Maßnahme des Aktionsplans ist die sogenannte Taxonomie-Verordnung, die nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten an Hand von bestimmten Bewertungskriterien klassifiziert.
Hintergrund: Was bedeutet die Taxonomie?
Um als nachhaltig im Sinne der Taxonomie zu gelten, muss über die Einhaltung detaillierter Bewertungskriterien ("technical screening criteria") nachgewiesen werden, dass eine wirtschaftliche Tätigkeit einen substanziellen Beitrag zur Erreichung von einem der sechs Umweltziele der Taxonomie geleistet wird.
Die sechs EU-Umweltziele sind:
- Klimaschutz
- Anpassung an den Klimawandel
- nachhaltige Nutzung und Schutz der Wasser- und Meeresressourcen
- Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft
- Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung
- Schutz und Wiederherstellung der biologischen Vielfalt und der Ökosysteme
Gleichzeitig müssen soziale Mindeststandards in den Bereichen Arbeitsstandards und Menschenrechte eingehalten werden und es muss belegt werden, dass zugleich keinem der anderen Umweltziele erheblich entgegenwirkt wird („do no significant harm“-Prinzip).
Für die ersten beiden Umweltziele wurden Ende April 2021 detailierte Bewertungskriterien verabschiedet, die Bewertungskritieren für die verbleibenden vier Umweltziele sollen bis Ende des Jahres 2021 folgen.
Hintergrund: Für wen gilt die Taxonomie?
Seit 10.03.21 gilt die Offenlegungsverordnung (Sustainable Finance Disclosure Regulation, kurz SFDR). So müssen Finanzmarktteilnehmer und Finanzberater, die "grüne" Finanzprodukte anbieten, offenlegen ob und wie sie nachteilige Auswirkungen von Investitionsentscheidungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren (bei der Beratung) berücksichtigen. Spätestens ab dem Jahr 2023 müssen Offenlegungspflichten gemäß der Taxonomie inklusive ihrer Bewertungskriterien für jedes Finanzprodukt angewendet werden.
Zugleich werden große kapitalmarktorientierte Unternehmen der Realwirtschaft mit mehr als 500 Arbeitnehmern verpflichtet, bereits ab dem Jahr 2022 (für das Geschäftsjahr 2021) offenzulegen, inwiefern sie die Taxonomie-Kriterien einhalten. Die konkreten Details dieser neuen Offenlegungspflicht werden in einem weiteren delegierten Rechtsakt festgelegt, der noch bis zum Sommer von der Kommission verabschiedet werden soll.
Finanzinstitute werden voraussichtlich den Anteil der Finanzierungen offenlegen müssen, die in Wirtschaftstätigkeiten fließen, die den Taxonomie-Kriterien entsprechen ("green asset ratio").
Daher wird erwartet, dass viele weitere Unternehmen in der Praxis offenlegen müssen, ob sie die Kriterien einhalten. Kreditinstitute, die selbst unter die rechtlich bindende Offenlegungspflicht fallen, werden bei der Vergabe von Finanzierungen ihre Kunden zur Offenlegung anhalten müssen, um bewerten zu können, ob es sich um eine nachhaltige Finanzierung handelt.
Zudem werden größere, berichtspflichtige Unternehmen die Offenlegung der Nachhaltigkeitskriterien von ihren Lieferanten verlangen.
Ausblick
Im Lauf des neuen Jahres sollen viele, derzeit noch offene, abstrakte Fragen aus der Sustainable Finance-Regulierung beantwortet werden. So sollen z. B. die Kriterien für die Verstromung von Erdgas und die Kriterien für Kernenergie erst im Laufe des Jahres festgelegt werden.
Aktuell arbeitet eine von der Kommission bestellte Expertengruppe, die Sustainable Finance Platform, an Vorschlägen für Bewertungskriterien für die verbleibenden vier Umweltziele. Deren Anwendung durch die Finanzwirtschaft ist laut Taxonomie-Verordnung im Jahr 2025 vorgesehen. Die Offenlegungspflicht für Unternehmen greift bereits ab dem Jahr 2024.
Im Verlauf des Jahres 2021 sollen zudem soziale und ökonomische Kriterien in die Taxonomie aufgenommen werden.
Sie finden die delegierte Verordnung inklusive ihrer Anhänge auf der Webseiteder Europäischen Kommission.
Im Juni 2019 hat die Bundesregierung einen Sustainable-Finance-Beirat einberufen, der die Aufgabe hat, eine Sustainable Finance-Strategie für die Bundesregierung zu entwickeln. Der Beirat hat im März 2021 31 Empfehlungen zur Transformation der Wirtschaft veröffentlicht.
Das Bundeskabinett hat am 5. Mai 2021 die Deutsche Sustainable Finance-Strategiebeschlossen. Sie fokussiert auf die Finanzmarktpolitik und ist ein wichtiger Baustein der deutschen Nachhaltigkeitspolitik. Ziel der Strategie ist es, Deutschland zu einem führenden Sustainable Finance-Standort zu entwickeln.
Das aktuelle Positionspapier der IHK für München und Oberbayern finden Sie hier zum Download.
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