Standortpolitik

Bundestariftreuegesetz (BTTG)

Statement zum Gesetzentwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Tarifautonomie durch die Sicherung von Tariftreue bei der Vergabe öffentlicher Aufträge des Bundes (Tariftreuegesetz).

Über das Bundestariftreuegesetz (BTTG)

Der Referentenentwurf zum Bundestariftreuegesetz vom 22.07.2025 sieht vor, dass öffentliche Aufträge künftig nur noch an Unternehmen vergeben werden dürfen, die ein sogenanntes „Tariftreueversprechen“ abgeben. Dieses Versprechen verpflichtet die Unternehmen, für die Dauer des öffentlichen Auftrags festgelegte Mindestarbeitsbedingungen einzuhalten, die das Bundesministerium für Arbeit und Soziales per Rechtsverordnung definiert (z. B. Entlohnung, Mindesturlaub, Höchstarbeitszeiten, Ruhezeiten).

Inhalt

Kernbotschaft 1: Mehr Bürokratie – mehr Aufwand für Unternehmen und Auftraggeber

Der Gesetzentwurf führt zu erheblichen bürokratischen Mehrbelastungen und wird – anders als im Koalitionsvertrag vereinbart – nicht auf das „absolute Minimum“ beschränkt. Die umfangreichen Dokumentations- und Nachweispflichten für jeden einzelnen Arbeitnehmer und jede Einsatzzeit erschweren die Beteiligung von Unternehmen an Vergaben öffentlicher Aufträge erheblich. Diese Bürokratie hemmt besonders kleine und mittlere Unternehmen, widerspricht dem Ziel der Vereinfachung im Vergaberecht und schadet dem Wirtschaftsstandort Deutschland. Aus der Praxis erhalten wir zudem die Rückmeldung, dass in den Bundesländern mit Tariftreueregelungen generell viel Aufwand für Dokumentation und Nachweise betrieben werden muss, ohne dass öffentliche Auftraggeber die Einhaltung des Tariftreueversprechens kontrollieren (können). Für eine neue Kontrollbehörde, die sog. Prüfstelle Bundestariftreue bei der Deutschen Rentenversicherung, stehen hingegen Aufwand und Nutzen in keinem angemessenen Verhältnis - zumal eine weitere Betriebsprüfung zusätzlich abschreckend auf Unternehmen wirkt.

Kernbotschaft 2: Weniger Wettbewerb und höhere Kosten für die öffentliche Hand

Die zusätzlichen Hürden durch die bürokratischen Nachweispflichten werden insbesondere kleine und mittlere Unternehmen von der Teilnahme an öffentlichen Ausschreibungen abhalten – selbst solche, die bereits tarifgebunden sind oder übertariflich zahlen. Dieser Rückgang der Bieteranzahl mindert den Wettbewerb und führt zu weniger attraktiven Angeboten. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass öffentliche Auftraggeber mit höheren Kosten rechnen müssen, was sich negativ auf die öffentlichen Haushalte und die sparsame Verwendung von Steuermitteln auswirkt. Das Gesetz droht somit, ein „Beschaffungskostensteigerungsgesetz“ zu werden, das den wirtschaftlichen Druck auf die öffentliche Hand erhöht, ohne nachweisbaren Mehrwert für den Arbeitnehmerschutz zu schaffen.

Kernbotschaft 3: Präqualifizierung gefährdet

Die hohen Effizienzvorteile der vergaberechtlichen Präqualifizierung werden ohne Grund gefährdet. Das Gesetz bedroht das bewährte Instrument der Präqualifizierung im Vergabeverfahren, die einen schnellen und transparenten Eignungsnachweis von Bietern ermöglicht. Das Präqualifizierungsverfahren ist für die Vorabzertifizierung von Tariftreue schon dem Zweck nach nicht geeignet, weil es bei der Tariftreue nicht um Eignungsnachweise, sondern um Ausführungsbestimmungen geht, die naturgemäß vom konkreten Auftrag abhängen und nicht pauschal vorab geprüft werden können. Durch den Begriff „Präqualifizierung“ wird Ungleiches gleich bezeichnet, was das bisherige Präqualifizierungsverfahren zu entwerten droht.

Kernbotschaft 4: Verlagerung von Wertschöpfung ins (EU-)Ausland / Inländerdiskriminierung

Das Bundestariftreuegesetz gilt ausschließlich für Leistungen, die im Inland erbracht werden – unabhängig davon, ob das leistende Unternehmen seinen Sitz im In- oder Ausland hat. Entscheidend ist der Ort der tatsächlichen Arbeitsausführung. Werden Teile einer öffentlichen Auftragsleistung im Ausland erbracht – etwa Vorfertigungen in ausländischen Werken –, greift das Gesetz nicht. Das führt dazu, dass Unternehmen durch die Verlagerung von Leistungsteilen ins EU-Ausland tarifliche Verpflichtungen umgehen können.

Dadurch wird der Verlagerung von Wertschöpfung ins Ausland Tür und Tor geöffnet– mit der Konsequenz einer systematischen Inländerdiskriminierung. Wettbewerbsverzerrung zulasten heimischer Betriebe ist die Folge.

In einer Gesamtbewertung wird durch das Bundestariftreuegesetz – auch in Verbindung mit dem Vergabebeschleunigungsgesetz – die Lage für Bieter insgesamt schlechter, zumal auch das Vergabebeschleunigungsgesetz für Bieter keine durchgängige Entlastung darstellt. Mehr Bürokratie, weniger Anreiz zur Beteiligung an öffentlichen Ausschreibungen, weniger Transparenz, weniger Rechtsschutz, weniger Zugangsmöglichkeiten für neue Bieter sind die Konsequenzen der beiden Gesetzgebungsvorschläge.

Die zusätzliche Belastung von Unternehmen ist über den vergaberechtlichen Kontext hinaus ein falsches Signal in der aktuellen Zeit einer wirtschaftlichen Stagnation bzw. Rezession, Dauerkrisen und fehlender Aussichten auf baldige Besserung. Statt Teil eines Schubs in Richtung Wachstum zu sein, ist dieses Projekt aufgrund der hohen bürokratischen Belastung leider eher ein Signal für höhere Kosten und hohe Hemmnisse.

Manfred Gößl, BIHK-Hauptgeschäftsführer zum Tariftreuegesetz des Bundes

BIHK-Hauptgeschäftsführer Manfred Gößl

© IHK München / HRSchulz

"Das heute im Bundeskabinett beschlossene Tariftreuegesetz ist ein neuer Bürokratiehammer für unsere Wirtschaft, insbesondere für den Mittelstand in Bayern. Gerade die kleinen und mittleren Betriebe werden erneut die Leidtragenden sein: Sie werden in Zukunft bei öffentlichen Ausschreibungen des Bundes ab einem geschätzten Auftrags- oder Vertragswert in Höhe von 50.000 Euro den Kürzeren ziehen oder erst gar kein Angebot mehr abgeben. Auch die jetzt schon viel zu langsame Umsetzungsgeschwindigkeit von öffentlichen Investitionen wird zusätzlich abgebremst, zumal mit vielen neuen Rechtsstreitigkeiten zu rechnen ist."