DER REIZ DES HÖLLENRITTS
4. Auflage von „Unternehmerinnen machen Schule“ im Freisinger Camerloher-Gymnasium: Messe-Chefin Natascha Hoffner diskutiert mit den Macherinnen und Machern von Flammamia. Googeln lässt sich das Schüler-Unternehmen auch schon: Flammamia.
Das ist nicht nur ein nettes Wortspiel mit Abbas Mamma Mia. Hinter Flammamia steckt eine coole Geschäftsidee, die dem Zeitgeist entspricht. Flammamia. Das P-Seminar Wirtschaft des Camerloher-Gymnasiums in Freising hat ihre Geschäftsidee im Rahmen der IHK-Veranstaltung „Unternehmerinnen machen Schule“ vorgestellt.
Am 20. Juni gastierte die IHK mit diesem Format schon zum vierten Mal im „Camerloher“. Basis dieser engen Partnerschaft ist das Teamwork zwischen der Wirtschaftslehrerin Katrin Westermeier und Elfriede Kerschl, bei der IHK für München und Oberbayern Expertin für Fachkräfte und das Thema Frauen in der Wirtschaft.
Was beide zu dieser Zusammenarbeit motiviert, ist auch die Schieflage in der Gründerstatistik. 2022 lag das Verhältnis zwischen männlichen und weiblichen Gründern bei 80 zu 20 Prozent. Aus Sicht der IHK wird hier zu viel Potenzial verschenkt. Das Format „Unternehmerinnen machen Schule“ soll dazu beitragen, dass das nötige Umdenken schon bei den Schülerinnen beginnt.
Kerschl hatte für diese Mission Natascha Hoffner als „Role Model“ gewonnen. Eine gute Wahl, wie sich in der Diskussion mit den Schülern zeigen sollte. Hoffner kam ohne die Ich-erkläre-Dir-jetzt-mal-die-Welt-Attitüde aus, zu der Männer neigen. Sie erklärte einfach, wie es dazu kam, dass sie heute als Unternehmerin und im Ehrenamt dafür arbeitet, Frauen in der Wirtschaft voranzubringen.
Nun ist das Camerloher-Gymnasium, bekannt für seine musische Ausrichtung. Dank des Engagements Westermeiers beschäftigt man sich dort aber nicht nur mit Beethoven-Sonaten, sondern heute auch mit Start-up-Ideen. Westermeier leitet in der 11. Jahrgangsstufe ein „P-Seminar“, in der eine Gründung durchgespielt wird.
Dafür nutzt die Schule das Programm „Junior Expert“ der IW JUNIOR gGbmH, einer Tochter des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW). Unter dem Slogan „Empowering Youth“ soll bei Schülern ein „unternehmerisches Mindset“ entstehen. Das IHK-Format „Unternehmerinnen machen Schule“ dockt genau an dem Punkt an. Es soll dazu beitragen, dass dieses „Mindset“ vor allem bei den Schülerinnen entsteht.
Ein ziemlich komplexer Stoff für zwei Unterrichtsstunden am Nachmittag bei Freibadwetter und nach einem „Abi-Streich“ am Vormittag (es gab Weißwürste und Lehrer-Karikaturen). Der Schulgong teilte die Veranstaltung exakt in zwei Teile. In der ersten Hälfte sprach die Unternehmerin Hoffner zu den rund 50 Schülern aller P-Seminare des Gymnasiums. Die zweite Halbzeit gehörte dann Flammamia.
Zum Auftakt zeigte Westermeier für alle ein Video, das deutlich machte, wie Rollen-Klischees unser Leben bestimmen. In dem Video wurde eine Reihe von Personen befragt, wie sie sich ihren „CEO“, quasi den Gottvater ihres Unternehmens, vorstellen. Nicht einmal die Frauen kamen auf die Idee, „ihr“ CEO könnte eine Frau sein.
Das unterstrich, was Natascha Hoffner berichtete. Sie überraschte zunächst mit der Aussage „ich hatte nie vor, zu gründen“, erklärte aber dann sehr anschaulich, warum sie es doch tat. Das lag an Umständen, die fast nur Frauen vor Probleme stellen: erst Karriere gemacht, dann Fernbeziehung und Schwangerschaft, später das Ziel, auch als Mutter weiter Vollzeit arbeiten zu wollen. „Ich kam mir vor wie ein Alien“, sagte Hoffner.
Sie hörte von Männern Sätze, die Männer nur Frauen sagen, etwa der Hinweis, sie möge sich mehr um ihre Kinder kümmern. Auch Hoffner bekam mit, dass Männer Männer besser bezahlen. Und irgendwann hat es ihr gereicht. Sie beschloß, ihr eigenes Unternehmen zu gründen. Und auch da spürte sie die Widerstände. Sie berichtete, dass Banker Frauen gerne eine Küche, aber kein Start-up finanzieren. Ihre Bank wollte ihr den Kredit nur dann bewilligen, wenn ihr Mann dafür bürgt.
Fasst man ihren Vortrag zusammen, könnte man sagen: Sie ist aus Betroffenheit Unternehmerin geworden, als Reaktion auf das, was sie erlebt hat. Hoffner ist heute Geschäftsführerin der messe.rocks GmbH. Sie hat sich bundesweit einen Namen gemacht als Chefin der Frauen-Business-Messe „HerCAREER“, sie ist Kolummnistin der „Wirtschaftswoche“ und Mitglied des IHK-Ausschusses Unternehmerinnen.
Hoffners Unternehmen hat das, was heute Stellenbewerber von ihrem Arbeitgeber verlangen: „Purpose“, Werte, ein gesellschaftspolitisches Ziel. Hoffner will Frauen in der Wirtschaft in allen Lebensphasen und auf allen Ebenen fördern. Dies empfindet sie als erfüllend, aber leicht ist das nicht. Selbstständigkeit, sagte sie den Schülern, sei ein „Höllenritt“.
Die Schüler hatten dazu kluge Fragen. Wie Sie es mit der Frauenquote halte? „Ich bin dafür, sonst dauert das noch 131 Jahre.“ Auch die Jungs interessierte, wie es Hoffner geschafft hat, neben der Firmengründung zwei Kinder zu betreuen. „Es ist anstrengend“, gab Hoffner zu. In ihrem Fall hat das ein Rollentausch ermöglicht. Ihr Mann kümmerte sich anfangs um die Kinder. Als auch er wieder voll in den Job einstieg, ging es nicht mehr ohne eine Au Pair.
Hoffner sagte den Schülern Dinge, die man auf BWL-Vorlesungen nicht erfährt. So fanden es auch in Ihrem privaten Umfeld nicht alle gut, dass sie versucht hat, weder auf Kinder noch auf Karriere zu verzichten. Sie musste sich neue Freunde suchen, Mütter und Väter, die ähnlich ticken.
Natürlich wurde sie auch gefragt, wie sie die Corona-Krise überlebt habe. Hoffner sagte, in einer rein virtuellen Messe hätte sie keinen Sinn gesehen. Aber zum Glück hatte sie schon damals HerCAREER mit einer Online-Plattform ergänzt. Neben viel redaktionellem Inhalt bietet die Plattform ein „Jobmatch“-Tool, das von Frauen und Unternehmen genutzt werden kann.
Hoffner forderte explizit die Schülerinnen dazu auf, Mut zu haben, wenn sie eine Geschäftsidee im Kopf haben. Ihr Tipp Nr. 2: „Karriere beginnt bei der Partnerwahl“. Tipp Nr. 3: Netzwerken und Kontakte knüpfen ist für Frauen das A und O. Und Hoffners Tipp Nr. 4: sich ökonomisch niemals abhängig von dem Mann machen.
Die zweite Schulstunde wurde dann zu einer Art „Höhle der Löwinnen“. Die beiden IHK-Profis bildeten die Jury, die 12 Gründerinnen und Gründer von Flammamia trugen in einem „Pitch“ vor, wo sie mit ihrem Unternehmen stehen. Der Firmen-Name passt perfekt zur Geschäftsidee: aus gebrauchten Feuerwehrschläuchen werden Federmäppchen, Geldbeutel und Schlüsselanhänger hergestellt.
Mit 500 Euro Startkapital hat Flammamia angefangen. Der Verkauf von Förderurkunden brachte weitere Euros ein. Den Gymnasiasten schafften es, den für die Feuerwehr zuständigen Innenminister Joachim Herrmann (CSU) als Förderer zu gewinnen. Flammamia befindet sich derzeit in der „Umsetzungsphase“. 200 Gegenstände will man fertigen. Am Samstag vor der IHK-Veranstaltung hatten die Schüler 120 Vorschnitte produziert.
Probleme gibt es mit dem Material. Das dicke Gummi ist mit Nähmaschinen kaum zu bearbeiten. Hier suchen die Schüler noch nach Lösungen. Im Juli soll dann der Verkauf beginnen. Derzeit brüten die Jungunternehmer über die Frage, wie viel ihre Produkte kosten sollen. Flammamia ist auf Social-Media präsent, eine WebSite ist in Arbeit. Auf der wäre auch der Online-Verkauf möglich, aber den größten Umsatz will man auf dem kommenden Schul-Sommerfest über den Verkauf an Mitschülern erzielen.
Bis Dezember soll das Gründungsprojekt dann abgeschlossen werden. Jeder erwirtschaftete Euro soll an die Umweltorganisation WWF gespendet werden. Die nutzt das Geld für Pflanzaktionen, die der Dürre und Waldbränden entgegenwirken. Dieser Twist macht Flammamia dann wirklich rund. „Wir sind hundertprozentig nachhaltig“, versprachen die Schüler.
Elfriede Kerschl und Natascha Hoffner fanden das alles ziemlich super - auch den „Pitch“, die Kurz-Präsentation. Hoffner riet den Schülern den letzten Punkt viel stärker zu betonen. „Wer Eure Geldbeutel kauft, tut etwas gegen Waldbrände. Das ist die spannende Geschichte. Wer die kennt, ist auch bereit, mehr dafür zu bezahlen“, erklärte die Unternehmerin.
Das IHK-Duo lobte auch die Arbeit von Katrin Westermeier. Sie habe mit Flammamia erneut bewiesen, was eine engagierte Lehrerin bewegen könne. Das Fazit dieses Nachmittags könnte folglich erfreulicher kaum sein. Die Partnerschaft von IHK und dem „Camerloher“ wird fortgesetzt, und es ist gut möglich, dass sich für die Geldbeutel aus dem Feuerwehr-Gummi nicht nur Schüler begeistern.