Sachmängel bei digitalen Produkten
Der Begriff „Digitale Produkte“ ist weit gefasst und enthält
- digitale Inhalte und
- digitale Dienstleistungen.
Was versteht man unter Digitalen Inhalten?
Digitale Inhalte sind nach § 327 Absatz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) Daten, die in digitaler Form erstellt und bereitgestellt werden, wie zum Beispiel:
- zum Download bereitgestellte Software,
- Musik,
- Filme (auch streaming),
- Programme,
- Apps,
- E-Books,
- Hörbücher,
- Computerspiele,
- Bilddateien oder
- Datenbanken.
Ob die digitalen Inhalte individuell oder standardisiert entwickelt wurden, spielt dabei keine Rolle.
Was sind Digitale Dienstleistungen?
Digitale Dienstleistungen sind Dienstleistungen, die dem Verbraucher die Erstellung, Verarbeitung oder Speicherung von digitalen Daten oder den Zugang zu ihnen ermöglichen, oder auch gemeinsam mit anderen die gemeinsame Nutzung digitaler Daten oder sonstiger Interaktionen mit Daten, zum Beispiel:
- Software-as-a-service,
- Bereitstellung von Cloud-Speicherplatz,
- Streaming-Dienste,
- soziale Netzwerke.
Die Abgrenzung zwischen digitalem Inhalt und digitaler Dienstleistung kann schwierig sein, ist jedoch nicht notwendig, da die Pflichten und Rechtsfolgen für den Unternehmer annähernd gleich sind. Diese bestimmen sich nach den §§ 327 ff BGB. Bei sogenannten Paketverträgen, wenn zum Beispiel ein online-Dienst zum Zeitungsabo bereitgestellt wird, dann gelten die §§ 327 ff BGB nur für das digitale Produkt, im gewählten Beispiel mit dem Zeitungsabo nur für den online-Dienst.
Die Vorschriften für digitale Produkte sind dann anwendbar, wenn der Verbraucher sich zur Zahlung eines Entgeltes (auch z.B. Bitcoin, E-Coupons, Rabatt- oder Treuepunkte oder Geschenkgutscheine) verpflichtet oder als Gegenleistung mit seinen Daten bezahlt.
Haben die Vertragsparteien nichts vereinbart, kann der Verbraucher unverzüglich nach Vertragsschluss die Bereitstellung verlangen. Der Unternehmer muss beweisen, dass er der das digitale Produkt ordnungsgemäß bereitgestellt hat. Stellt der Unternehmer dem Verbraucher das digitale Produkt nicht zur Verfügung, kann der Verbraucher, den Vertrag beenden (§ 327c BGB) und gegebenenfalls Schadensersatz verlangen.
Wann ist ein digitales Produkt mangelhaft?
Bietet der Unternehmer digitale Produkte an, ist der Unternehmer im Zeitpunkt der Bereitstellung zu mangelfreier Leistung verpflichtet. Wird das digitale Produkt nur einmalig bereitgestellt, wie beispielsweise eine App, kommt es genau auf diesen Zeitpunkt an. Wird das digitale Produkt dauerhaft bereitgestellt, wie beispielsweise ein Cloud-Speicherplatz, ist der gesamte Bereitstellungszeitraum maßgeblich.
Ob ein digitales Produkt mangelhaft ist, richtet sich nach den
- subjektiven und
- objektiven Anforderungen und
- gegebenenfalls nach den Anforderungen an die Integration.
Ein digitales Produkt entspricht den subjektiven Anforderungen, wenn es sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet und den vereinbarten Beschaffenheiten entspricht.
Ein digitales Produkt erfüllt die objektiven Anforderungen, wenn es sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit hat, die bei digitalen Produkten derselben Art üblich ist und die der Verbraucher erwarten kann. Neben der Art der Sache bestimmt sich die Erwartung des Käufers auch nach den Äußerungen in der Werbung.
Zu den objektiven Anforderungen an die Vertragsmäßigkeit gehört auch die Pflicht des Unternehmers zu Aktualisierungen (§ 327f BGB). Der Unternehmer hat sicherzustellen, dass dem Verbraucher im Bereitstellungszeitraum alle für den Erhalt der Vertragsmäßigkeit erforderlichen Aktualisierungen zur Verfügung gestellt werden.
Die Aktualisierungspflicht soll sicherstellen, dass die Technik auch dann noch funktioniert, wenn sich das digitale Umfeld – zum Beispiel die Cloud-Infrastruktur – ändert (Funktionsfähigkeit). Neben dieser sogenannten Interoperabilität geht es dabei auch um die IT-Sicherheit, die durch Sicherheits-Updates vor einem unberechtigten Zugriff Dritter auf Daten oder Funktionen geschützt werden sollen. Dabei schuldet der Unternehmer alle Aktualisierungen, die die Funktionsfähigkeit und die IT-Sicherheit der Kaufsache gewährleisten, wie z.B. Sicherheitsupdates.
Der Verkäufer muss aber keine verbesserten Versionen zur Verfügung stellen. Er hat nur dafür Sorge zu tragen, dass die Ware auch nach dem Verkauf weiter sicher genutzt werden kann.
Zusätzlich muss der Unternehmer den Verbraucher über die anstehenden Updates informieren.
Wie lange muss aktualisiert werden?
Die Dauer der Aktualisierungspflicht ist gesetzlich nicht vorgegeben. Hier ist die allgemeine Verbrauchererwartung maßgeblich. Je nach den Umständen des Einzelfalls kann die Dauer der Aktualisierungspflicht länger oder kürzer sein. Anhaltspunkte für die Festlegung des Zeitraums können sein:
- Werbeaussagen,
- die zur Herstellung der Kaufsache verwendeten Materialien,
- der Preis und
- Erkenntnisse über die übliche Nutzungs- und Verwendungsdauer (sogenannter "life-cycle").
So dürfte zum Beispiel ein Betriebssystem für einen Computer, wegen seiner zentralen Bedeutung, länger zu aktualisieren sein, als die jeweilige Anwendungssoftware. Bei einmaliger Bereitstellung, beispielsweise einer App, müssen Aktualisierungen so lange vorgenommen werden, wie der Verbraucher sie unter Berücksichtigung der Umstände und der Art des Vertrages erwarten kann. Dadurch wird ein Vertrag über eine einmalige Bereitstellung eines digitalen Produkts kraft Gesetzes zum Dauerschuldverhältnis.
Bei Verträgen über eine dauerhafte Bereitstellung müssen Aktualisierungen im Bereitstellungszeitraum vorgehalten werden.
Steht die Mangelhaftigkeit des Produkts fest, kann der Verbraucher nach § 327i BGB die Herstellung des vertragsgemäßen Zustands verlangen (Nacherfüllung), oder unter bestimmten Voraussetzungen Vertragsbeendigung oder Minderung und Schadensersatz oder Aufwendungsersatz verlangen.
IHK-Tipp: In den meisten Fällen können Händler die Updates nicht selbst zur Verfügung stellen. Dies macht in der Regel der Hersteller. Vereinbaren Sie deshalb mit dem Hersteller, dass
- er die Aktualisierungen zur Verfügung stellt und
- er die Kunden über anstehende Aktualisierungen informiert.
- Dokumentieren Sie Ihre Lieferketten.
Ist das digitale Produkt in die digitale Umgebung des Verbrauchers zu integrieren, ist das Produkt nur mangelfrei, wenn die Integration sachgemäß erfüllt ist. Verkäufer müssen deshalb dafür Sorge tragen, dass die Integration sachgemäß durchgeführt wird, sei es durch Integration durch den Unternehmer selbst oder durch entsprechende Anleitungen.
Beweislast und Verjährung
Zeigt sich bei einem digitalen Produkt innerhalb eines Jahres seit seiner Bereitstellung ein Mangel, wird vermutet, dass das digitale Produkt bereits bei der Bereitstellung mangelhaft war (§ 327k Absatz 1 BGB). Zeigt sich bei einem dauerhaft bereitgestellten digitalen Produkt während der Dauer der Bereitstellung ein Mangel, wird vermutet, dass das digitale Produkt während der bisherigen Dauer mangelhaft war (§ 327k Absatz 2 BGB).
Bei einmaliger Bereitstellung eines digitalen Produkts verjähren die Ansprüche auf Gewährleistung nach zwei Jahren, gerechnet ab dem Zeitpunkt der Bereitstellung. Im Fall der dauerhaften Bereitstellung verjähren die Ansprüche nicht vor Ablauf von 12 Monaten nach dem Ende des Bereitstellungszeitraums. Die Ansprüche auf Aktualisierung verjähren nicht vor Ablauf von 12 Monaten nach dem Ende des für die Aktualisierungspflicht maßgeblichen Zeitraums. Hat sich ein Mangel innerhalb der Verjährungsfrist gezeigt, so tritt die Verjährung nicht vor dem Ablauf von vier Monaten nach dem Auftreten des Mangels ein (§ 327j BGB).
Waren mit nicht notwendigen digitalen Produkten
Bedeutung sind, werden die Rechte wegen Mängeln aufgespalten. Ist die Ware mangelhaft bestimmen sich die Rechte bei Mängeln nach §§ 433 BGB. Ist das digitale Produkt mangelhaft, bestimmen sich die Rechte des Verbrauchers nach §§ 327 BGB. Das trifft beispielsweise zu auf:
- Waren mit Cloud-Anbindung,
- Kfz mit Navigations- oder Assistenzsystemen oder
- smarte Haushaltsgeräte.
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