Schaden für Europas Volkswirtschaft
Produktpiraterie richtet massive volkswirtschaftliche Schäden an. Wie hoch der Schaden für die Volkswirtschaft in Europa tatsächlich ist, lässt sich schwer ermitteln. Die jüngsten verfügbaren Zahlen gibt es für 2016. Nach Angaben von EUIPO und OECD waren in diesem Jahr weltweit Kopien im Gesamtwert von 509 Milliarden Euro auf dem Markt. Das entspricht 3,3 Prozent des Welthandels.
Stark betroffene Branchen:
- Kleidung
- Kosmetik
- Spiele
- Arzneimittel
- Smartphones
- Alkoholika
- Musikaufnahmen
- Uhren
- Schmuck
- Taschen
- Sportartikel und
- Pestizide.
Europäische Hersteller kostet das Einnahmen von 60 Milliarden Euro pro Jahr, den EU-Staaten Steuern und Sozialabgaben von jährlich 16,3 Milliarden Euro. Fälschungen vernichten in der EU direkt knapp 470.000 Arbeitsplätze, in Deutschland mehr als 64.100.
Lukrativer als der Drogenhandel
Das Geschäft mit Raubkopien ist einmalig lukrativ. Laut Handelsblatt liegt die Gewinnspanne bei gefälschten Zigarettenmarken und Arzneien weit über dem, was sich mit Heroin verdienen lässt. Im Vergleich zum Drogengeschäft liegen Haftstrafen und Bußgelder für Produktpiraten deutlich niedriger, wenn man sie überhaupt erwischt. In vielen Ländern behandeln Polizei, Justiz, Strafverfolger und Politik Produktpiraterie als zweitrangiges Problem. In den kommenden Urlaubswochen werden Händler an den Badestränden dieser Welt Millionen von Bundesbürgern gefälschte Adidas-Schuhe und Gucci-Taschen anbieten, ohne von Polizei und Behörden belästigt zu werden.
Online-Shops und Handelsplattformen sind der perfekte Vertriebskanal für Plagiate. Die Produktpiraten haben auch ihre Logistik optimiert. Die kopierten Markenartikel werden nicht mehr in Schiffscontainern verschickt, die sich vom Zoll relativ leicht kontrollieren und beschlagnahmen lassen. Die Ware wird inzwischen mit Tausenden kleiner Postsendungen in die Zielmärkte gebracht.
Rolle der Online-Plattformen
Nicht nur Marken-Hersteller haben seit langer Zeit den Eindruck, dass Handelsplattformen bislang zu wenig getan haben, um dieses Geschäft einzudämmen. Zwar hat Amazon inzwischen das „Project Zero“: Die Zahl der angebotenen Fälschungen soll auf null fallen. Die vier größten Handelsplattformen haben gemeinsam mit der EU-Kommission ein Abkommen zur Bekämpfung der Produktpiraterie geschlossen.
Inzwischen ist auch der
Digital Service Act (DSA
) in Kraft getreten und legt Handelsplattformen neue Transparenzpflichten, Informationsplichten, Prüfplichten und Beschwerdeprozesspflichten auf. Temu und SHEIN zeigen aber aktuell, wie schwer es gleichwohl nach wie vor ist, dem Thema Herr zu werden und Plagiate und Produktfälschungen von Plattformen und aus Online-Shops zu verbannen. Denn eine echte Plattformhaftung gibt es auch mit dem DSA nicht - und selbst dann stünde man noch vor dem Problem einer Vollstreckung von Schutzrechten außerhalb der EU.
Hinzukommt, dass der DSA nur für Plattformen gilt, nicht aber für Online-Shops - und die sprießen im Netz - gerne mit Sitz außerhalb der EU, aber bestens von der EU zu erreichen - wie Pilze auf gedüngtem Boden und locken Verbraucher zum günstigen Shoppingerlebnis.
Preis ist für Verbraucher entscheidendes Kaufkriterium
Für Verbraucher zählt vor allem der Preis. Dem EUIPO-Bericht zufolge haben zehn Prozent der EU-Bürger in den jüngsten 12 Monaten einen gefälschten Markenartikel gekauft. 27 Prozent halten das moralisch für richtig, wenn der Originalhersteller hohe Preise verlangt. Junge europäische Konsumenten zwischen 15 und 24 Jahren haben noch weniger Skrupel. Von ihnen finden 41 Prozent den Kauf von Schwarzware für legitim.
Blogger geben Interessenten Tipps, wie man „Antidumpingzölle“ umgehen kann und Warensendungen werden zerteilt, um unter der Zollfreigrenze zu bleiben und im Zoll nicht überprüft zu werden. Dazu setzen FakeShops auf bewusste Täuschung der Verbraucher über den eigentlichen Standort ("Homewashing"). Für Verbraucher ist in dem inzwischen mit KI-Hilfe leicht zu erstellenden Storytelling auf den Websites nur mit erheblichem Aufwand zu erkennen, dass sie gar nicht bei einem EU-Anbieter kaufen. Manchmal findet man Hinweise darauf bei den Anggaben zur Retourenadresse im Kleingedruckten oder man wird misstrauische wenn man auf GoogleMaps im Satellitenbild unter den Angegeben Shopadresse ein Fulfillmentcenter entdeckt.
Die geprellten Markeninhaber (und Verbraucher) sind fast hilflos. Die Löschung eines Fake-Shops ist bisher rechtlich sehr aufwändig und meist langfristig wenig erfolgreich, weil sofort neue Shops auftauchen.