Was halten Sie von der CO2-Kompensation? Statt 100 Euro für Zertifikate auszugeben, kann ich auch für 100 Euro Bäume in Tansania pflanzen.
Davon halte ich wenig. Das Ziel heißt bis 2050 netto null. Da gibt’s nicht viel zu kompensieren. Was ich gerne hätte, wäre ein Ausgleichsmechanismus, der die Zerstörung des Regenwaldes beenden könnte. Was wir sicher brauchen, ist ein globaler Klimafonds, der den Schwellenländern den Kohleausstieg ermöglicht.
Wie stark beschädigen die CO2-Preise die Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen?
Das Problem besteht für energieintensive Unternehmen, die im Weltmarkt unterwegs sind. Dazu gehört die Stahlindustrie. In den Sektoren, die jetzt neu in den nationalen Emissionshandel integriert worden sind, werden die Preise auf den Verbraucher abgewälzt. Ohne sozialen Ausgleich stellt uns das vor große Probleme.
Die Bundesregierung hat hierzu erste Schritte gemacht.
Was der Gesetzgeber bislang gemacht hat, wird nicht reichen. In den Sektoren Verkehr und Gebäude werden wir schon vor 2030 Preise von weit über 100 Euro sehen. Da muss es einen sozialen Ausgleich geben. Für die sogenannten kleinen Leute kann das ein Netto-Nutzen werden. Wir haben im Detail vorgerechnet, welche Kompensation es dafür bräuchte.
Brasilien, Südafrika, Indien und China kritisieren den geplanten CO2-Grenzausgleich der EU. Wie ließe sich dieser Konflikt entschärfen?
Der Grenzausgleich ist ein gefährliches Instrument: Sämtliche Produkte, die Drittländer nach Europa liefern wollen, auf CO2-Gehalt prüfen und mit einem Preis belegen. Das ist weltfremd. Zweitens ist das ja keine klimapolitische Maßnahme, sondern eine handelspolitische, was Handelskriege provoziert.
„Kooperieren oder scheitern“
Wie wollen Sie dann unfairen Wettbewerb vermeiden?
Es geht nur über internationale Kooperation. Europa kann alleine nicht das 1,5-Grad-Ziel erreichen. Alle großen Wirtschaftsblöcke - China, USA, Europa – müssen sich auf einen wirksamen CO2-Preis einigen. Wir haben nur die Alternative kooperieren oder scheitern.
Wie gut stehen die Chancen für die Kooperation?
Kanzlerin Merkel spricht mit Präsident Macron, US-Präsident Biden redet mit China. Wir kommen voran. Ganz wichtig ist natürlich, dass die USA beim Klimaschutz wieder mit dabei sind. Der Biden-Summit (Online-Klimakonferenz mit 40 Staatschefs im April, die Red.) hat für neue, wichtige Impulse gesorgt. Ich hoffe, dass wir auf der Klimakonferenz in der Glasgow im November weitere Fortschritte sehen werden.
Was erhoffen Sie sich von der Politik?
Dass sie sich nicht im Kleinklein verliert. Klimapolitik braucht jetzt den großen ordnungspolitischen Wurf. Wir brauchen den CO2-Preis in allen Wirtschaftsbereichen. Wir brauchen die Kraft und Effizienz der Marktwirtschaft, um unsere Klimaziele zu erreichen.
Sollen sich auch unsere Mittelständler überlegen, wo sie CO2 einsparen können?
Das ist auf jeden Fall ein guter Rat. Einfach mal durchrechnen, was ein CO2-Preis von 100 Euro für die eigenen Produktionsprozesse und Lieferketten bedeutet. Und die Unternehmen sollten von der Politik Klarheit fordern. Sie muss dazu stehen, was sie verspricht. Mittelständler brauchen stabile Rahmenbedingungen. Das sollte die EU bei ihrem Green Deal auch immer im Blick haben.
Gilt das nicht auch für das Thema Sustainable Finance?
Wenn sich die Zentralbanken jetzt das Kreditportfolio unter dem Blickwinkel Klimaschutz anschauen, trifft das natürlich den Mittelstand. Ich fände es gut, wenn es dafür eine Plattform gäbe, auf der Banken, Mittelstand und Finanzwirtschaft das offen diskutieren können. Das wäre eine Aufgabe für die IHK. Die könnte hier eine herausragende Rolle spielen.