Mag sein. Aber wollen die Leute das auch essen?
2019 habe ich mit dem Bayerischen Ernährungsministerium eine Food Truck-Aktion (Imbisswagen, die Red.) gemacht. Da haben wir abgelaufene Lebensmittel verarbeitet. Wir hatten da altes Brot, so trocken, dass man sich die Zähne daran ausbeißen würde. Daraus haben wir eine altbayerische Brotsuppe gemacht – und das garniert mit frischen Toppings. Die Leute haben diese Suppe geliebt.
Die Bundesbürger gelten in Sachen Verfallsdatum als besonders heikel. Die Lebensmittel müssen besonders frisch und makellos sein.
Ja, es wird ein Riesen-Wirbel aus dem Mindesthaltbarkeitsdatum gemacht. Was völlig übersehen wird, ist, dass das MHD überhaupt nichts über die Verzehrbarkeit von Produkten aussagt. Es geht da um mehr, wie z.B. die Optik. Einem Joghurt-Hersteller geht es beim MHD um das Ziel und sein Qualitätsversprechen: Der Erdbeer-Joghurt muss genauso riechen, aussehen und die gleiche Konsistenz haben, wie das dem Kunden in der Werbung versprochen wird.
Du versprichst ja auch etwas: Gemeinschaft.
Das stimmt. Ich mache jedes Jahr ein Heiligabend-Essen am 24. Dezember von 18 bis 20 Uhr. Dafür kochen wir zwei Tage vorher. Jeder, der Lust hat, kann kommen. Vorletztes Jahr, also noch vor Corona, hatten wir 250 Gäste. Ich mache das seit sechs Jahren. Ich habe eines feststellen müssen: Dass ganz viele Menschen in unserer Gesellschaft einfach nicht sichtbar sind. Sie sind ausgeschlossen, weil sie kein Geld haben, um zu konsumieren, eine magere Rente haben, arbeitslos sind, oder wegen Sprachproblemen isoliert sind.
Das heißt, dass unsere Gesellschaft auseinander fällt.
Wir vermischen uns nicht mehr. Was ich mir wünsche in unserem Lokal in München: Dass sich Menschen aller Colours treffen, die Oma Rita und die Oma Erna an einem Tisch bei Kaffee und Kuchen stricken; dass ein Tisch weiter ein paar Jugendliche quatschen; dass über Mittag Businessleute von der Ergo-Versicherungsgruppe und Polizisten aus der Polizeistation in der Nachbarschaft reinschauen; dass ein Freelancer in der Ecke an einem Text tippt. Diese Menschen sollen alle in einem Raum koexistieren und interagieren. Essen ist das Verbindungselement für eine diverse Gesellschaft.
„Eine Mahlzeit kostet fünf Euro“
Das ist das Gegenmodell, zu dem was wir jetzt in der Gastronomie haben. Im Stehimbiss und im Sterne-Lokal – es treffen sich nur Menschen aus der gleichen Bubble.
Stimmt genau. Deshalb biete ich drei Formen der Bezahlung an. Standard: Wer mehr bezahlt, kann einem anderen ein Essen spenden. Wir werden zudem einen Verteiler aufstellen für Lebensmittel, die wir nicht verarbeiten, weil die Menge nicht reicht. Die gibt es gratis. Ich setze das um, was für meine Familie gilt: Keiner geht hungrig aus dem Haus. Leitungswasser gibt es umsonst.
Wo soll das denn starten?
Hier in Neuperlach. In einer ehemaligen Kantine. Ich finde es total genial, dass wir diese Räume hier gefunden haben. In Neuperlach leben 50.000 Menschen. Ein enormes Potenzial.
Wann bekomme ich bei Dir Spaghetti Bolognese?
Im September geht es los.
Was steht denn sonst noch auf der Karte?
Was wir immer haben werden, sind Paninis lecker belegt zum Toasten, Kaffee, Kuchen, dann werden wir zwei warme Mahlzeiten haben eine vegane Variante, dann eine mit Milch, Fleisch oder Fisch. Es ist eine echte Familienküche mit leckerem Eintopf in der Bowl.
Du willst sieben Tonnen am Tag verkochen. Wie geht das denn rein logistisch?
Deshalb bin sich so glücklich, dass wir die Großküche gefunden haben mit Lager- und Schnittflächen, die Geräte, es ist alles da. Wir sind gerade dabei, die Beschaffungswege aufzubauen. Mein Ziel ist, dass im Umkreis von 50 bis 100 Kilometer um München Erzeuger, Hersteller Großmarkthändler grundsätzlich erst uns anrufen, bevor sie etwas wegschmeißen. Wir haben schon einige Kontakte.
Wir erfahren die Münchner von Deinem Angebot?
Wir haben über unsere Crowdfunding-Kampagne viel Presse bekommen. Das hilft uns sicher. Wenn in Neuperlach die Menschen weggehen wollen, gehen sie ins Zentrum ihres Stadtteils. Da sitzen wir. Das passt ideal.