Welche Rolle spielen künftig die Banken – Schiedsrichter, Partner oder Werkzeuge der EZB?
Diederich: Das gesellschaftliche Ziel ist doch die Transformation. Nur sieben Prozent aller wirtschaftlicher Tätigkeiten sind bisher als nachhaltig klassifiziert. Schon das zeigt, wie viel sich ändern muss. Die Banken werden diesen Wandel begleiten. Aber wir lassen doch jetzt niemanden im Stich, weil er noch ein Stück Braunkohle hat. Wir helfen Unternehmen, besser zu werden, die Transformation erfolgreich zu bewältigen.
Lutz: Mir ist diese Sichtweise zu positiv. So wie die EU-Kommission arbeitet, wird es schwer, das gut zu begleiten. Der ganze Ansatz ist nach meiner Überzeugung falsch. Und weil das so ist, wird man keine vernünftigen Lösungen erzielen können. Ich halte das für gefährlich für den Mittelstand.
Was passiert, wenn ein Unternehmen den Wandel nicht schafft?
Diederich: Weil die Finanzindustrie selbst von der EZB geprüft wird, müssen die Banken dann mit dem Unternehmen sprechen und aufzeigen, welche Kriterien erfüllt werden und welche nicht. Natürlich wird es auch irgendwann ein Gespräch über die Finanzierungskosten geben. Deshalb ist der einzig vernünftige Ansatz, die Thematik aktiv anzugehen und die Unternehmen frühzeitig abzuholen und zu sensibilisieren. Deshalb gibt es seitens der Banken auch viele Initiativen in diesem Bereich.
Lutz: Das bedeutet höhere Kreditkosten genau dann, wenn ich viel Geld brauche. Als BayWa sind wir im Heizöl-Handel einer der Großen auf dem Markt. Ölheizungen werden in Deutschland verboten ab 2024. Was mache ich jetzt als CEO? Wir haben die Taxonomie, kündigen wir jetzt unseren Leuten im Heizöl-Sektor? Zum Glück haben wir die Möglichkeit, unseren Heiz- und Energiesektor umzubauen. Andere haben das nicht. So greift die Taxonomie in Strukturen ein.
Scheitert der grüne Wandel am fehlenden Geld?
Lutz: Wenn meine Kreditkosten steigen, verringert das die Chance, mein Geschäftsmodell zu verändern. Unsere Wirtschaftsprüfer haben bestätigt, dass aktuell nur 5,5 Prozent des BayWa-Umsatzes Taxonomie-fähig sind. Und das gilt für ein Unternehmen, das ein Vorreiter der Energiewende ist, das einen grünen Profit-Anteil von 60 bis 70 Prozent hat! Da kommt man doch aus dem Kopfschütteln nicht mehr raus.
Jede Bank und Rating-Agentur legt Nachhaltigkeit anders aus. Schafft die Taxonomie nicht zumindest mehr Transparenz?
Diederich: Wenn man in etwas investieren will, in ein Wertpapier oder eine Anlage, schafft die Taxonomie ein Stück Klarheit. Das stimmt. Gleichzeitig geht es um die Finanzierung von Unternehmen. Da geht es um die Frage: Machen sich die Unternehmen auf den Weg, um diesen Nachhaltigkeitsgedanken wirklich zu erfüllen? Die Überlegung halte ich für richtig.
Lutz: Ich sage: Die Taxonomie schafft noch mehr Verwirrung. Sind Elektroautos, Solarpanels oder Windkraftanlagen über die gesamte Lieferkette nachhaltig? Wenn ich mir die Zutatenliste anschaue, sicher nicht. Kobalt, Lithium, Seltene Erden – ich mag mir nicht vorstellen, wie die Arbeitsbedingungen in den Minen sind. Bosch-Chef Stefan Hartung beschwert sich zurecht. Das E-Auto ist grün, aber sein Antriebsstrang dafür nicht. Wer soll da noch durchblicken?
Kann das Bosch nicht wurscht sein? Mehr verkaufte E-Autos bedeuten für Bosch auch mehr Geschäft.
Lutz: Das schafft aber unendlich viel Bürokratie. Weil die Antriebsachse nicht grün ist, muss Bosch den CO2-Fußabdruck des Antriebs von der Herkunft der Rohstoffe über die Herstellung im Unternehmen bis hin zur Entsorgung der Abfälle dokumentieren. Mehr Aufwand haben auch die Banken, die das jetzt prüfen müssen.