Fachkräfte der Zukunft
Mit Herzblut in den Beruf
Ex-Unternehmer Christoph Karrasch bereitet mit seiner Stiftung TryCrossover junge Menschen auf das Berufsleben vor. Dabei will er mit außergewöhnlichen Projekten Leidenschaften entfachen.
Wirtschaft braucht Leidenschaft
„Ökonomische Entwicklung und unternehmerischer Erfolg basieren immer auch auf einer guten Portion Enthusiasmus, haben das innere Brennen für die Sache als Voraussetzung“, findet Ex-Unternehmer Christoph Karrasch. Doch zugleich erlebt er, dass bei vielen jungen Menschen mit dem Druck durch Schulaufgaben und Studienabschlüsse die Leidenschaft auf der Strecke bleibt. Mit der von ihm 2015 in Traunstein gegründeten Stiftung TryCrossover will Karrasch diesem Trend etwas entgegensetzen. Die Stiftung möchte Schulabgängern und Studierenden helfen, sich für Ideen zu begeistern, ihre Stärken, Kreativität und Talente zu spüren – und schließlich nicht nur einen Beruf, sondern eine Berufung zu finden.
Das Gefühl, für eine Sache zu brennen, kennt Karrasch selbst nur zu gut. 1999 gründete er die auf industrielle 3D-Visualisierung und Virtual Reality spezialisierte RTT Realtime Technology AG. Innerhalb von zehn Jahren wurde der Betrieb zum Weltmarktführer. „Das wäre ohne unsere Begeisterung nicht gelungen“, ist Karrasch überzeugt. „Die Leidenschaft des Einzelnen und des Teams macht im Wettbewerb den Unterschied.“ Zuletzt beschäftigte der Unternehmer 800 Mitarbeiter an 15 Standorten in aller Welt. Mittlerweile hat er die mehrfach ausgezeichnete Firma verkauft und die Stiftung TryCrossover gegründet.
TryCrossover bietet jungen Menschen sehr unterschiedliche Projekte, die alle ein bisschen cooler sind als ein gewöhnliches Praktikum. Die Teilnehmer designen Longboards oder Sportschuhe, rüsten einen alten VW-Bulli auf Elektroantrieb um, entwickeln Zeitschriften oder ein Internetradio, gründen ein Schülercafé oder bauen ein Wasserkraftwerk.
Zur Umsetzung dieser Projekte hat Karrasch zahlreiche Unterstützer um sich geschart. Sie begleiten die Jugendlichen als Coaches und bringen neben Leidenschaft auch ihr Know-how ein. Das sind Unternehmer, Vorstandschefs oder Führungskräfte aus kleinen wie großen Betrieben – darunter Firmen wie die Rosenberger Hochfrequenztechnik oder der Sportartikelhersteller Adidas. Auch Künstler wie etwa der Musiker Joey Kelly sowie Sportler wie der Skilangläufer Tobias Angerer oder der Extremkletterer Alex Huber sind als Coaches mit dabei.
Die jungen Leute brauchen für die Projekte keine Vorkenntnisse, sie können sich in einem druck- und konkurrenzfreien Raum an spannenden Inhalten ausprobieren, sie dürfen dabei querdenken, Grenzen überschreiten. Manche Projekte haben einen so guten Produktoutput, dass sich daraus auch unternehmerisch etwas machen lässt.“
Praxisorientiert in die Berufswelt hineinschnuppern
Die Ideen für die Projekte entstehen bei regelmäßigen Stammtischen der Coaches. Die Jugendlichen können außerdem eigene Vorschläge einbringen. Umgesetzt werden die Projekte in den Räumen und Werkstätten der beteiligten Unternehmen, manchmal auch in mehreren Betrieben neben- oder nacheinander. Die Projekte dauern eine bis mehrere Wochen.
Der Unternehmer Richard Michel wirkte von Anfang an tatkräftig bei TryCrossover mit. 2001 startete er in Mühldorf die auf individuelle Webanwendungen spezialisierte w-solution GbR. Zudem gründete er 2015 die pixx.io GmbH. Diese liefert kleinen und mittelständischen Unternehmen, Kreativagenturen und Behörden Software für die Verwaltung ihrer Bilder, Grafiken oder Videos. Michel brachte sich und seine IT-Begeisterung in ein TryCrossover-Projekt ein, bei dem die Jugendlichen ein Longboard zunächst am Computer entwarfen, dann fertigten und montierten. Es macht ihm enorm viel Spaß, mit den jungen Menschen zu arbeiten. Und er hat auch als Unternehmer etwas davon. „Wir brauchen IT-begabte Azubis oder Studenten. Über das Projekt haben wir schon einige Kandidaten im Auge. Es entstehen aber auch einfach gute Kontakte zu anderen Unternehmen, mit denen wir nun geschäftlich netzwerken.“
Ein weiterer TryCrossover-Mitstreiter ist Tosja K. Zywietz, Geschäftsleiter der Rosenberger Hochfrequenztechnik GmbH & Co. KG in Fridolfing. Auch er nimmt sich viel Zeit für das Projekt und hat schon Kollegen für die ehrenamtliche Mitarbeit gewonnen. „Junge Menschen sollten nicht die Berufsvorstellungen von Eltern oder Peergroups erfüllen, sie müssen selbst herausfinden, was sie können und wollen, damit sie später in ihren Jobs oder als Gründer wirklich gut werden können.“ Zywietz begleitete ein WLAN-Radio-Projekt: Die Jugendlichen entwickelten und bauten auf Basis von Standardcomputerkomponenten ein Radio, das auch als Computer genutzt werden kann. Dann konstruierten sie das Gehäuse via CAD und fertigten es zusammen mit den Profis der Schreinerei Schützinger. Anschließend produzierten sie mit dem Musiker Stefan Dettl eine Radiosendung und gingen damit on Air. Auch Zywietz sieht in dem Projekt Vorteile für sein Unternehmen: „Wir haben in unsere eigene Ausbildung ebenfalls solche eigenverantwortlichen Projekte aufgenommen.“