Am 17. Oktober 2020 wurde vom Nationalen Volkskongress der VR China ein neues Exportkontrollgesetz verabschiedet, das am 1. Dezember 2020 in Kraft tritt. Es ist das erste nationale Gesetz zur Exportkontrolle der VR China.
Die bisher geltenden Vorschriften waren in verschiedenen Gesetzen und Verwaltungsvorschriften verstreut.
Leider enthält das Gesetz viele unbestimmt Rechtsbegriffe, die nicht geklärt sind.
Eine wichtige Ergänzung zum Exportkontrollgesetzt wird die geplante Verordnung über die Ausfuhr von Dual-Use-Gütern sein (Erste Durchführungsverordnung zum EKG). Aktuell liegt zu dieser nur der Entwurf vom 22.04.2022 vor. Ausführliche Informationen zu den Inhalten des Entwurfs finden Sie auf unserer Seite des „Präsentationen und Kontakte“ des Münchner Exportkontrolltages 2022
Sind bayerische Unternehmen betroffen?
Auch bayerische Unternehmen können von den chinesischen Regelungen betroffen sein. Neben unmittelbaren Handelsbeziehungen mit China ist auch relevant, ob Vorprodukte und Technologien aus China in den Produkten der bayerischen Unternehmen enthalten sind (exterritoriale Wirkung des Gesetzes). Bei der Prüfung der möglichen Betroffenheit sind nach derzeitigem Kenntnisstand folgende Aspekte relevant:
1. Exportiert das bayerische Unternehmen (auch temporär) Produkte aus China z. B. durch eine Niederlassung oder einen Produktionsstandort in China?
2. Liegt ein fiktiver Export vor („Deemed export“)?
3. Importiert das bayerische Unternehmen Produkte aus China?
4. Verwendet das bayerische Unternehmen Produkte aus China, die der Exportkontrolle unterliegen und verkauft diese an einen weiteren Kunden (Re-Export) bzw. stellt diese Kunden zur Verfügung? Hierbei ist es nicht erheblich ob das Unternehmen diese Produkte selbst aus China importiert hat oder außerhalb Chinas, z. B. in Europa, erworben hat (exterritoriale Wirkung).
Was soll der Exportkontrolle unterliegen?
Der Entwurf des Exportkontrollgesetzes enthält sowohl Exportverbote als auch Exportbeschränkungen für spezielle Waren und Technologien (Warenlisten und Technologielisten).
Kontrollierte Güter - Kontrolliert wird nach dem Gesetz die Ausfuhr von:
- Dual-Use-Gütern,
- militärischen Gütern,
- nuklearen Gütern und
- anderen Gütern, Technologien oder Dienstleistungen, die mit der Aufrechterhaltung der nationalen Sicherheit und der nationalen Interessen sowie mit der Erfüllung von Antiproliferations- und anderen internationalen Verpflichtungen im Zusammenhang stehen.
Diese Güter werden in Listen – ggf. auch nur temporär – aufgeführt. Darüber hinaus kann auch die Ausfuhr nicht-gelisteter Güter genehmigungspflichtig sein, wenn der Exporteur weiß oder wissen muss oder ihm von den chinesischen Exportkontrollbehörden mitgeteilt wird, dass die zu exportierende Ware:
- die nationale Sicherheit oder nationale Interessen verletzen könnten oder
- der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen dienen könnten oder eine Verwendung zu terroristischen Zwecken droht (sog. Catch-all-Regelung).
Anwendungsbereich - Der Anwendungsbereich des Gesetzes umfasst sowohl den Transfer von kontrollierten Waren aus dem chinesischen Territorium als auch die Bereitstellung kontrollierter Waren durch chinesische Staatsangehörige, juristische Personen oder andere Organisationen an ausländische natürliche oder juristische Personen oder andere Organisationen innerhalb Chinas (deemed export).
Es gilt auch für die Durchfuhr, den Umschlag, die Durchfuhr, den Versand, die Wiederausfuhr und die Ausfuhr von Gütern aus einem Zollverschlussgebiet oder einer Sonderzollzone.
Wie sollen Verstöße gegen das Gesetz geahndet werden?
Gegen diejenigen, die gegen das Gesetz verstoßen und dadurch die nationale Sicherheit oder die nationalen Interessen der VR China gefährden oder die Erfüllung seiner Antiproliferations- und anderer internationaler Verpflichtungen behindern, können die zuständigen Behörden eine Vielzahl von Maßnahmen erlassen:
Konsequenzen für Exporteure in China:
- Entzug von Exportgenehmigungen
- Hohe Bußgelder
- Eintrag ins (Corporate) Social Credit System und damit verbunden weitere negative Auswirkungen.
- Bei Straftaten, im äußersten Fall: Todesstrafe
Konsequenzen für z. B. bayerische Importeure und Endkunden:
- Eintrag in Black List
- Verbot der Belieferung aus China (ähnlich wie US-Sanktionen)
Das Gesetz berechtigt die VR China ferner, gegenseitige Maßnahmen zu ergreifen, wenn eine ausländische Regierung die Exportkontrollmaßnahmen missbraucht und dadurch die nationale Sicherheit und die nationalen Sicherheit und die nationalen Interessen Chinas gefährdet.
Die chinesischen Behörden haben zudem weitreichende Befugnisse, mögliche Verstöße zu untersuchen: Betreten des Geschäftssitzes, Befragungen, Einsicht in und Kopieren von Dokumenten, Einsicht in Bankkonten etc.
Welche konkreten Maßnahmen sollten Unternehmen mit Blick auf das zukünftige Exportkontrollgesetz derzeit ins Auge fassen?
Größte Herausforderung ist die derzeitige Unsicherheit durch die Vielzahl von unbestimmten Rechtsbegriffen und den fehlenden Durchführungsvorschriften.
Bereits zum jetzigen Zeitpunkt sind für möglicherweise betroffene bayerische Unternehmen unter anderem folgende Aspekte wichtig:
- Überprüfung der eigenen Produkte, ob diese Bestandteile aus China beinhalten und wenn ja in welcher Höhe.
- Abgleich der Waren/Dienstleistungen mit den bereits bestehenden amtlichen Listen, als Indiz, ob die Waren nach dem neuen Exportkontrollrecht betroffen sein könnten, betreffend z. B. die exterritoriale Wirkung.
- Frühzeitige Kommunikation mit den Geschäftspartnern, ob Waren/Dienstleistungen/Technologien der chinesischen Exportkontrolle auch unter dem neuen Exportkontrollrecht unterliegen könnten. ·
- Einholung von Informationen bzgl. Exporteur, Endkunde, um für den Fall eines Inkrafttretens die notwendigen Daten vorliegen zu haben.
- Aufbau bzw. Optimierung eines Compliance-Systems.
- Überprüfung der chinesischen Zolltarifnummer (HS-Code) für eigene Produkte.
- Solange das Thema chinesische Exportkontrolle mit dem Lieferanten nicht geklärt ist, keine Vorauszahlung vereinbaren.
- Vertragliche Regelungen vereinbaren mit den Geschäftspartnern für den Fall von Auswirkungen des neuen Exportkontrollrechts auf die Geschäftsbeziehungen inkl. möglicher Haftungsregelungen bei Verstoß gegen Vorschriften des neuen Exportkontrollrechts sofern dieses in Kraft tritt.
Exportkontrollgesetz und englische Übersetzung:
Den Gesetzestext mit einer unverbindlichen englischen Übersetzung (keine offizielle Übersetzung) finden Sie hier.
Welche Aspekte des Gesetzes sind besonders relevant?
Artikel 2: Strategische Exportkontrollziele sind typischerweise Rüstungsgüter und Dual-use-Güter. Der Anwendungsbereich des chinesischen Exportkontrollgesetzes bezieht sich explizit u. a. auch auf Technologien und Dienstleistungen, die im Zusammenhang mit Chinas nationaler Sicherheit und seinen Interessen stehen. Auch die Lieferung von kontrollierten Gütern an ausländische Organisationen oder Individuen innerhalb Chinas durch chinesische Staatsbürger, Institutionen etc. ist erfasst.
Artikel 7: Die (chinesischen) Industrie- und Handelskammern werden als mögliche Dienstleister genannt. Sie sollen Unternehmen in Fragen der Exportkontrolle beraten.
Artikel 8: Chinesische Exportkontrollbehörden können Länder und Regionen, in die kontrollierte Güter exportiert werden sollen, bewerten sowie über das Risikopotenzial und Kontrollmaßnahmen entscheiden.
Artikel 9: Neben einer Liste kontrollierter Güter wird es auch eine Liste vorübergehend kontrollierter Güter geben. Deren Kontrolle ist für maximal zwei Jahre möglich.
Artikel 12: sieht ein System für die Genehmigung des Exports von kontrollierten Gütern vor. Zudem müssen Genehmigungen auch für den Export von nichtkontrollierten Gütern eingeholt werden, etwa wenn diese die nationale Sicherheit gefährden. Außerdem gibt es die Möglichkeit, in Zweifelsfällen die Genehmigungsbehörden zu konsultieren. Diese sollen hierauf „zeitnah“ antworten.
Artikel 13: Die Exportgenehmigung ist u. a. vom „credit report“ des Exporteurs abhängig, also dem Rating im Rahmen des Corporate Social Credit Systems der VR China (Artikel 13 Nr. 7).
Artikel 14: Unternehmen mit einem internen Compliance-Programm können von den Exportkontrollbehörden Erleichterungen erhalten, etwa in Form von Allgemeinen Exportgenehmigungen.
Artikel 18: Zudem wird eine Liste von Importeuren und Endverwendern erstellt, gegen die bestimmte Maßnahmen ergriffen werden können. Exporteure dürfen mit diesen keine oder nur mit Genehmigung Geschäftsbeziehungen eingehen. (Unreliable Entity Liste: siehe auch MOFCOM Order No. 4 2020)
Artikel 20: Dienstleister dürfen für Exporteure, die gegen das Gesetz verstoßen haben, keine Dienstleistungen erbringen.
Artikel 28: Behörden haben weitreichende Befugnisse, mögliche Verstöße zu untersuchen: Betreten des Geschäftssitzes, Befragungen, Einsicht in und Kopieren von Dokumenten, Einsicht in Bankkonten etc.
Artikel 31: Anonyme Hinweisgeber werden geschützt.
Artikel 33-38: Verstöße werden mit Geldstrafen geahndet, die je nach Verstoß unterschiedlich ausfallen können; außerdem kann das konkrete Geschäft betroffen sein.
Artikel 39: Möglich sind weiterhin ein Verbot zur Ausübung von Exportgeschäften für 5 Jahre, ein entsprechender, Vermerke im Sozial-Kreditsystem und bei einer strafrechtlichen Verurteilung auch ein lebenslanges Verbot von Exportgeschäften.
Artikel 40 - 43: Darüber hinaus können zollrechtliche oder strafrechtliche Konsequenzen gezogen werden.
Artikel 44: Auch Verstöße von Organisationen und Einzelpersonen außerhalb von China werden geahndet.
Artikel 45: Neben dem Export (physisch und elektronisch) wird auch der Re-Export reglementiert.
Artikel 48: Sollte ein Staat Exportkontrollmaßnahmen zum Nachteil Chinas ergreifen, können dem Gesetz nach Gegenmaßnahmen gegen das Land ergriffen werden.
Wie geht es weiter?
Wichtig ist nun die Bekanntgabe der chinesischen Durchführungsvorschriften und Listen durch die chinesische Seite, die bis dato noch nicht erfolgt ist.
Exportkontrollrecht weltweit:
Die Exportkontrolle vieler Staaten hat zwei grundsätzliche Zielrichtungen: die Verhinderung der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen (Nonproliferation) und die Verhinderung der unkontrollierten Verbreitung konventioneller Rüstungsgüter. Internationale Vorgaben für die nationalen Exportkontrollen ergeben sich aus multilateralen Vereinbarungen, sowie aus nationalen Gesetzen des exportierenden Staates. Umstritten sind exterritoriale Wirkungen nationalen Zollrechts, wie es auch das US-Exportkontrollrecht aufweist oder gar Versuche einzelner Staaten über die Exportkontrolle wirtschafts- und geopolitische Interessen durchzusetzen.
Mehr zum Exportkontrollrecht finden Sie hier.
Quellen: DIHK