Für die Wirtschaft sei die schnelle Regierungsbildung ein guter Auftakt gewesen, so Gößl. „Nach dem Bruch der Ampel-Koalition sehnten sich die Unternehmen nach Verlässlichkeit und Aufbruch. Auch wenn der Koalitionsvertrag in Summe kein großer Wurf ist, gibt es Vorhaben, die richtige Impulse für die dringend nötige Verbesserung der Investitionsbedingungen geben“, sagt der IHK-Chef. Als Beispiele nennt er den bis Ende 2027 befristeten Abschreibungs-Booster für Ausrüstungsinvestitionen von bis zu 30 Prozent, die schrittweise Senkung der Körperschaftsteuer von 15 auf zehn Prozent sowie des Thesaurierungssteuersatzes für nicht entnommene Gewinne bei Personenunternehmen von 28,25 auf 25 Prozent jeweils ab 2028, den geplanten Bürokratieabbau um 25 Prozent bis 2029 und die angestrebte wöchentliche Höchstarbeitszeit für alle Betriebe.
„Natürlich waren auch die staatlichen Investitionen in unsere Verteidigungsfähigkeit und die Infrastruktur längst überfällig. Zusätzliche Investitionen können durchaus schuldenfinanziert sein, sofern sie mit echten Reformen verbunden sind, die für ein höheres Wachstumspotenzial in Deutschland sorgen. Wenn aber die Sonderschulden zweckentfremdet werden, um Haushaltlöcher zu stopfen oder Sozialleistungen zu finanzieren, dann wäre das zum Schaden von Wirtschaft und Gesellschaft”, sagt Gößl. „Dass die Länder und Kommunen ihren Anteil am sogenannten „Sondervermögen Infrastruktur und Klimaneutralität“ in Höhe von 100 Milliarden Euro nicht zwingend für zusätzliche Investitionen verwenden müssen, deutet zumindest in eine gefährliche Richtung“, so der IHK-Chef. Er verweist darauf, dass der Schuldenstand des Bundes von aktuell 1.750 Milliarden Euro bis 2029 um fast 50 Prozent steigen werde und die jährlichen Zinsausgaben im Bundeshaushalt von jetzt 30 Milliarden auf dann über 70 Milliarden. Zins und Tilgung könnten nur mit einem Sprung im Wirtschaftswachstum bewältigt werden, was eine Generalsanierung des Wirtschaftsstandorts voraussetze. Deshalb fordert Gößl von der Politik weiterhin den Grundsatz ein: „Keine Schulden ohne Reformen.“
„Keine Schulden ohne Reformen.“
Während der ersten 100 Tage der Merz-Regierung habe sich die Stimmung in der Wirtschaft leicht verbessert, erklärt der IHK-Chef. „Trotzdem hält sich die Mehrzahl der Unternehmen weiterhin mit Investitionen zurück, da die Anzeichen für eine echte Wirtschaftswende mit massiven und zugleich verlässlichen Anreizen für mehr Arbeit, mehr Investitionen und weniger Bürokratie bislang ausbleiben. Das Abwarten hat auch damit zu tun, dass Versprechen nicht gehalten wurden und deswegen teilweise Vertrauen verspielt wurde“, mahnt Gößl an. In weiten Teilen der Wirtschaft herrsche beispielsweise Enttäuschung bis Empörung, dass die Stromsteuer anders als angekündigt doch nicht für alle Branchen gesenkt wurde, sondern nur rund 20 Prozent der Firmen weiterhin begünstigt bleiben. „Der jüngste Kabinettsbeschluss zum bürokratischen Tariftreuegesetz für Vergaben des Bundes oder das Verdrängen von dringend notwenigen Reformen in den Sozialversicherungen, was zu drastisch steigenden Lohnnebenkosten in den nächsten Jahren führen wird, hinterlässt in der Wirtschaft eine spürbare Ernüchterung“, macht Gößl deutlich.
Für die kommende Zeit fordert der IHK-Chef von der Bundesregierung, dass den Plänen zum Wirtschaftswachstum auch Taten folgen. „Für uns zählt, dass sich die Unternehmen auf die Politik verlassen können. Dazu gehört auch, dass die schuldenfinanzierten Investitionen durch massive Beschleunigung der Planungs- und Genehmigungsprozesse schnell und sichtbar auf der Straße ankommen.“