EU plant verschärfte Produkthaftung – BIHK-Diskussion in Brüssel
Fehlende Balance, klarer Vorzug des Verbraucherschutzes auf Kosten der Unternehmen: Mit dieser Position hat sich die IHK-Vollversammlung klar gegen die von der EU-Kommission geplante Verschärfung der Produkthaftung ausgesprochen. Ein Parlamentarischer Abend in Brüssel am 3. Mai zu diesem Thema gab Vertretern der Wirtschaft die Chance, ihre Bedenken gegenüber EU-Vertretern vorzutragen. Die bayerischen Industrie- und Handelskammern (BIHK) haben in Kooperation mit der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) und dem Enterprise Europe Network (EEN) die Podiumsdiskussion „Verschärfung der Haftung für fehlerhafte Produkte“ veranstaltet. Gastgeber war die Vertretung des Freistaates Bayern bei der Europäischen Union. Das Interesse an den geplanten neuen Regeln für die Wirtschaft war sehr hoch. 130 Teilnehmer verfolgten die Diskussion auf dem hochkarätig besetzten Panel.
Amaryllis Verhoeven, bei der EU-Kommission Referatsleiterin u.a. für die Transformation der Industrie und Sozialwirtschaft, begründete das Vorhaben mit dem Hinweis, die bestehende Produkthaftungsrichtlinie stamme aus dem Jahr 1985. Sie müsse dringend an das digitale Zeitalter angepasst werden. Ihren Worten zufolge setzt die geplante Neufassung bei den Geschädigten fehlerhafter Produkte an. Die sollen es künftig leichter haben, ihre Betroffenheit nachzuweisen und ihre Rechtsansprüche durchzusetzen. Marion Walsmann, (CDU), Europa-Abgeordnete und stellvertretende Vorsitzende im Rechtsausschuss des EU-Parlaments, gab Verhoeven beim Befund Recht. Eine Novellierung der Produkthaftung sei notwendig. Ebenso wie Armin Hartmuth, dem Stellvertretenden Leiter der bayerischen Vertretung in Brüssel, warnte Walsmann vor einer Überregulierung nur auf Kosten der Unternehmen. Das könne dazu führen, dass bestimmte Waren nicht mehr hergestellt und entwickelt würden. Hartmuth betonte, die Haftungsrisiken müssten vor allem für Mittelständler kalkulierbar bleiben. Sonst zerstöre die EU das Innovationsklima.
Christian Handig, stellvertretender Leiter der Abteilung Rechtspolitik der Wirtschaftskammer Wien, sagte, zu befürchten sei genau das: unkalkulierbare Risiken. Der Wegfall des Selbstbehaltes für den Verbraucher, Juristen oder Verbands, der gegen einen Hersteller klage, fördere das Entstehen einer neuen Klageindustrie. Thomas Klindt, Rechtsanwalt und Experte im Produkthaftungsrecht der Münchner Kanzlei Noerr, erklärte, die geplante Neufassung enthalte einen kritischen Punkt: Im Klageverfahren kann das Gericht das Unternehmen dazu zwingen, interne Beweismittel vorzulegen. Dazu gehören etwa Konstruktionsunterlagen oder Produktstudien. Heidrun Hausen, Mitglied der Vollversammlung der Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern und Personal-Managerin bei DELO Industrie Klebstoffe, kritisierte diese Offenbarungsplicht als unkalkulierbares Haftungsrisiko. Fabian Fechner, EU-Vertreter der Miele AG, warnte vor Klagen, die nur geführt würden, um an Betriebsunterlagen heranzukommen. Schon Formfehler, wie eine unvollständige Vorlage von Unterlagen, könnte für das Unternehmen bedeuten, den Prozess zu verlieren. Als kritisch wertete Fechner, dass der Geltungsbereich der neuen Richtlinie auf Software und KI-Systeme ausgeweitet werden soll. Für Hersteller und Anbieter werde es sehr aufwändig und teuer, diese Produkte über Überwachung und laufendes Updaten fehlerfrei zu halten.