Eine Umfrage des DIHK aus dem März 2022 zeigt: Der Großteil der Unternehmen in Deutschland meldet Störungen in der Lieferkette als Auswirkung der Ukraine-Krise. Wo Roh- und Produktionsstoffe nicht mehr grenzenlos verfügbar sind oder auf erhöhte Rohstoffpreise reagiert werden muss, stellt sich früher oder später die Frage: Was, wenn das Unternehmen seinen Lieferverpflichtungen nicht mehr nachkommen kann?
Grundsatz 1: Laufende Verträge sind zu erfüllen. Materialpreiserhöhungen und Lieferengpässe wegen des Ukrainekriegs:
Das können Sie tun
Grundsatz 2: Bei neu zu verhandelnden oder zu verlängernden Verträgen kann ein Lieferstopp oder eine Lieferverweigerung eine kartellrechtswidrige Ausnutzung von Marktmacht darstellen. Das Gebot zur diskriminierungs- und willkürfreien Belieferung gilt in Deutschland nicht nur für Unternehmen mit absoluter Marktmacht bzw. „marktbeherrschender Stellung“, sondern auch für Mittelständler und kleine Unternehmen mit relativer Marktmacht – also wenn Abnehmer von ihnen gleichwohl abhängig sind: ·
- Unter diskriminierungsfreier Belieferung versteht man, dass gleichartige Abnehmer anteilig zu gleicher Kapazität beliefert werden müssen. ·
- Unter willkürfreier Belieferung versteht man, dass Lieferbedingungen nicht ohne sachlichen und nachvollziehbaren Grund einseitig geändert werden dürfen.
Zwei Fallkonstellationen eines Lieferstopps werden derzeit in der Presse immer wieder erwähnt:
a) Lieferstopp wegen fehlender Einigung bei Preisverhandlungen
In einem derzeit anhängigen Rechtsstreit zwischen dem Lebensmittelhändler Edeka und Coca-Cola, hat das Landgericht Hamburg den Lieferstopp des Getränkeherstellers für zulässig erklärt. Die Abnehmerin Edeka hatte sich zuvor geweigert, höhere Preise zu zahlen. Daraufhin verwehrte Coca-Cola die Lieferungen. Die Produkte fehlen derzeit in den Regalen. Das Gericht argumentierte, Edeka hätte eine willkürliche Preisgestaltung nicht ausreichend nachgewiesen, vielmehr sei plausibel, dass die Preiserhöhungen marktbedingt zustande gekommen seien. Wie der Rechtsstreit ausgeht, bleibt abzuwarten.
b) Lieferstopp wegen fehlender Rohstoffe
Eine gleichmäßige Reduktion der Liefermenge bis hin zum Lieferstopp gegenüber allen gleichartigen Abnehmern kann in einer nachweisbaren Mangellage kartellrechtlich zulässig sein. Ausnahmsweise darf auch eine ungleiche Lieferverkürzung bis hin zum Lieferstopp erfolgen. Hierfür muss jedoch eine sachliche Rechtfertigung gegeben sein. Worin eine solche besteht, unterliegt keiner allgemeinen Regel, sondern muss je nach Einzelfall beurteilt werden. Fest steht jedoch, dass eine Ungleichbehandlung einzelner Kunden auf nachvollziehbaren Kriterien beruhen sollte, die nicht auf ein missbräuchliches Ausnutzen von Marktmacht hindeuten. In der Vergangenheit wurde zum Beispiel die Ungleichbehandlung von Stamm- und Gelegenheitskunden, sowie Bestandskunden mit bestehenden Lieferbedingungen im Verhältnis zu Neukunden als gerechtfertigt erachtet. Grundsätzlich darf Newcomern der Zugang zum Markt aber nicht vollständig verwehrt werden.
IHK-Tipp: Für die Praxis bedeutet dies,
- dass eine Mangellage bezüglich der Produktionsmittel gut dokumentiert werden sollte und ·
- Lieferreduzierungen und -stopps anhand einheitlicher, sachlicher Kriterien vorgenommen und auch diese dokumentiert werden sollten.